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Der Mann, der alles kocht

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Wenn man Daniel Petri im vierten Stock eines renovierten Altbaues in der Landsberger Straße besucht, wartet er lächelnd im Türrahmen und in einer Kulisse, die schon verrät, worum es diesem 30-Jährigen geht: Ein kapitaler Massivholztisch für zehn Stühle füllt den ganzen Flur, die Küche mit ihrer Edelstahl-Komplettausstattung könnte auch zu einem Restaurant gehören. Daniel selbst steht schlank und nett dazwischen und macht Espresso, ohne dass man es merkt, so passgenau und flink sind seine Bewegungen dabei und an der Art, wie er mit der einen Hand Milchschaum schlägt und mit der anderen Hand die Arbeitsfläche feucht abwischt, weiß man schon: Der gehört an den Herd. Er steht tatsächlich auch jeden Tag an einem Herd, aber die Gerichte, die Daniel Petri dort zubereitet sind nicht zum essen da. Obwohl sie völlig frisch sind und phantastisch aussehen, werden sie meistens ganz unberührt kalt. Daniel ist Foodstylist, seine Gerichte serviert er einem Fotografen oder einem Filmteam und damit meist wesentlich kritischeren Kunden als es Gäste im Restaurant sind. Manchmal, sagt Daniel, muss er sich einen ganzen Tag nur damit beschäftigen, eine halbe Zitronenscheibe in einem Glas Mineralwasser perfekt aussehen zu lassen. „Solche scheinbar banalen Sachen sind am schwierigsten. Einen Teller Risotto für ein Kochbuch zu stylen, ist da viel einfacher.“ Perfekter als im Alltag Über einhundert Kochbücher hat Daniel schon als Essensdekorateur betreut. Das bedeutet, er hat sie wahrscheinlich als einziger Mensch überhaupt, von der Suppe bis zu den Desserts, durchgekocht. Bevor so ein Buch in Druck geht, bekommt Daniel vom Verlag die Fahnen mit den Rezepten. Alles was auf einem Foto zu sehen sein soll, muss Daniel nach diesen Rezepten kochen – die Leser sollen später auf den Bildern schließlich genau das Gericht wieder finden, das im Buch steht. „Manchmal sind das wirklich schlechte Rezepte, die wurden irgendwo schnell zusammengeklaut und funktionieren gar nicht.“ Als ausgebildeter Koch kann Daniel solche Mängel leicht wettmachen, er gibt den Kochbuchautoren danach Feedback und fungiert so nebenbei noch mal wie ein Praxislektorat, das später den Hobbyköchen daheim zu gute kommt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Burger, gestylt. Und Daniel in seiner Küche. Im März erscheint im Gräfe&Unzer-Verlag das Studenten-Kochbuch, für das er die Bilder arrangiert hat. Aber Kochbuchproduktionen machen nur einen Teil von Daniels Aufträgen aus. Gerade ist er für eine große Kühlschrankfirma gebucht, die einen Imagefilm drehen lässt, mit vielen geöffneten Kühlschränken, in denen kunstvoll drapierte Lebensmittel stehen. Knackfrischer Salat etwa und elegant beschlagene Colaflaschen, wie im Alltag, nur eben viel perfekter. Für einen erotisch an einer Flasche hinab laufenden Tropfen nimmt Daniel übrigens nicht Wasser, sondern Glycerin. Das verdampft nicht und bleibt kompakter, allerdings nur, wenn die Flasche davor fachmännisch vorbereitet wurde. „Die Liquids sind sehr knifflig“, sagt Daniel und lacht selber über den komischen Satz. Fernseh-Werbespots hat er auch gemacht, bei denen zum Beispiel ein Streichkäse möglichst verkaufsfördernd aufs Brot gestrichen wurde und die Cheeseburger von McDonald’s hat er früher zur richtigen Reinbeißoptik für Werbeplakate aufgedonnert. „Das gehört zum Schwierigsten überhaupt, man muss bei Fastfood-Styling unheimlich genau arbeiten“, sagt Daniel und ist dann schon am Aufzählen der Fähigkeiten, die ein Foodstylist braucht: Gute Nerven, wenn die Kunden vor Ort immer neue Ideen haben; stundenlang eine ruhige Hand, die gleichzeitig schnell auf den Punkt arbeiten kann, aber auch ein Talent, das ganze Team den ganzen Tag über bei Laune zu halten. Wenn er anderen von Herausforderungen in seinem Beruf erzählt, hört er oft dieses eine Gerücht: Foodstylisten würden doch ohnehin mit Haarspray oder gleich mit ganzen Plastikteilen arbeiten, um das Essen entsprechend zu präparieren. „Ziemlicher Quatsch“, sagt Daniel „Gerade etwa McDonald's schreibt vor, dass alle Aufnahmen nur mit 100 Prozent Originalmaterial zubereitet werden dürfen. Ich versuche sowieso immer alles so authentisch wie möglich zuzubereiten, denn perfekt aussehen kann es eben nur, wenn es echt ist.