Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Die schweren Koffer der Liebe

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Mary J. Blige hält uns seit ihrem 1992er Debüt "What's The 411" konstant über ihre Beziehungsmisere auf dem Laufenden. Doch nun - so zeigt auch ihr neues Album "The Breakthrough" hat sich für die Queen Of HipHop-Soul eine Menge geändert: Sie hat mit dem Liebeskummer auch gleich den Alkohol, die Drogen und ihre meisten alten Freunde aufgegeben.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sie lassen uns wieder tief in Ihr Seelenleben blicken. Wie viel Mut gehört zu Bekenntnissen wie "Father In You"? Ich habe schon immer über mein Liebesleben gesungen. Da ist ein Drang, zu erklären, warum ich so lange in der Misere steckte. Oder warum ich glücklich bin, in einem Mann endlich das zu finden, was mir mein Vater nicht geben konnte. Die Feindseligkeit, die mich einen Großteil meines Lebens begleitete, hat mich in dieser Beziehung sehr bedürftig gemacht. Sie sprechen von Ihrer Jugend in den Sozialbauten von Yonkers, New York . . . Ich komme aus einer Umgebung, in der niemand an mich glaubte. Weder meine Mutter noch mein Vater gönnten mir den Erfolg. Dass eine Aufnahme, die ich an einer Karaoke-Maschine machte, in die Hände eines Produzenten gelangte, war damals mein großes Glück. Von den Projects ins Musikbusiness zu wechseln, wo sich alle sorgen, dass du keine Fehler machst, war schwierig. Diese ungewohnte Zuwendung hat mich durcheinander gebracht: Ich wusste nicht damit umzugehen, habe mich dauernd daneben benommen und auf der Bühne versagt. Weil ich unsicher war, immer diese Stimme hörte: "Mary, du kannst das nicht." Aber das ist nicht nur meine Geschichte. So viele Mädchen wachsen ohne Vater auf, werden als Teenager misshandelt, vernachlässigt, ständig runtergeputzt. Irgendwann geht es ihnen wie mir: Sie suchen sich das, was sie kennen, und nicht das, was ihnen gut tut. Sie gelten nicht nur als Königin des HipHop-Soul sondern auch als Schmerzensmutter der Ghettos . . . Meine Fans nehmen meine Texte wie ein Lebensberatungsbuch. Weil ich so viele Fehler begangen habe, kann ich als Autorität zu ihnen sprechen. Früher dachte ich selbst, ich wäre die einzige, die das durchmacht, ich konnte mir nicht vorstellen, dass es so vielen anderen genau so geht. Sie singen in "Baggage" über das Gepäck an Erfahrungen, Erinnerungen, Traumatisierungen, das Sie mitbringen. Wird man diesen emotionalen Koffer jemals wieder los? Oh, das dauert ein ganzes Leben, sich davon zu befreien. Das Misstrauen. Die Sorgen. Du lässt immer deinen aktuellen Partner dafür bezahlen, was dir der letzte angetan hat. In einem Song entschuldige ich mich bei meinem Mann: Ich weiß, dass er meine Launen und meine Gefühlsausbrüche ertragen muss, aber er soll wissen, dass sie eigentlich nicht ihm gelten. Sie sind seit zwei Jahren mit dem Produzenten Kendu Isaacs verheiratet. Zum Glück. Jeden Tag lesen wir zusammen die Bibel. Bisher hatte ich mir immer Männer gesucht, die mich aufs Neue ausnützen und verlassen würden. Wer sich selbst hasst, der zieht auch Menschen an, die ihn hassen. Es hat lange gedauert, dieses Muster zu erkennen. Und noch länger, es zu ändern. Was hat Sie an Isaacs so fasziniert? Früher hätte ich Typen wie ihn wahrscheinlich gar nicht beachtet. Er war bei Mutter und Vater aufgewachsen. Er hatte eine Familie mit Geschwistern, die nicht eifersüchtig auf ihn sind. Er musste nicht gegen sie kämpfen. Er trug so viel innere Schönheit in sich, und als ich das erkannte, wusste ich: Mit ihm will ich mein Leben teilen. Was raten Sie denjenigen, die noch in zerstörerischen Beziehungen stecken? Es nutzt nichts, mit Ratschlägen wie "Lies mal die Bibel" oder "Finde endlich einen anständigen Mann" zu kommen. Nicht jede Medizin ist für jeden gut. Am wichtigsten ist, seinen Freundeskreis unter die Lupe zu nehmen: Sind das Menschen, die mir gut tun? Oder wollen sie mich in ihr Unglück, in ihre Drogengeschichten reinziehen? Ich habe mich lange mit Kokain und Alkohol betäubt - bis ich merkte, dass ich mich von meinen so genannten Freunden trennen muss. Das hatte auch mit gestiegenem Selbstwertgefühl zu tun: Vorher dachte ich einfach nicht, dass ich jemanden verdient hätte, der mich anständig behandelt. Haben Sie mit dem Drama ihres Lebens abgeschlossen? Jeder hat die Wahl: Nicht, dass ich keine Sorgen mehr hätte. Aber ich habe mich für die Seite des Glücks und der Dankbarkeit entschieden. Gott hat mir soviel geschenkt: Mich einfach wieder in mein altes Selbstmitleid zurückziehen? Nein danke! Das käme mir vor, als würde ich meinem Schöpfer ins Gesicht spucken. Interview: jonathan-fischer.jetzt.de

  • teilen
  • schließen