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Im Raucherclub ist ständig Mitgliederversammlung

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Die Raucher sind zurück, und das ausgerechnet jetzt. Seit fast 100 Tagen ist in München das strengste Rauchergesetz Deutschlands in Kraft und tatsächlich hatte man sich mit der frischen Luft abgefunden (die natürlich niemals frisch war – denn erst seit dem Rauchverbot weiß der Ausgeher, wie Menschen wirklich riechen, wenn sie tanzen, schwitzen und zuviel Alkohol trinken). Selbst dem schweren Raucher war es zumindest hin und wieder gelungen, sich auf die positiven Seiten des Nichtrauchens zu konzentrieren: Tatsächlich fühlt sich der Körper am nächsten Morgen nach zehn Zigaretten besser an als nach 40. Kleine Pausen an der frischen Luft schaffen eine konspirative Nähe zur Auch-Raucherin und sorgen für Abwechslung bei unglücklichen Sitzordnungen im Lokal, denen man sich bisher kaum entziehen konnte. Das Leben kehrt auf die Straßen zurück, weil plötzlich Trauben von Menschen in der Nacht (und in der Kälte) stehen und sich unterhalten. Sogar neue Arbeitsplätze sind entstanden: Menschen, die nachts vor den Bars herumstehen und aufpassen, dass die Raucher nicht zu laut sind und mit den Gläsern abhauen. Kurzum: So schlecht ist es gar nicht, das Rauchverbot – zumindest für Raucher, die weniger rauchen möchten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Schlimm allerdings ist es für die Kneipenbesitzer. Gerade kleinere Läden haben Probleme mit Anwohnern, die wiederum unter dem Lärm der Draußen-Raucher leiden. Die Lösung: einen Raucherclub gründen. Für ein paar Euro und unter Angabe seines Namens kriegt der Raucher einen Clubausweis, wird zum Mitglied einer offiziell „geschlossenen Gesellschaft“ – und darf qualmen. Möglich ist diese Konstruktion durch eine kleine Gesetzeslücke, die bei Veranstaltungen wie zum Beispiel einer Hochzeit allen Hochzeitsgästen das Rauchen erlaubt. Im Raucherclub ist also ständig Mitgliederversammlung. Der Verein zum Erhalt der Bayerischen Wirthauskultur (VEBWK) bündelt all die einzelnen Rauchervereine unter einem Dach und kümmert sich für die örtlichen Vereine um die ordnungsgemäßge Organisation des Vereinslebens (siehe Interview). Das ist zwar für den Raucher praktischer, aber auch viel langweiliger als die Mitgliedschaft in einem selbst gegründeten Raucherverein: Erstens nämlich ist das Logo des VEBWK öde und zweitens macht es einfach mehr her, wenn man den Ausweis seiner Stammkneipe im Geldbeutel hat – das ist neu und kann durchaus schön sein, wie die jetzt.muenchen-Umfrage in ausgewählten Raucherclubs der Stadt zeigt: Im Valentinstüberl bekommt man beispielsweise statt einer Karte sogar einen eigenen Schlüssel. Privatpartys um fünf Uhr früh fallen hier allerdings aus – an der Tür gibt es noch ein zweites Schloss, für das nur die Besitzer den passenden Schlüssel haben. Allerdings scheint im Design des Raucherclub-Ausweises als Begleiter des modernen, städtischen Ausgehers noch Potenzial zu stecken. Die Raucherclub-Ausweise dieser Stadt sind meist nur übereilt zusammengebastelt, lieblos designt und zeichnen sich durch fehlenden Esprit aus. Schade eigentlich, denn kein Gegenstand zeigt schöner das Dilemma, in dem die Restaurants und Kneipen in dieser Stadt derzeit stecken: Der Raucherclub-Ausweis ist zu einer Art vorzeigbarem Streit ums Qualmen geworden. Letztlich symbolisiert diese kleine Karte auch ein Stück zivilen Ungehorsams und findiger Gesetzesumgehung. Denn werden weiterhin so viele Raucherclubs gegründet wie in den letzten zwei Monaten, sind die Nichtraucherbars bald wieder in der Minderheit. jetzt.muenchen hat Clubs und Kneipen dieser Stadt besucht und nach der Geschichte hinter dem Club-Ausweis gefragt: Kärtchen, bitte!


