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Olaf der Starke

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Es gibt keinen Wirt, der seine Gäste immer im Blick hat, der niemals wegschaut und alles sieht. Bis auf Olaf Schmidt, den Wirt des Johanniscafés in Haidhausen. Seinen Augen können die Gäste nicht mal entkommen, wenn er seinen Platz am Zapfhahn verlässt und etwas aus der Küche holt, oder wenn er sich wieder mal auf eine Zigarette zu seinen Stammgästen an den Tischen draußen auf dem Gehsteig gesellt. Denn da ist noch ein zweiter Olaf Schmidt, er hängt rechts in der Ecke und überblickt den ganzen Laden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Der Wirt als überlebensgroßes Porträt an der eigenen Wand verewigt – so etwas kann es wohl nur im Johanniscafé geben, dem Lokal, das so ganz anders ist als das meiste, was man in München findet. 1924 hat es eröffnet, Olaf übernahm es vor 20 Jahren. Er kam in der Mittagspause seines Kellnerjobs im Landtag hier vorbei, wenig später fing er an der Schänke an. Als die Besitzerin einen Herzinfarkt erlitt, wurde er ihr Nachfolger. An der Einrichtung hat er seither wenig verändert: Da ist immer noch die alte Fototapete mit dem Matterhorn, die Jukebox, die irgendwie spießigen Tischdecken. Das mag alles etwas wahllos zusammengewürfelt sein. Aber wenigstens spürt man, dass hier alles echt ist, gewachsen, ohne aufgesetzte Style-Codes, ohne Zielgruppe, für die man vorgeben muss, dies zu sein oder jenes. Und deswegen kommen hier wohl auch alle gerne her, vom arbeitslosen Alkoholiker über den Studenten bis zum Professor – und bis zum Maler, der den Wirt auf einem Porträt verewigt.


Herbert Ederer heißt der Maler, sein Spitzname lautet Muck. Er war Stammgast bei Olaf, hat oft hier gesessen, manchmal mit seiner Freundin, immer mit seinem Zigarillo. Er hat lange Zeit anschreiben lassen, anstatt seine Zeche zu bezahlen. Wie lange genau, weiß Olaf nicht mehr. Jedenfalls sagte er irgendwann im Herbst 2005: „Dann zahl halt nicht, sondern mal mich stattdessen!“ Muck ist dann etwa ein halbes Jahr nicht ins Johanniscafé gekommen. „Und dann“, erzählt Olaf und breitet die Arme aus, als würde er das Bild tragen, „dann hat er eines Tages dieses Riesengemälde angeschleppt.“

Herbert Ederer hat Olaf auf dem Ölgemälde als adeligen Herrscher dargestellt. Erhobenen Hauptes blickt der Wirt aus einem prunkvollen Spiegel, auf dessen Rand in lateinischer Schrift Lobessprüche stehen. Ein „Amicus Hominum“ ist Olaf demnach, ein Freund der Menschen, und auch das Sprichwort, das Jupiter alles erlaubt, dem Ochsen aber nicht, wurde umgedichtet: „Quod licet Olafo, non licet bovi.“ Über Olaf schweben kleine Engel und ein Lorbeerkranz, ein toter Löwe ist zu sehen, eine Keule und unten eine Jagdszene, in der auch der goldene Ring auftaucht, den Olaf am Finger trägt. „Er hat mich nicht einfach nur gemalt, sondern sich wirklich Gedanken gemacht“, lobt der Wirt den Künstler. „Er weiß, dass ich aus Sachsen komme und vom Sachsen-Geschlecht abstamme. Das hat er eingearbeitet.“ Der Löwe und die Keule seien Anspielungen auf August den Starken, der im 17. und 18. Jahrhundert Kurfürst von Sachsen und König von Polen war. „Er hat in einer Schlacht mit dieser Keule da unten den Löwen erschlagen“, erklärt Olaf und deutet auf das Bild.

Eigentlich, glaubt Olaf, sei das Bild ja sowieso für sein Schloss bestimmt gewesen. Er steht auf und geht in die Ecke neben der Bar, die er gerne als „Ahnengalerie“ bezeichnet, weil dort Fotos von Prominenten und Politikern hängen, die das Johanniscafé schon besucht haben. Leute wie Ottfried Fischer und Ludwig Spaenle sind dort zu sehen, und mittendrin eine Aufnahme von Olafs Schloss: „Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Ich stamme ja von einer Mätresse Augusts des Starken ab. Mit diesem kleinen Landsitz in Sachsen wurde sie damals abgefunden.“ Das Schloss ist aber vermietet, das Gemälde wanderte deshalb zunächst in Olafs Wohnung über dem Johanniscafé. Erst im Fasching stellte er es unten in die Ecke. „Die Leute haben dann gebettelt, dass ich es hier fest aufhänge.“

Olaf ist dem Wunsch seiner Gäste nachgekommen. Denn selbst wenn er auf dem Gemälde als absolutistischer Herrscher dargestellt ist – von der Selbstherrlichkeit eines solchen besitzt er nicht sonderlich viel.

Text: christian-helten - Foto: juri-gottschall

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