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Freibier in Champagner-Kelchen

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Christoph Lienke große Herausforderung heißt „Bilder verschenken“. Und dabei hat der 39-jährige ein ehrgeiziges Ziel: Eine Million Menschen will er in den kommenden zwölf Monaten beschenken. Und zwar regelmäßig. Jeden Monat sollen sie bis zu 30 Abzüge von ihren privaten Digitalfotos machen können – kostenfrei. Diese Fotos werden ihnen dann ebenso kostenfrei nach Hause geschickt. „Pics for free“ lautet der Slogan von Lienkes Website picabee.de, die als „erster und einziger Anbieter“ Bilder kostenlos entwickelt und verschickt. Finanziert wird dieser Service der jungen Münchner Firma durch Anzeigen – auf den Abzügen von privaten Digitalbildern der Picabee-Nutzer. Lienke sitzt in seinem Büro im Neubaugebiet unterhalb der Donnersberger Brücke und legt einen Umschlag auf den Tisch, in dem die gesponsorten Abzüge verschickt werden. Er öffnet ihn und zieht etwa zwanzig Bilder heraus. So viele muss ein Nutzer im Monat mindestens bestellen. „Damit sich der Versand lohnt“, erklärt der Picabee-Gründer und lobt die hohe Qualität des Fotopapiers, das der kostenlose Dienst verwendet. Überhaupt ist „Qualität“ ist eines seiner Lieblingsworte. Eng gefolgt von „Emotionalität“. Wenn Lienke über die Idee zu Picabee spricht, greift er immer wieder auf diese beiden Begriffe zurück. Er wirkt dabei wie jemand, der gerade ein Rezept für Freibier entdeckt hat, und nun großen Wert darauf legt, dass dieses in Champagner-Kelchen ausgeschenkt wird. Einkaufen ohne Kasse Wer sich von Lienke und von seinem Partner Kei Nozaki beschenken lassen möchte, braucht zunächst einen Einladungcode. Das ist eine zehnstellige Zahlen- und Ziffernfolge, mit deren Hilfe man den Mitgliederbereich auf Picabee freischalten kann. Dort kann man – wie auf den Webseiten von Fotolabors oder Drogeriemärkten auch – Bilder einstellen, bearbeiten und anschließend Abzüge bestellen. Anders als in klassischen Online-Shops fehlt bei Picabee aber die Kasse. Bezahlt wird von Firmen – Lienke spricht von „Premium Brands“ – die dafür ihr Logo unten links auf die privaten Bilder der Hobby-Fotografen drucken dürfen. Zusätzlich gibt es auf den 10 mal 15 Zentimeter großen Abzügen rechts einen Streifen Werbung, den Christoph Lienke „Valuestrip“ nennt. Das ist Reklame, die von sich behauptet, vor allem junge Menschen zu erreichen. Wer hier wirbt, ist ganz nah dran an seinem Kunden, in dessen privatem Umfeld. Das Werbelogo auf den Urlaubsbildern geht sozusagen nachträglich mit auf Reisen. Das sollte, darauf spekuliert Lienke, dem Werbekunden viel wert sein: Jedenfalls entscheidend mehr als die paar Cent, die es kostet, Digitalbilder auf Fotopapier abziehen zu lassen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Lienke sitzt an seinem Schreibtisch und hält die beiden Hände wie eine Waage vor sich in die Luft. „Wir haben Kunden und User bei Picabee,“ erläutert er. User nennt er diejenigen, die den kostenlosen Service nutzen und sich Fotoabzüge nach Hause schicken lassen. Kunden sind diejenigen, die auf Picabee werben. Lienke hebt die rechte Hand nach oben, die linke sinkt herab. „90 Prozent der Zeit widmen wir uns der Markteinführung unseres neuen Werbemittels und der Werbekundenakquise. Die Nachfrage der User ist immens .“ Die Kunden wollen ihre Werbebotschaften verbreiten, und das möglichst effektiv. Dafür bietet Picabee ihnen Anzeigen auf dem Haltestreifen an den Fotos, Anzeigen bei der Bestellung im Netz sowie Anzeigen auf dem Versandumschlag. Lienke spricht von einer „crossmedialen Kontaktstrecke“, die Picabee anstelle von klassischen Anzeigen bieten will: „Der User kommt – angefangen von der Website über den Foto-Umschlag bis zu den Bildern – stets mit der Werbung in Berührung. So einen emotionalen und intensiven Kontakt erreicht man mit anderen Werbeformen kaum“, erläutert er. Den Einwand, dass man dem Valuestrip mit einer handesüblichen Schere seinen Wert nehmen könne, lässt er nicht gelten: „Die Werbung wird nicht abgeschnitten, das haben Umfragen gezeigt. Aber selbst wenn: Beim Abschneiden entsteht ein längerer Kontakt mit der Werbung.“ Zielgruppe für den kostenlosen Dienst von Picabee sind vor allem junge Nutzer. Menschen, die eine andere Perspektive auf Werbung haben. „Es ist ein einfacher Deal“, sagt Lienke. „Ein klares give and take.“ Der 39-Jährige hat viele Jahre in Asien gelebt, er spricht in der englisch durchsetzten Sprache der Werbung und in diesen Worten formuliert er auch das Geschäft, das er gerade einfädelt: Der Nutzer bekommt seine Bilder kostenfrei und stellt sich dafür als Zielgruppe für Anzeigen zur Verfügung. Ein einfacher Deal Mit diesem „einfachen Deal“ hat Google seit einigen Jahren im Internet gigantischen Erfolg: Wer mit Hilfe der Website beispielsweise das Netz durchsucht, Mails verschickt oder Bilder verwaltet, zahlt dafür keinen Cent. Google bietet alle Leistungen kostenfrei an. Stattdessen wird dem Nutzer so genannte Kontext-bezogene Werbung gezeigt, Reklame also, die nichts mehr mit störenden Spots zu tun haben, sondern sogar informativ sein will. Wer beispielsweise nach Radfahren sucht, erhält dazu passende Reklame von Fahrrad-Herstellern und Online-Shops, die Räder verkaufen. Picabee will diese Kostenlos-Kultur des Internet aufs echte Leben übertragen. Ob die Münchner dafür auch Kontext-bezogene Anzeigen anbieten werden, kann Lienke noch nicht verraten. Derzeit wird die Werbung unabhängig von den auf den Bildern gezeigten Motiven geschaltet. So zahlen die Nutzer also indirekt für den Service von Picabee. Sie nehmen, so ist zumindest Christoph Lienkes Hoffnung, die Werbung billigend in Kauf. Ein einfacher Deal eben.

Text: dirk-vongehlen - Bild: Christian Fuchsberger

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