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Valentin Stüberl Adresse: Dreimühlenstraße 28 Mitglieder: 800 Raucherclub seit: 9. Februar Design: Adam Bell - „ist so eine Art halboffizielles Logo“. Kostet: Zehn Euro Besonders: Für diesen vergleichsweise hohen Betrag gibt es einen eigenen Schlüssel. Damit kann man dann die Tür aufsperren und darf eine weitere Person mitbringen.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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Luzis Club Adresse: Dreimühlenstraße 14 Mitglieder: 140 Raucherclub seit: 2. Januar Design: Hat der Sohn ausgedruckt und Luzi hat es gefallen. Kostet: Zwei Euro


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Illustration: Julia Schubert

Baader Cafe Adresse: Baaderstraße 47 Mitglieder: 1000 Raucherclub seit: Anfang März – aber nur unter der Woche ab 22 Uhr. Design: Schriftzug vom Baader Cafe Kostet: Ein Euro pro Jahr Besonders: Das Geld wird an die Krebshilfe gespendet.


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Illustration: Julia Schubert

Netzer & Overrath Adresse: Baaderstraße 33 Mitglieder: 200 Raucherclub seit: ein paar Wochen. Geraucht wird aber schon seit einer Weile jeweils ab Mitternacht und inoffiziell. Design: Das Netzer&Overath-Plakat mit Johnny Cash auf Kartengröße verkleinert. Kostet: ein Euro


Kilombo Adresse: Gollierstraße 14a Mitglieder: ca. 1500 Raucherclub seit: Januar 2008 Design: nicht vorhanden. Der Gast muss lediglich klingeln, dann wird die Tür geöffnet. Kostet: Nichts

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Illustration: Julia Schubert

Schwarzer Hahn Adresse: Ohlmüllerstraße 8 Mitglieder: über 3800 Raucherclub seit: Februar 2008 Design: Der „Schwarzer Hahn“-Stempel auf einem Stückchen Karton, die Mitgliedsnummer und zur Beglaubigung eine Unterschrift. Kostet: Ein Euro – als Schutzgebühr. Diese dient in erster Linie dazu, dass die Gäste ihren Ausweis nicht sofort wieder wegwerfen, sondern behalten und beim nächsten Mal wieder mitbringen. Besonders: Die Lüftung war schon vorher drin, aber erst jetzt rentieren sich die Kosten so richtig.


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Illustration: Julia Schubert

Cafe Fortuna Adresse: Sedanstraße 18 Mitglieder: ca. 120 Raucherclub seit: Januar 2008 Design: Hat die Besitzerin selbst zusammen geschustert, weil es schnell gehen musste. Gedacht hat sie sich dabei nach eigenen Angaben nicht viel. Rausgekommen ist eine einfache lila Karte mit Adressangabe. Kostet: Im Jahr ein Euro Besonders: Jeden Mittwoch und jeden zweiten Donnerstag im Monat, wenn DJs auflegen, ist die Fortuna Cafebar ab 20 Uhr offiziell ein Raucherclub.


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Illustration: Julia Schubert

Tumult Adresse: Blütenstraße 4 Mitglieder: etwa. 4000 Raucherclub seit: Februar 2008 Design: Hat ein mit den Tumult-Machern befreundeter Tätowierer entworfen, der auch den Rest der Kneipe gestaltet hat. Kostet: Zwei Euro Besonders: Mussten extra eine neue Mitarbeiterin einstellen, die am Eingang die Ausweise kontrolliert.


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Illustration: Julia Schubert

Schwabinger 7 Adresse: Feilitzstraße 9 Mitglieder: ca. 9000 Raucherclub seit: Aschermittwoch 2008 Design: Hat der Besitzer selbst schnell zusammengebastelt. Alle drei Monate soll es einen Ausweis mit einem neuen Design geben. Kostet: Einmalig ein Euro um die Unkosten zu decken: Den Preis des Ausweises und den Mitarbeiter, der sie verkauft und kontrolliert.


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Illustration: Julia Schubert

Cafe Forum Adresse: Corneliusstraße 2 Mitglieder: ca. 1000 Raucherclub seit: 19. März 2008 Design: Visitenkarte mit Aufkleber, ein neues Modell ist bereits im Druck Kostet: Nichts Besonders: Der Raucherclub startet jeden Tag um 22 Uhr. Das Cafe Forum ist ein richtiger Verein mit Vorstand, Wahlen und Versammlungen.


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Illustration: Julia Schubert

X-Cess Bar Adresse: Jahnstraße Ecke Kolosseumstraße Mitglieder: 2000 Raucherclub seit: Anfang März Kostet: Zwei Euro Design: Die Hand und der Schriftzug stammt vom Christos aus dem Optimal-Plattenladen um die Ecke. Recherche: Philipp Mattheis, Christina Waechter, Sascha Chaimowicz, Wlada Kolosowa

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