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Das Regalbrett

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wer sitzt so?
Der gestresste Arbeitnehmer am frühen Abend, nach 7,5 Stunden harter Fronarbeit, die nach seiner Vorstellung selbstverständlich weit unter seiner Würde ist.
 
Was sagt er uns damit?
Ich mag vielleicht schon knapp an der 40 entlangschrappen, aber innerlich bin ich immer noch ein ganz pubertierendes Emo-Kid. Also muss ich mit meiner Körperhaltung demonstrieren, wie erschöpft ich von meinem Tagwerk und dem Leben an sich bin.
 
Was will er uns damit sagen?
Ich würde ja total gerne so normal sitzen, wie ihr, aber ist euch aufgefallen, wie außergewöhnlich lang und schlank meine Beine sind? Man könnte fast von einer Behinderung sprechen, wenn sie nicht so ausgesprochen attraktiv an mir herunterhängen würden.

Wie kann man ihn wirksam bekämpfen?
Schlechte Laune lässt sich in diesem Fall nur mit körperlicher Nähe bekämpfen. Also: Gegenüber platzieren und ebenfalls die Beine ausstrecken. So hilft man ihm auch ganz sicher aus seinem seelischen Tief heraus.
 


Der Spreizer

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wer sitzt so?
An mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist der Spreizer ein Mann. Denn nur Männer können massive Phantom-Gemächte entwickeln, die ihre Beine auseinanderspreizen.
 
Was sagt er uns damit?
Grüß Gott, ich bin;s, ein Mann mit jeder Menge Männlichkeit. Sie können sich gerne neben mich setzen, müssen aber in Kauf nehmen, dass ich durch meine geschlechtliche Überlegenheit den Löwenanteil des Doppelsitzes in Anspruch nehmen muss.
 
Was will er uns damit sagen?
Ich kann jetzt auch nichts dafür, aber aufgrund meiner überragenden Manneskraft spreizt es sich mir quasi selbsttätig die Beine auseinander. Aber da Sie ja eine Frau sind, sind Sie bestimmt gewohnt, sich mit weniger Platz zu arrangieren. Haha. Egal, ich muss kurz in meinem Busenblättchen nach den aktuellen Bundesliga-Entwicklungen Ausschau halten.
 
Wie kann man ihn wirksam bekämpfen?
Den Spreizer kriegt man mit zwei Strategien klein. Die eine erfordert ein wenig Mut: Man muss ihn einfach ansprechen und fragen, ob es ihm möglich wäre, seine Beine so weit zu schließen, dass andere Menschen der Anblick seiner Körpermitte erspart bleibt, oder ob ihn eine schmerzhafte Geschlechtskrankheit daran hindert. Die etwas subtilere Methode funktioniert nach dem physikalischen Prinzip „Druck erzeugt Gegendruck“. Mit eisernem Oberschenkeldruck wird der Spreizer in seine Schranken gewiesen. Dabei muss man nur hoffen, dass er diese Methode nicht als Aufforderung zur näheren Bekanntschaft auffasst.


Der Wagenburg-Bauer

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wer sitzt so?
Der Hang zu Errichten einer Wagenburg ist nicht geschlechterspezifisch. Die meisten Frauen und Männer neigen dazu, diese Mentalität zumindest im Ansatz zu zeigen. Nach einem erschöpfenden Tag in der Innenstadt gruppieren sie ihre Einkäufe wie Kinderlein um sich herum. Schließlich haben sie sehr viel Geld für den Tand ausgegeben, der daher nicht auf dem Boden herumliegen soll.
 
Was sagt er uns damit?
Hier bitte nicht! Und da bitte auch nicht! Ich bin in menschenfeindlicher Stimmung und würde gerne so wenig wie möglich von euch allen behelligt werden.
 
Was will er uns damit sagen?
Die Tatsache, dass ich mich mit dem Pöbel in öffentlichen Verkehrsmitteln abgeben muss, ist schlimm genug. Kann ich da nicht mein Recht auf Privatsphäre mittels einfacher Hinderniswällen Ausdruck verleihen? Und können bitte die Leute, die da um mich herumstehen, sich ihr Wutbürger-Gesicht wieder abschminken?

Wie kann man ihn wirksam bekämpfen?
Ein Mensch, der so eindeutig menschenfeindlich eingestimmt ist, kann man nur mit leutseliger Ignoranz begegnen. Also möglichst aus Versehen auf die Dallmayr-Tüte setzen und sich am Geräusch zerplatzender Südfrüchte und Gänseleberpasteten erfreuen.


Der Nestbeschmutzer 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wer sitzt so?
Der Knabe aus bildungsfernem Haushalt, genauso wie der Knabe aus wohlstandsverwahrlostem Hause zum Höhepunkt seiner pubertären Verweigerungshaltung.
 
Was sagt er uns damit?
Hey Arschloch, ich trete den Gesellschaftsvertrag mit meinen Füßen in Clowns-Format.
 
Was will er uns damit sagen?
Hey Arschloch! Ich trete den Gesellschaftsvertrag mit meinen Füßen und wenn du Bock auf Stress hast, dann sag nur ein Wort und ich trete dir, vorausgesetzt du bist nicht größer und stärker als ich, mit genau diesen Füßen auf die deinen.
 
Wie kann man ihn wirksam bekämpfen?
Ganz ruhig auffordern, die Beine vom Sitz zu nehmen. Sollte er sich daraufhin gockelmäßig aufplustern, es zunächst mit Vernunft versuchen und – wenn das nichts hilft – entweder die Flucht ergreifen oder körperliche, wie geistige Überlegenheit demonstrieren.


Die Briefmarke

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wer sitzt so?
Diesen Typen erkennt man daran, dass er sich, einer Briefmarke gleich, an einen klebt, obwohl der ganze Waggon mit leeren Vierer-Sitzen gesegnet ist. Das irritiert, auch wenn man nicht gleich das Schlimmste vermuten möchte. Womöglich ist die Briefmarke einfach nur in Gedanken versunken, womöglich hat sie aber auch düsterere Pläne.
 
Was sagt er uns damit?
Hey, ich bin;s: Der Typ ohne Gefühl für das rechte Maß an Distanz und Nähe. Willst du mal an meinen Achseln riechen? Darf ich dafür in deiner Zeitung mitlesen?
 
Was will er uns eigentlich damit sagen?
Ich persönlich halte mich ja für total unkonventionell und sehe meine Hauptaufgabe auf dieser Welt darin, den Menschen Spiegel vorzuhalten. Hier ist deiner und er zeigt, wie total verkrampft du bist, wenn dir mal jemand nahe kommt.
 
Wie kann man ihn wirksam bekämpfen?
Erst einmal sollte man in dieser Situation zumindest kurzfristig in sich gehen und schauen, ob man nur gerade an einem akuten Anfall von Sozialphobie leidet oder ob die Briefmarke tatsächlich in die Privatsphäre eingedrungen ist. Wenn letzteres der Fall ist, muss man sich demonstrativ umsetzen. Das verletzt die Briefmarke zwar, aber dafür merkt sie es sich für die Zukunft bestimmt. Sollte die Briefmarke dagegen auch diesen Sitzplatzwechsel mitmachen, sofort das Handy zücken und beginnen, Portraitaufnahmen zu machen.

Text: christina-waechter - Illustrationen: Katharina Bitzl

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