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Die Liebe als Statusfrage

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Als die Regisseurin Julia von Heinz, 32, feststellt, dass heute viele adlige Frauen alleine leben, macht sie sich auf die Suche nach den Ursachen und nach "Betroffenen". Ergebnis ihrer Recherche ist der Dokumentarfilm "Standesgemäß", der am Dienstag den 30. Dezember um 23.45 Uhr in der ARD zu sehen ist: Alexandra Gräfin von Bredow, Alexandra Freiin von Beaulieu-Marconnay und Verena von Zerboni di Sposetti erzählen, warum eine "Heirat unter Stand" den Verlust ihres Titels und ihres adeligen Bekanntenkreises bedeutet und weshalb das für adlige Männer nicht gilt. Ein Jahr begleitete Julia die Frauen und schuf einen tollen Film über die archaische Welt namens "Adel" und die Frage, welche Rolle eigentlich der Status eines Partners in der Liebe spielt? jetzt.de: Julia, die Suche nach dem richtigen Partner ist was sehr Privates. War es schwierig, die Frauen zu finden, die so offen darüber reden? Julia: Es war nicht einfach und ich musste viele Briefe schreiben, in denen ich mein Anliegen erklärt habe. Aber ich glaube, die Frauen haben gespürt, dass ich ihr Anliegen teile: Ich wollte die Ungerechtigkeit zum Thema machen, nach der es Männern erlaubt ist, ihren adligen Titel weiterzugeben und Frauen nicht. Männer haben es leicht und Frauen werden ungerecht behandelt. jetzt.de: Du trägst selbst ein "von" im Namen - hast du die Recherche wegen eigener Erfahrungen begonnen? Julia: Als ich von Berlin nach München gezogen bin, sind Kontakte aufgelebt, die ich noch von früher hatte, als ich ein Kind war. Nach den Treffen habe ich mich irgendwann gefragt, warum so viele adlige Frauen Singles sind? Die Antwort: Das ist strukturell verankert. Wenn eine Frau das Adelsrecht befolgen will und im Adel bleiben will, muss sie genau hinsehen: Wer passt zu mir? jetzt.de: Bist du denn standesgemäß verheiratet? Julia: Ich habe "ausgeheiratet" und bin nicht mehr adlig, obwohl ich noch einen adligen Namen trage. Meine beiden Kinder tragen den Namen meines bürgerlichen Mannes, aber selbst wenn sie meinen Nachnamen hätten, wären sie nicht adlig: Eine adlige Frau kann ihren Namen nicht an ihre Kinder weitergeben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eigentlich will man frei und selbstbestimmt, eigentlich will man die Traditionen der Vorfahren nicht ganz sausen lassen: Verena von Zerboni di Sposetti in einer Szene von "Standesgemäß". jetzt.de: Hast du deine Entscheidung schon einmal bereut? Julia: Überhaupt nicht. Ich war nur bis ich 13 Jahre war in der "Adelsszene"; bis zur Adelstanzschule. jetzt.de: Was ist das? Julia: Im meinem Film ist an einer Stelle auch von Radtouren für adlige Kinder die Rede, "Adel auf dem Radl" heissen die. Dabei geht es auch darum, Mädchen und Jungs vielleicht schon für eine spätere Heirat bekannt zu machen. In der Pubertät kommen dann die Adelstanzschulen, die es in vielen Städten gibt. Da war ich auch. jetzt.de: Und? Julia: Das war meine letzte Aktion in der Sache. Danach war ich eher in der linken Szene aktiv. jetzt.de: Gibt es noch mehr solcher Programme, mit deren Hilfe standesgemäße Beziehungen vorbereitet werden? Julia: Später kommen zum Beispiel die Studentenverbindungen, in die viele junge adlige Männer gehen und Frauen dazu einladen - es gibt viele Möglichkeiten, sich standesgemäß kennenzulernen. jetzt.de: Ist adelig sein noch was Besonderes? Julia: Es ist 'ne Tragik, dass es nichts Unbesonderes ist. (denkt nach) Es ist ja schon so, dass man von klein auf das Bewusstsein hat, etwas Besonderes zu sein, das muss ich zugeben. Das liegt vor allem an der bewusst kolportierten Ahnenreihe, in