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Die bessere Lesung: Krimis mit Katharina, Kilian und Klavier

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Normale Lesungen sind bisweilen sehr fad, dachte sich Schauspielerin Katharina Neudorfer, 28, und fragte den Jazzpianisten Kilian Kemmer, 27, ob er nicht Lust habe, eine Krimilesung am Klavier zu begleiten. Seit Mai dieses Jahres gibt es nun die Lesereihe „hörsache“ im Kulturladen im Westend (Ligsalzstraße 44). Einmal im Monat gibt es dort für drei Euro Eintritt ein Glas Wein, das Klavierspiel von Kilian und die Stimme von Katharina. Kommenden Montag, den 17. Dezember, um 20.30 Uhr liest Katharina aus den Geschichten des Münchner Autors Fridolin Schley. Er hat eben den Tukan-Preis der Stadt München für seinen Erzählband „Wildes schönes Tier“ erhalten. jetzt.muenchen: Gleich vorweg: Ihr habt da ja eine richtig schöne Leiche, mit der ihr für eure Lesungen werbt. Katharina: Oh, na ja. Neulich war ich im Literaturhaus, als neben mir eine Frau mit ihrer Tochter stand und ihr die Karte zeigte. „Schau mal, wie grauslig“, sagte sie. Da dachte ich: Wir brauchen ein neues Motiv. Aber wir machen sowieso für jedes Genre eine eigene Karte.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.muenchen: Bist du das auf dem Bild? Katharina: Ja. Die Karte hat Florian Gleich für die Krimilesungen gestaltet. Er ist Webdesigner und macht für uns außerdem die Bühnenbilder. Er hört sich die Geschichten an und überlegt, wie er den Raum schöner gestalten kann. jetzt.muenchen: Wie zum Beispiel? Katharina: Für die Lesung aus den Geschichten von Edgar Allan Poe hat er ein Transparent von hinten beleuchtet, auf dem ein riesiger Vogel aus Pappe klebte. Florian hat dem Vogel ein Auge ausgeschnitten und mit einer roten Lampe durchgeleuchtet. Das Ergebnis war eine bedrückende und sehr geheimnisvolle Stimmung. jetzt.muenchen: Wie stelle ich mir die Lesung vor? Spielt Kilian nur in deinen Lesepausen? So als eine Art – Werbeunterbrechung? Katharina: Nein, nein. Jede Figur hat bei uns ihr eigenes Motiv und wir führen auch jeden neuen Raum mit einer eigenen Musik ein. So wird die Atmosphäre des Textes über das Klavier transportiert. In einer Geschichte zum Beispiel, die wir gelesen haben kam ein Doktor vor, der immer betrunkener und betrunkener wurde. So wurde auch die Musik, die Kilian gespielt hat: betrunkener und betrunkener. jetzt.muenchen: Das erinnert mich an Stummfilme, die von Jazz-Bands begleitet werden. Katharina: Das ist vergleichbar. Ich dachte mir: So eine Lesung allein kann ja schon anstrengend sein; die kann ich doch bereichern, indem ich Atmosphären schaffe. Da ist mir der Kilian eingefallen und ich habe zu ihm gesagt: „Lass’ es uns versuchen“. Kilian spielt genial Klavier und wir haben mittlerweile eine gemeinsame Sprache gefunden. Am Anfang habe ich noch zu ihm gesagt: „Kilian, ich hätte gerne eine. . . blaue Atmosphäre.“ Da meinte er: „Wie soll ich denn blau spielen?“ Heute sage ich: „Mach’ mal Legato an der Stelle“ oder „geh’ mal zwei Oktaven höher’“ – und es funktioniert prima. jetzt.muenchen: So prima, dass du jetzt Texte von Fridolin Schley liest. Wie hat er reagiert, als ihr das erste Mal zusammen geprobt habt? Katharina: Er war angenehm überrascht, hat von seinem Buch aufgesehen und gesagt: „Das ist doch richtig gut!“ jetzt.muenchen: Er meinte den Text? Katharina: Ja. jetzt.muenchen: Weil ein professioneller Leser mehr aus den Sätzen holt? Katharina: Viele Autoren haben einen großen Abstand zum eigenen Text. Sie mögen es auch gar nicht, ihre eigenen Texte zu lesen – dabei liegt viel mehr drin. jetzt.muenchen: Fragt sich, warum die Verlage nur bei ausländischen Autoren Schauspieler mit auf Reisen schicken, die die Texte auf deutsch lesen. Katharina: Das wäre mal eine Idee: Die nehmen zu den Lesungen einfach Kilian und mich mit! (lacht) jetzt.muenchen: Krimis erleben gerade eine Renaissance. Bist du Krimi-Fan? Katharina: Ich lese keine Krimis. Ich habe zum Beispiel noch nie einen Mankell gelesen – ich fürchte mich so leicht. jetzt.muenchen: Ach was?! Warum liest du sie dann vor? Katharina: Wegen der Spannung. Die Leute hören einfach nur! Einmal ist ein Schirm umgefallen – und alle sind zusammen gezuckt. Weil sie so aufmerksam waren. Mehr Infos auf www.hoersache.de

Text: peter-wagner - Foto: oh

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