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World of Warcraft Vor einem Jahr ist Daniel Matschijewsky ein Mensch gewesen, der mindestens sechs Stunden pro Woche in der „World of Warcraft“ (WoW) gelebt hat. Daniel, 25, ist Redakteur bei der Computerspiel-Zeitschrift Gamestar. Seine berufliche Aufgabe, das Online-Rollenspiel WoW zu testen und zu beobachten, hat sich rasch mit privater Spielleidenschaft vermischt. Zwar war Daniel nie einer jener bleichen Warcraft-Abhängigen, die in letzter Zeit zu beliebten Objekten von TV-Journalisten avanciert sind. Aber Daniel war einer, der sich bis Level 54 hochgekämpft hat. Er hat sich fesseln lassen von einer fantastischen Zweitwelt und diese Fixierung mit acht Millionen Menschen auf der Erde geteilt. Doch dann hat Daniel das Interesse verloren. Im Januar hat er sich abgemeldet. Er sagt: „Ich kann doch nicht zwei Jahre am Stück das Gleiche spielen.“ Daniel war nicht mehr bereit, abends, nach der Arbeit, vier bis fünf Stunden vor dem Rechner zu hocken, um mit seinen Gildenkameraden Drachen zu töten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die amerikanische Firma „Blizzard Entertainment“ brachte WoW am 11. Februar 2005 auf den Markt. Eine kleine Revolution. „WoW hat das Online-Rollenspiel salonfähig gemacht und vom Mief des Nerdigen befreit“, sagt Daniel. Das Spiel ermöglicht perfekt programmierte Alltagsflucht, die bei vielen Spielern auch zu Realitätsverlust führt. Den hat Daniel nicht erlitten. Aber er hat erlebt, wie das weitläufige Treiben auf dem Spielkontinent Azeroth seine Zeit mehr und mehr gefressen hat. „Je besser du wirst, desto umfangreicher werden die Missionen, die du erfüllen musst. Und weil dir dein Charakter immer mehr ans Herz wächst, willst du mit ihm alles erleben, was nur möglich ist.“ Drei Feierabendstunden Worldcraft-Klopperei war in Daniels intensiver Spielphase etwas Normales. Im Januar ist „Burning Crusade“ erschienen, die Fortsetzung von WoW. Noch komplexer, noch vielfältiger sollte sie sein. Daniel vermutete vor der Veröffentlichung: „Jetzt geht der ganze Wahnsinn wieder von vorne los.“ Doch der Wahnsinn blieb aus. Natürlich sei das Erweiterungspaket ein hervorragend gemachtes Spiel – „für mich aber eine Enttäuschung auf hohem Niveau. Ich habe es komplett ignoriert.“ Daniel hatte sich sattgespielt. Zwei Jahre lang hat er in der WoW Aufträge ausgeführt, die er im Nachhinein als eindimensional bezeichnet: „Töte mir diesen, eskortiere mir jenen, sammle mir das da. Die Liste der Aufgaben, die der Computer dir stellt, ist stark begrenzt.“ Zuerst kam die Langeweile, dann die Distanz, schließlich die Abmeldung. Der Kick ist weg. Daniels Bildschirm ist vielleicht ein wenig zu voll geworden mit all den Energiebalken, Chatfenstern, Goldsäckchen und Vergeltungsflammen, die doch alle bloß dem Ziel dienen, in einer Pixelwelt mehr Macht zu erlangen und aufzusteigen. „Das Prinzip von Aufgabenstellung und Belohnung ist zwar sehr einfach und einsteigerfreundlich. Aber es nutzt sich auch relativ schnell ab.“ Daniel ist nicht der Einzige, der sich ausgeloggt hat. In der Gamestar-Redaktion gibt es nur einen, der sich noch ernsthaft mit „Burning Crusade“ auseinandersetzt. Das abnehmende Interesse an WoW hängt aber auch damit zusammen, dass die konkurrierenden Spieleentwickler ständig neue Reize schaffen. Ende April ist das Online-Rollenspiel „Herr der Ringe“ erschienen. Daniel mag es, trotz seiner Warcraftmüdigkeit. „Herr der Ringe ist technisch auf solch einem hohen Niveau, dass WoW dagegen fast schon wieder antiquiert wirkt.“ Wenn man Daniel nach dem Namen seines alten Warcraft-Helden fragt, muss er ziemlich lang überlegen. Dann fällt er ihm doch ein: „Ach ja, Lothrich, der Jägerzwerg. Lang ist’s her.“ Mit diesem Avatar hat Daniel Tage verbracht, Untote getötet und Piratenbuchten durchschwommen. Trotz allem war Lothrich nur eine Figur – deren Name er nach fünf Monaten fast vergessen hat. Momentan ist Daniel damit beschäftigt, seinen Hobbitjäger Nimweis im „Herrn der Ringe“ hochzuleveln. Er ist sich aber sicher, dass auch dieses Spiel eines Tages seinen Reiz verloren haben wird. „Es gibt nur ganz wenige Action-Rollenspiele, die eine bestimmte Zeitspanne überdauern.“ Schließlich sei die Arbeitsweise der Spielemacher seit der Erfindung des schnelllebigen Genres dieselbe geblieben: „Sie warten, bis der Spieler die ganze Welt gesehen hat und liefern dann neues Material.“ Wegen dieser Nachschubstrategie, die in immer stärkerer Frequenz praktiziert wird, sei es auch immer weniger Anbietern möglich, auf dem Markt der Durchzockwelten zu bestehen. Zudem sorgt die Konkurrenz dafür, dass Spiele, in die die Spieler viel Zeit gesteckt haben, plötzlich von der nächsten Leidenschaft abgelöst werden. „In einem Jahr wird wieder der Zeitpunkt kommen, an dem ich das Ding leergespielt habe.“ david-weigend Selbst von Klatsch und Tratsch kann man mal genug bekommen. meredith-haaf erklärt auf der nächsten Seite warum


