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Hier lernt die Stadt

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Die fünf Lernphasen: 1. Verdrängung - Noch zwei Wochen bis zur Abschlussklausur. Fünf Kilo Buch müssen bis dahin ins Hirn. Am Anfang ist alles reizvoller als lernen: Staubwischen, Kontrolltermine beim Zahnarzt, das Nachmittagsprogramm von Sendern wie Tele 5. Dann klopft die Vernunft beim Zeitvertreib an: Bitte diesmal keine Zitterpartie wie beim letzten Mal. 2. Vernunft- Diesmal wird alles besser. Wir sind erwachsen geworden. Keine Spickzettel mehr. Keine schlaflosen Nächte. Das Leben wird zu einem Psycho-Trip in Leuchtstift-gelb und neon-grün. Es gibt nichts , was sich nicht auf Karteikarten komprimieren lässt. 3. Überdruss - Die letzte Stunde vor der Klausur. Das unvermeidliche Kreuzverhör mit den Kommilitonen. Sie verwirren dich mit „Lernstrategien“ und dem allerunwahrscheinlichsten Sonderfall. 4. Angst - Ich schaff es nicht. Es sind zu viele Seiten. Frontalcortex, Thalamus und Striatum heißen die Teile meines Gehirns, die für die Konzentrationsfähigkeit zuständig sind. Werde ich es meinen Eltern sagen, wenn ich durchfalle? 5. Verwahrlosung - Wäre doch gelacht! Dann eben mit Gewalt. Wofür gibt’s das Kurzzeitgedächtnis? Im Kühlschrank: fünf Dosen Wachhalte-Getränke, Toastbrot, Ketchup. Duschen? Nach der Klausur. Noch vier Stunden. Draußen wird es langsam hell… Fünf Lernorte: Isabel Schöne, 30 Lernt für: Staatsexamensprüfung Tiermedizin Lernt im: Deutschen Museum

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Früher war das Deutsche Museum ein Geheimtipp, weil man hier auch sonn- und feiertags lernen konnte. Aber auch seitdem die Stabi ihre Öffnungszeiten ausgeweitet hat, lerne ich hier am liebsten. Zur Zeit gerade: die enzootische Pneumonie beim Schwein. Seit mehr als fünf Wochen bereite ich mich schon auf das zweite Staatsexamen in Tiermedizin vor und merke, wie ich langsam zittrig werde. Richtige Panikattacken überkommen mich, wenn ich an die Prüfung in einer Woche denke. Deswegen geh ich jetzt morgens immer joggen, damit ich hier in der Bibliothek ruhig und entspannt bin. Die Leute, die hierher ins Deutsche Museum kommen, sind schon ein wenig sonderbar. Da ist zum Beispiel immer diese Frau, die in den Gelben Seiten blättert… Jakob Biazza, 25 Lernt für: Magisterprüfung Politikwissenschaft Lernt im: Tourbus seiner Band

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Bis zu meinem Prüfungstermin in drei Wochen habe ich mit meiner Band Sorgente noch zehn Konzerte, unter anderem in Passau, Kiel und St. Gallen. Deswegen ist für mich zur Zeit die Autobahn der beste Ort, um zu lernen. Ich nehme meine Politik-Bücher mit in den Tourbus: Kopfhörer rein, Musik an und John Locke ins Gehirn. Das geht schon irgendwie. Der Geräuschpegel im Bus ist hoch. Klar: Die Anderen freuen sich auf das Konzert und dann ist da dieser Typ, der grimmig in seine Bücher schaut. Für die heiße Phase vor der Prüfung planen wir, mir bei den Konzerten immer einen kleinen Raum zu organisieren, aus dem mich die Jungs erst zehn Minuten vor Showtime holen – sicher nicht so ruhig wie die Stabi, aber für meine Zwecke ideal. Sarah G., 19 Lernt für: Abitur in Englisch und Deutsch Lernt im: Lesesaal der Staatsbibliothek Die Endphase vor meinem Abitur habe ich in der Stabi verbracht – jeden Tag ab acht Uhr. Ein Freund hat mir erzählt, dass man hier lernen kann. Wir sind fast zehn Leute aus meiner Kollegstufe, die immer hierher kommen, um zu arbeiten. Ich bin gleich viel motivierter, wenn ich sehe, dass bei meinen Mitschülern auch die Köpfe rauchen – ein schönes Gemeinschaftsgefühl ist das. Ich habe den Eindruck, die Stabi ist in letzter Zeit richtig zum Sammeltreff unter den Münchner Abiturienten geworden. Ich kenne das von mir selbst: Wenn man morgens nur sein Buch und einen leeren Tisch vor sich hat, und weit und breit nichts, was einen ablenken könnte, dann ist man einfach gezwungen, etwas für sein Abi zu tun. Jan Eckardt, 21 Lernt für: Klausur im Intensiv-Sprachkurs Lernt im: Empfangsraum eines Hostels

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Um mein Studium zu finanzieren, jobbe ich an der Rezeption eines Jugendhostels am Bahnhof und das ist auch der Ort, an dem ich am liebsten lerne. Zur Nachtschicht von Mitternacht bis acht Uhr früh nehme ich immer mein Spanisch-Lehrbuch mit. Cola und Kaffee halten mich wach, und natürlich auch die Menschen, die ab und zu ins Hostel stolpern. Aber oft geht es ruhiger zu als in der Bibliothek, in der ich sonst immer lerne. Zwischen zwei und fünf Uhr früh kann ich mich am besten konzentrieren. Nur einmal in der Stunde mache ich einen Kontrollgang durchs Hostel. Wegen der Spanisch-Klausur mache ich mir keine Sorgen – ein weiterer Vorteil meiner Arbeit ist, dass ich die Vokabeln am lebenden Objekt ausprobieren kann. Steffi Maier, 22 Lernt für: Staatsexamen Grundschullehramt Lernt im: Englischen Garten

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Trotz Heuschnupfen - zum Lernen muss ich einfach ins Grüne. Zur Zeit bin ich meistens im Englischen Garten, denn dorthin hab ich's von meiner Uni aus nicht weit. Das lohnt sich sogar für die Zeit zwischen zwei Kursen. Am liebsten sitze ich am Eisbach. Irgendwie bilde ich mir ein, das Plätschern des Wassers ist gut für meinen Gedankenfluss. Und zum Gucken gibt’s die Jungs vom andern Ufer. Eine Parkbank wäre mir zu unbequem, ein Baum zu schattig: Sonne muss einfach sein. Schließlich gibt es ein Leben nach meiner mündlichen Staatsexamensprüfung in 14 Tagen. Und bis dahin hab ich hoffentlich außer Reformpädagogik auch ein bisschen Farbe abbekommen.

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