der es Leute gab, die für ihre Verdienste geadelt wurden. Das ist zwar nicht der Verdienst der Nachkommen, gibt ihnen ab er das Gefühl, zu einer besonderen Familie zu gehören. Einer meiner Vorfahren, Joseph Heinz, wurde geadelt, weil er ein hervorragender Maler war; mütterlicherseits war es Ritter von Schmaedel, auch ein grandioser Künstler. Die Tragik ist aber: Man denkt aufgrund dieser Vorfahren, man müsste auch was Besonderes schaffen! Man hat den Wunsch, dieses Besondere im Jetzt zu spüren - was aber nicht funktioniert! Das geht so nicht, und . . . das soll jetzt übrigens nicht so klingen, als fände ich Adel was Erhaltenswertes! jetzt.de: Warum nicht? Du sprichst vom Stolz auf deine Familie. Julia: Aber ich finde es richtig, dass der Adel als privilegierter Stand abgeschafft wurde.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Julia von Heinz jetzt.de: Während deiner Dokumentation vergisst man auch leicht die Frage nach der Herkunft und schaut auf die drei Geschichten von Frauen, die nach dem Richtigen suchen: Eine ist sehr eng mit ihrer Mutter, eine hat früher viel gefeiert und trotzdem war nie der Richtige dabei und Verena hat vor allem auch damit zu tun, ihren Eltern zu vermitteln, dass der Beruf der Rechtsanwältin doch nichts für sie ist. Das sind Probleme, die nicht nur im Adel vorkommen, oder? Julia: Wenn das so rüber kommt, dann ist eingetroffen, was ich mir gewünscht habe. Die Geschichte wird universell. Und es ist auch ein grundsätzliches Thema für Frauen, einen Mann zu wollen, der vom Status her passt. Am besten einen, zu dem man hochschauen kann. Diese Sehnsucht habe ich während der Recherche oft gehört. jetzt.de: Dass Frauen zum Mann "Aufschauen" wollen? Julia: Es ist nicht erwiesen, aber es gibt zum Beispiel wahnsinnig viele Single-Akademikerinnen, die ihren Doktortitel lieber verschweigen, um bessere Chancen auf der Suche nach einem Partner zu haben. In manchen Zeitungen: Seitenlang Inserate von Frauen, die einen intellektuellen Mann suchen. Es ist viel leichter für einen Arzt, die Krankenschwester zu heiraten als umgekehrt - so was muss aufhören! Mein Film ist ein Plädoyer, Frauen von Ansprüchen und Zwängen zu befreien, um Glück zuzulassen. Dieses immer aufschauen wollen birgt die Gefahr, alleine zu bleiben. jetzt.de: Ist Liebe immer noch eine Statusfrage? Julia: Immer noch. Die soziale Schicht spielt immer noch rein. jetzt.de: "Dem Mannesstammprinzip ist mit menschlichen Argumenten nicht beizukommen" sagt eine adlige Frau im Film. Das klingt wahnsinnig archaisch - ist das wirklich so? Julia: 1918 verlor der Adel seine Privilegien, aber das Gesetz ist erhalten geblieben. Die Adelsverbände sind Vereine, die das Adelsgesetz von damals gelten lassen. Titel werden über den Mann vererbt. Es kann nicht neu adelig gemacht werden, weil es keinen König mehr gibt und deshalb bleibt alles beim alten. jetzt.de: Gibt es denn noch viele junge Adlige, die ihre Herkunft betonen? Julia: Ja. Ich habe vielfach erzählt bekommen, dass es einen Roll Back gibt. Junge Adlige grenzen sich wieder mehr ab und betonen das mehr als in den 70ern oder 80ern. jetzt.de: Warum? Julia: Vielleicht eine Reaktion auf die allgemeine Verunsicherung? Ich kann es nicht genau sagen. jetzt.de: Waren deine Eltern verärgert, als du einen bürgerlichen Mann geheiratet hast? Julia: Hm, nein. Die waren nicht traurig, als meine Schwester und ich nicht in dieses Leben eingestiegen sind. Wir haben uns gemeinsam mit ihnen davon wegentwickelt. Komisch finde ich es manchmal nur, dass meine Kinder einmal nicht mehr wissen werden, was es heißt, adlig zu sein.

Text: peter-wagner - Fotos: Bayerischer Rundfunk

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