“ Aber natürlich haben gute Foodstylisten, zu denen Daniel längst zählt, ein Trickarsenal, das über die Qualität ihrer Arbeit und damit auch über ihre Honorare und Buchung entscheidet – deswegen verrät Daniel nur wenig. „Risotto zum Beispiel, muss man genau bei einer bestimmten Temperatur und ziemlich schnell fotografieren. Nach spätestens drei Minuten kriegt es eine leichte Haut, die auf dem Bild dann nicht mehr gut aussieht. Die beste Reistemperatur für eine Risotto-Foto liegt meiner Meinung nach zwischen 40 und 55 Grad.“ Verpasst das Team mal den richtigen Zeitpunkt oder stellen die Fotos nicht zufrieden, muss Daniel von vorne anfangen. Immer wieder neu kochen, das gehört fast täglich dazu. Produziert werden die Model-Mahlzeiten meist bei Fotografen, die sich auf Essen spezialisiert haben und wo das Studio gleich an eine Küche grenzt. Daniel könnte aber überall kochen. In seinem Kofferraum hat er eine mobile Küche, die zum Beispiel an Werbe-Drehorten unter freiem Himmel zum Einsatz kommt. Neben den Kochutensilien liegen auch immer kistenweise Gemüse und Tüten vom Viktualienmarkt. Jeden Arbeitstag steht Daniel dafür um viertel nach sieben auf dem Markt und kauft die Grundlagen für seinen Job. „Die Händler kennen mich alle und die meisten lieben mich, weil ich immer nur das Beste will.“ Er sei aber auch ein anstrengender Kunde, sagt er, einer der sich so lange Schinken abschneiden lässt, bis er genau 2,5 Millimeter dick ist, oder der sich im Dezember Erdbeeren wünscht – in feinster Qualität, versteht sich. Bei diesen morgendlichen Einkäufen trifft er immer die gleichen Münchner, die alle wie er verrückt nach Essen und der besten Qualität sind: Spitzenköche oder eben die anderen Fooddesigner. Ein knappes Dutzend, schätzt Daniel, spielt davon in München in der Oberklasse mit. Man kennt sich und unterstützt sich – obwohl alle selbständig arbeiten. „Wenn einer keine Zeit für einen Auftrag hat, empfiehlt er so lange andere Kollegen, bis der Job vergeben ist,“ sagt Daniel und freut sich an dieser übersichtlichen und konstruktiven Szene und an einem Beruf, der Freiheiten bietet, die ein Koch nicht unbedingt hat. Gutes Essen lohnt sich Als er sich damals, über elf Jahre ist das jetzt her, die harte Ausbildung in einem Münchner Sternerestaurant ausgesucht hatte, war das vor allem eine Entscheidung dafür, im Leben das zu tun, was ihm Spaß macht: Kochen und Essen. Aufgewachsen in einem Akademikerhaushalt, hat er sich deswegen für ein Handwerk entschieden, wie sein Bruder, der Schreiner geworden ist und den Tisch im Flur gebaut hat. „Wenn man Lust auf ein Handwerk hat, ein bisschen mit Vision daran geht, ist das genauso gut wie ein akademischer Beruf, oder eigentlich noch besser, weil man schneller loslegen kann.“ Irgendwann am Ende der Ausbildung wurde Daniel als Assistent zu einem Fotoshooting mitgenommen und sah zum ersten Mal einen Foodstylisten bei der Arbeit. Ein prägender Moment. Zwei Jahre sammelte er Erfahrung als Mitarbeiter einer Fotoagentur, die sich auf Lebensmittelfotografie spezialisiert hat, danach begann das Abenteuer als selbständiger Foodstylist. Dabei winken ihm heute Honorare, um die ihn festangestellte Köche manchmal beneiden. Allerdings muss Daniel jeden Morgen auch viel Geld für seine Zutaten vorstrecken, für Aufträge, die vielleicht erst drei Monate später bezahlt werden und er spürt gleich, wenn die Firmen, wie derzeit, die Werbebudgets zusammenstreichen. Nicht nur deswegen hat Daniel noch andere Pläne. Gerade arbeitet er an dem Konzept für eine Internet-Kochschule, in der er in Videos die Grundlagen des Kochens erklärt. Schritt für Schritt will er dort zum Beispiel die Zubereitung von Semmelknödel oder Schnitzel vormachen. „Es gibt zwar viele Köche im Fernsehen, aber kaum eine Sendung bringt die Zuschauer wirklich wieder zum Selberkochen, weil vielen die Grundlagen fehlen“, sagt er und redet gleich weiter, über die seltsame Mentalität vieler Mitbürger, die zwar Synthetik-Öl für 40 Euro in ihren BMW schütten, in sich selber aber nur das Billigöl vom Discounter. Das könne er nicht verstehen, sagt Daniel. Seine lebenslange Vorliebe für gutes Essen sieht man ihm übrigens überhaupt nicht an. „Das kommt daher, dass ich immer nur esse, wenn es wirklich etwas Gutes gibt. Wenn am Set mal nur der Pizzaservice kommt, esse ich eben einen Tag gar nichts.“ Es folgt ein langer Blick in die leere Espressotasse und dann: „Schlechtes Essen lohnt sich einfach nicht.“

Text: max-scharnigg - Fotos: oh

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