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Do-It-Yourself zum Lesen

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Manchmal muss man es eben doch selbst machen. Die Idee zu Cut kam Lucie Schmid, 30, nachdem sie mit einer Freundin einen Nähkurs besucht hatte: „Nach dem Kurs wollte ich gerne Zuhause weiter machen, aber ich habe keine guten Schnittmuster gefunden und hatte keine Ahnung, wo ich schöne Stoffe herbekommen konnte und da habe ich gemerkt, dass mir ein Heft fehlt, in dem all das steht.“ Das war vor zwei Jahren und das Magazin, das ihr damals gefehlt hat, gibt es seit Donnerstag zu kaufen. Zusammen mit vier Kolleginnen hat die Münchner Grafikerin das 170 Seiten starke Cut Magazine für Leute herausgebracht, die gerne selbst Hand anlegen. Dass junge Leute auf einmal wieder basteln, nähen und stricken, hat für Lucie viel damit zu tun, dass die den ganzen Tag vor dem Computer sitzen. „Ich glaube, die Möglichkeiten der digitalen Welt sind mittlerweile ziemlich ausgereizt und alles bewegt sich auf einem solchen Perfektionsgrad, dass man da gar nicht mehr mithalten kann. Und das ist der Grund, warum wir Dinge wieder mit der Hand machen. Das sieht zwar nicht perfekt aus, hat aber seinen eigenen Reiz und ist für Leute unserer Generation auch etwas Neues.“ Auch Madonna strickt Der Trend zum Selbstgemachten begann Ende der Neunziger Jahre in den USA. Und auch dort war das Internet mit Schuld daran. Programmierer verlegten das Hacker-Prinzip in den Alltag und begannen, gekaufte Gegenstände so umzumodeln, dass sie ihren Bedürfnissen entsprachen. Gleichzeitig begannen junge Frauen, die in der Riot-Girl-Bewegung groß geworden waren, den DIY-Ansatz des Punk auf Mode anzuwenden. Statt Mixtapes und Fanzines bastelten sie sich nun Kleider und strickten Schals. Und die neue Möglichkeit, sich in Blogs und Communities zu vernetzen, machte aus diesem Trend eine weltweite Bewegung. Mittlerweile erzielen Internetplattformen wie Etsy und Dawanda, auf denen Selbstgemachtes angeboten wird, Rekordzahlen. Und Handarbeits-Blogs machen einen nicht unerheblichen Teil der Blogosphäre aus. Dass der Trend endgültig im Mainstream angekommen ist, so Lucies Kollegin Anja Kellner, könnte man unter anderem daran merken, dass sogar Madonna mit dem Stricken angefangen habe.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die 27-jährige Anja, die selbst Modedesign studiert hat, erklärt den Ansatz des Do It Yourself-Gedanken so: „Man darf vor allem keine Angst haben. Viele Leute denken, sie müssten eine Lehre gemacht oder studiert haben, bevor sie sich an die Nähmaschine setzen dürfen. Aber man kann wirklich nichts kaputt machen. Vielleicht sind am Ende die Nähte etwas schief oder sie gehen auf – na und? Das passiert bei gekauften Klamotten oft genug auch.“ So wichtig das Internet für Anhänger des Selbermachens geworden ist, den Macherinnen von Cut war es wichtig, ein Magazin auf Papier herauszubringen. Abgesehen davon, dass sie alle große Fans von Magazinen sind, hat so ein Heft für Lucie vor allem einen großen Vorteil: „Ich will es den Leuten so einfach wie möglich machen. Sie sollen sofort loslegen können. Deshalb haben wir dem Heft auch Schnittmuster beigelegt. Es wäre zwar billiger gewesen, das im Internet zum Download bereitzuhalten, aber das könnte abschreckend wirken.“ Cut will weder ein klassisches Modemagazin sein, noch ein einziger Schnittmusterbogen, sondern eine gute Mischung aus beidem. In dem Heft gibt es Modestrecken, die Theorie-Seite der Mode wird beleuchtet und auch Jungdesigner werden vorgestellt. Herzstück des Heftes ist ein beigelegtes Schnittmuster. Von Anfang an war den Macherinnen klar, dass sie dieses im Heft haben wollten und dazu Anleitungen, die Schritt für Schritt erklären, wie das Kleidungsstück entsteht. Von dieser Idee aus entstand das Heftkonzept vor allem aus der Zusammenarbeit der fünf Macherinnen. Anja, Lucie und Marta Olesniewicz sind Kolleginnen bei „Independent Medien Design“. Unterstützt werden sie von der Fotografin Gabriela Neeb und der Texterin Hanna Bruns. Jede von ihnen bearbeitete den Bereich, in dem sie sich am besten auskennt. Eine klassische Redaktionsaufteilung gibt es bei ihnen nicht, genauso wenig wie eine Chefredakteurin. Die fünf Frauen haben das Heft innerhalb von zwei Jahre entwickelt. Zunächst während ihrer Arbeit, erst in den letzten zwei Monaten haben sie sich voll auf die Produktion des Heftes konzentriert. Finanziert wurde die erste Ausgabe des Heftes von Lucie und Anjas Chef, Horst Moser, in dessen Verlag das Magazin auch erscheint. Doch Cut soll sich möglichst schnell durch den Verkauf und Anzeigen selbst finanzieren. Keine Angst vor der Krise Mit Zielgruppenuntersuchungen und Marktforschung haben sie sich nicht lange aufgehalten. Es war vielmehr ein Bauchgefühl, das Lucie und ihre Kolleginnen dazu gebracht hat, das Heft jetzt auf den Markt zu bringen. „Wir wollten keine Nullnummer produzieren, wir wussten, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für das Erscheinen ist und bekommen nun auch die Bestätigung für dieses Gefühl. Seit gestern quellen unsere Posteingänge mit Mails über von Leuten, die schreiben, wie froh sie sind, dass es dieses Magazin jetzt gibt. “ Die Tatsache, dass Cut mitten in der Finanz- und Medienkrise erscheint, macht Lucie keine große Angst. „Einige Leute meinen sogar, dass der Selbermach-Trend sich durch die Krise verstärken könnte. Es kann durchaus sein, dass die Leute jetzt motivierter sind, Dinge selbst zu machen. Ich glaube aber, der Trend hat mit der Krise nicht unmittelbar etwas zu tun. Und ist deshalb auch nicht direkt von ihr beeinflusst.“ Dass das Heft zum Do-It-Yourself-Trend ausgerechnet in München entstanden ist, sieht Anja nicht als Nachteil: „In Berlin hätte man vielleicht einen schnelleren Input, weil dort so viel passiert. Aber wir haben auch in München sehr viel Inspiration und Zuspruch bekommen.“ Nur die Versorgungslage für die Selbermacher ist in München ziemlich schwach, bestätigt Lucie. „Es ist nicht einfach, hier schöne Stoffe oder gute Locations zu finden. Ich glaube, man tut sich am besten mit Freunden zusammen.“ Im Übrigen haben die Herausgeberinnen noch große Visionen für die Zukunft der Marke: irgendwann könnte es vielleicht Cut-Läden und Cut-Stoffe geben. Bis dahin muss man es aber noch einfach selber machen. Mehr auf cut-magazine.com.

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