Celebrity Blogs

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich habe mir noch nie eine Frauenzeitschrift gekauft, und Gruppenlästern erzeugt in mir körperliches Unwohlsein. Trotzdem entwickelte ich - mit knapp 23 - durch Seiten wie Egotastic! oder D-Listed eine ausgeprägte Faszination für die Leiden der Lindsay Lohan und die winzigen Silhouetten der Olsen Zwillinge. Ich hatte das hysterisch-oberflächliche HTML-Universum der Celebrityblogs entdeckt. Der Unterschied zu Klatschmagazinen wie Gala bestand für mich in dem hohen Maß an Respektlosigkeit und Sprachwitz, mit dem die Blogger ihre Stars kommentierten. Während meine Freunde ihre Feierabendanspannung vor dem Fernseher abbauten, setzte ich mich noch vor den PC und surfte meine Celebrity-Bookmarks ab, um auf den neuesten Stand von Nicole Ritchies Magersucht zu kommen. Mein schlechtes Gewissen aufgrund schamloser Zeitvergeudung beruhigte ich damit, dass jeder Mensch Recht auf ein hirnloses Hobby hat. Celebrityblogs entspannten und amüsierten mich nun mal. Bis ich im vergangenen Winter ein paar Wochen ohne Internetanschluss da saß. Als ich endlich wieder online war, hatte die unterhosenfreie Phase von Britney Spears gerade begonnen. Die Häme der Celebrityblogs war unendlich. Durch den langen Abstand fiel mir plötzlich all die Kleinlichkeit und die Gemeinheit der Celebrityblog-Szene erst so richtig auf. Damit wollte ich nichts zu tun haben. Seitdem lese ich abends wieder Bücher. meredith-haaf Auf der nächsten Seite liest du, wie Chris die Maultaschen fad wurden.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Maultaschen Zu Beginn war meine Zuneigung materieller Natur. Eine Packung Maultaschen kostet 0,99 Euro und füllt den Studentenmagen sehr effizient. Irgendwann, als mein Mitbewohner entdeckte, dass neben dem bewährten 15-Minuten-in-Brühe-Legen noch weitere Zubereitungsmöglichkeiten existieren, wurde aus der pragmatischen Zuneigung echte, aufrichtige Liebe. Unser Spiel- und Experimentiertrieb war geweckt, der Gang zum Maultaschenkühlregal war fortan vom Einkauf ebenso wenig wegzudenken wie der Boxenstopp von einem Formel 1-Rennen. Mindestens zweimal pro Woche standen nun Maultaschenvariationen auf der Speisekarte: Maultaschen Hawaii, Maultaschen Arrabiata oder Maultaschen nach Hirtenart. Das Geschmacksvergnügen schien endlos, der Variantenreichtum unerschöpflich, und ich sah mich schon als Autor des Bestsellers „Die hundert besten Maultaschenrezepte“. Bis eines Samstags, ganz plötzlich und ohne Vorankündigung, irgendwie alles fad schmeckte. Nicht kross genug gebraten, zu wenig gewürzt, etwas in der Art. Aber das war es nicht. Ich war einfach über den Berg. Ich sah zum ersten Mal bewusst das Fett, das aus dem Käse triefte. Nahm das Graugrün der Füllung wahr, das jetzt nur an die Gesichtsfarbe von seekranken Comicfiguren erinnerte. Und fühlte mich seltsam satt, ohne auch nur die Hälfte der Portion gegessen zu haben. Werde wohl mal die Spätzle versuchen müssen. Kosten auch nur 1,29 Euro. chris-helten Serien auf DVD sind super? Von wegen, findet durs-wacker auf der nächsten Seite


DVD-Serien

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nein, den letzten Schritt tat ich nie – ich habe nie blau gemacht wegen „24“. So sehr diese Serie mich auch peitschte, Folge um Folge, bis spät in die Nacht, die schon halb zum Morgen geworden war: Immer schleppte ich mich danach in die Arbeit, durch nichts aufrecht gehalten als Kaffee und die Genugtuung, nun wenigstens ein bisschen so zu sein wie der Geheimagent Jack Bauer, der ebenfalls 24 Stunden lang nicht schläft. Selbst wenn der Cliffhanger am Ende jeder Folge lockte wie tausend Sirenen – ich ging in die Arbeit. Am Abend sprang ich erneut auf den Adrenalin-Express auf, der mich wieder sechs, sieben Stunden durch die Welt Jack Bauers jagte. Ich war sehr froh, dass kein Fernsehsender Serien mit 800 Folgen finanzieren kann, sonst wäre ich längst gekündigt. Ich sah „24“, „Lost“, „Buffy“. Dann, ich könnte kaum die Serie mehr sagen, in der es geschah, war der Reiz verflogen: Stundenlang DVDs schauen schien mir fad, ich kannte die 50 Wege des Cliffhangers, glaubte den Volten nicht mehr, die eine Serie spätestens in Staffel 5 schlägt. Jetzt schaue ich ab und an „Kir Royal“, immer eine Folge, die homöopathische Dosis. durs-wacker

Text: david-weigend - Illustrationen: katharina-bitzl

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