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Kinderzimmer Productions
Tobias Heumanns Zimmer im Lehel ist auffallend ordentlich. Wer genau hinsieht, entdeckt durch die gläsernen Türen des Kleiderschranks eine Vielzahl von bunten Stoff-Fetzen und Lederresten. Auf dem Schreibtisch liegt Werkzeug zum Schneiden, Ausstanzen und Nähen herum. Tobias, 19, näht seit zwei Jahren Handtaschen. „Meine Exfreundin hat mich damals auf das Nähen gebracht. Ihre Mutter ist eine passionierte Hobby-Schneiderin und zeigte mir ein paar Kniffe. Das Meiste allerdings musste ich mir selbst beibringen.“ Während seiner Facharbeit zum Thema „Behältnisse“ entdeckt Tobias seine Begeisterung für Taschen. Anfangs versucht er sich an eher simplen Modellen, an Stofftaschen im Plastiktütenschnitt etwa. Mittlerweile arbeitet er am liebsten mit Leder – die Optik des Materials fasziniert ihn. Er verwendet vor allen Dingen das weiche und trotzdem robuste Ziegenleder. Schräge Taschen Einfache Modelle entwickelt Tobias ohne viel Vorarbeit, kompliziertere Entwürfe jedoch plant er am Computer. Früher wollte er sowieso eine Zeitlang Grafiker werden, so dass er sich mit den gängigen Programmen noch ganz gut auskennt und mit diesem Handwerkszeug erste Entwürfe fertigt. Natürlich funktioniert trotzdem nicht immer alles einwandfrei: Für eines der letzten Modelle, eine Tasche, die aus trapezförmigen, gelben Ziegenlederstücken bestand, hatte er das Innenfutter falsch ausgeschnitten. Von dem Misserfolg lässt er sich aber nicht lange aufhalten. Nun muss die Tasche eben halbfertig im Regal stehen bleiben, während sich Tobias lieber seinen neuesten Modellen widmet.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Tobias, seine Taschen und das Ergebnis des ersten Modeshootings: Das Foto machte Nicolas Droessel, Miriam Schmidtmüller ist das Model.
Oft kommen ihm die Ideen für neue Taschen während der Arbeit oder er sammelt die Anregungen von Menschen auf der Straße oder aus Modemagazinen. „Ich bin natürlich schon ein bisschen auf Taschen fixiert. Die tollen Taschen fallen mir immer auf. Manchmal sehe ich aber auch Details an anderen Kleidungsstücken, die ich dann an meinen Taschen umzusetzen versuche.“
Das erste Shooting
Hinter Tobias’ neuester Kreation steckt viel Arbeit: Das Scharnier musste er aus einer anderen Tasche ausbauen, stundenlang hat er im Ledergroßhandel und im Schneidereibedarf nach passendem Material und später nach dem richtigen Innenfutter gesucht. Aber dann ging die Arbeit erst richtig los: Etwa vierzig Stunden hat er ausgemessen, geschnitten und geklebt, bis die graue Ledertasche fertig war. Viel Zeit, die eigentlich nicht da ist, denn Tobias ist derzeit hauptberuflich von sieben Uhr morgens bis in den späten Nachmittag hinein Zivildienstleistender im Kindergarten.
Und die Arbeit wird nicht weniger. Vor kurzem gründete Tobias zusätzlich zu seinem Internet-Blog das Label Château En Couleur und produzierte sogar schon erste Modeaufnahmen mit seinen Taschen: Sein bester Freund, ebenfalls Zivi, kümmerte sich um die Fotos, als Model engagierte er seine Freundin. Fertig war das erste Shooting.
Tobias ist seine Sache ziemlich ernst. Er möchte Accessoires-Designer werden und auch gerne Schuhe herstellen. „Ich fürchte, das müsste man mir aber wirklich beibringen“, sagt er und lacht. Das Geld für die Modeakademie im argentinischen Buenos Aires allerdings, die er so gerne besuchen würde, kann seine Familie im Moment nicht für ihn aufbringen. Doch davon will er sich nicht entmutigen lassen: Gerade arbeitet er an einem Online-Shop und will nächste Woche ein Gewerbe anmelden.
Es sieht also danach aus, dass Tobias künftig noch mehr Zeit im Ledergroßhandel verbringen wird.
Text: dana-brueller - Foto: Dana Brüller