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Per Zufall in den Einkaufswagen

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Darius Kazemi, Spieleentwickler aus Boston, kauft gerne online ein. Manchmal vergisst er sogar, dass er etwas bestellt hat, und freut sich dann umso mehr, wenn plötzlich ein Päckchen vor seiner Tür liegt wie ein Geschenk von einem früheren Ich. Aus diesem Gefühl heraus hat er im vergangenen Herbst das Kunstprojekt „Random Shopper“ gestartet: Ein selbstprogrammierter Algorithmus bestellt für ihn zufällige Bücher, CDs und DVDs bei Amazon, die dann als Überraschungspakete vor seiner Tür landen.

Etwa 50 Dollar im Monat gibt Darius für seine Zufalls-Einkäufe aus. Im Dezember hat er sogar eine Spende bekommen und konnte für 70 Dollar shoppen – beziehungsweise beshoppt werden. Insgesamt hat er bisher acht Pakete erhalten. Auf seinem Blog randomshopper.tumblr.com zeigt und bespricht er deren Inhalt. Einige Kritiker haben sich bereits beklagt, dass er 50 Dollar im Monat für Unsinn ausgebe. Sein Gegenargument: „Das ist ein Kunstprojekt wie jedes andere. Der Unterschied zwischen 50 Dollar für Random Shopper und 50 Dollar für Ölfarbe ist, dass Ölgemälde eine kulturell sanktionierte Kunstform sind.“ Die Idee hinter Random Shopper ist eine konsumkritische. „Ein Kerngedanke des Projekts ist die Annahme, dass die Zufallsdinge, die ich bekomme, nicht viel besser oder schlechter sind als das, was ich mir selbst aussuche“, sagt Darius. Denn: „Es kommt nicht darauf an, was wir kaufen, sondern nur, dass wir kaufen.“ Für jetzt.de hat er vier seiner Zufallseinkäufe rezensiert und dabei zwar nichts über Presbyterianismus, dafür aber einiges über kanadische Geschichte und verstörende Musik gelernt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


 
„Covenant Discipleship Parents’ Handbook“ von Richard L. Gurgeut

Was ist es?
Ein Arbeitsbuch für Eltern, um ihrem Kind etwas über die Presbyterianische Kirche Amerikas beizubringen. Enthält nicht das dazugehörige „Covenant Discipleship Student's Workbook“.
Wie geht’s mir damit?
Es ist seltsam. Erst einmal nimmt dieses Buch an, dass ich Vater bin (bin ich nicht) und dass ich ein Mitglied der Presbyterianischen Kirche bin (bin ich nicht). Darüber hinaus nimmt es an, dass ich die „Westminster Confession of Faith“ und den „Westminster Shorter Catechism“ besitze (tue ich nicht). Es beinhaltet eine Reihe von Übungen für Kinder, durch die sie etwas über den Presbyterianischen Glauben lernen, und Anleitungen für die Eltern, um den Kindern beim Lernen zu helfen. In jedem Fall ist es sehr komisch, ein Buch zu lesen, wenn absolut klar ist, dass du nicht die Zielgruppe bist.
Wofür kann man’s brauchen?
Ich habe gehofft, dass ich von diesem Buch etwas über Presbyterianismus lernen könnte, aber leider enthält es keine Antworten. Der Teil für Kinder ist voller Fragen und im Teil für die Eltern stehen Ratschläge wie „wahre Reue beinhaltet Leid und Schmerz über die Sünde wie bei Petrus.“ Ich schätze, das wäre hilfreich, wenn ich irgendetwas über Petrus wüsste.
Bewertung: Einer von fünf Sternen
 




„Impulsioni / De två, med treinstrument“ von Ákos Rózmann

Was ist es?
Eine CD mit zwei Werken des ungarisch-schwedischen Avantgarde-Komponisten Ákos Rózmann, der elektroakustische Musik macht.
Wie geht’s mir damit?
Sich diese Kompositionen von Ákos Rózmann anzuhören ist, als würde man zuhören, wie eine Roboter-Fabrik langsam auseinanderfällt. Es ist unglaublich: klickende, surrende und rauschende Geräusche, die sich gemeinsam zu einem fast unerträglichen Lärm steigern – und dann langsam bis zur Stille abklingen. Es ist die beste Musik, die ich seit Jahren gehört habe.
Wofür kann man’s brauchen?
Mach diese Musik an, um damit unerwünschte Hausgäste gleichzeitig zu beeindrucken und abzuschrecken.
Bewertung: Fünf von fünf Sternen
 

„boo hoo“ von Ernst Malmsten

Was ist es?
Das Buch erzählt die Geschichte von boo.com, einem Internet-Startup aus Großbritannien, das spektakulär gescheitert ist. Das Schlimme daran ist, das Ernst Malmsten, der CEO von boo.com, es geschrieben hat. Soweit ich weiß, hat er in dem Moment, in dem sich die Firma aus dem Geschäft zurückgezogen hat, seinen Literaturagenten (!) angerufen und sofort einen Ghostwriter angestellt, um das Buch innerhalb eines Jahres runterzuschreiben. Ich schätze mal, das ist der Vorteil, wenn man der Chef ist.
Wie geht’s mir damit? Das Buch ist unerträglich. Malmsten schreibt über Partys und Alkohol und das Rumhängen mit Berühmtheiten, während seine Angestellten sich von allen unbemerkt abrackern, nur um ihre Jobs zu verlieren, wenn schließlich alles zusammenbricht.
Wofür kann man’s gebrauchen?
Falls ich mich eines Tages mit 135 Millionen Dollar wiederfinde, die ich verschwenden will, könnte dies eine hervorragende Anleitung sein.
Bewertung: Null von fünf Sternen

 
„Canadian Notabilities, Volume I“ von John Charles Dent

Was ist es?
Es gibt bei Amazon eine ganze Kategorie von Büchern, die per Computer-Algorithmus veröffentlicht werden. „Canadian Notabilities“ ist ein solches Buch, veröffentlicht von BiblioBazaar, einem Unternehmen, das 2009 272 930 Bücher produziert hat. Ihre Software scannt Webseiten wie das Project Gutenberg, wo die Texte von über 40 000 lizenzfreien Büchern bereitgestellt sind. Die Texte werden dann zu Print-on-Demand-Anbietern geschickt und automatisch zum Verkauf auf Seiten wie Amazon eingestellt. Das Buch selbst (das man online auch umsonst lesen kann) ist ein kanadisches Geschichtsbuch, das Mitte des 19. Jahrhunderts geschrieben wurde.
Wie geht’s mir damit?
Dent schreibt mit viel Humor und Menschlichkeit über seine Themen und gibt sich vor allem Mühe, Thayendanegea, einen Mohawk-Häuptling, der von Kanadiern und Amerikanern als brutaler Mörder eingestuft wurde, menschlich darzustellen. Ich hatte erwartet, dass er beschämend rassistisch ist, aber das ist er nicht!
Wofür kann man’s gebrauchen?
Das Buch bringt einem etwas über kanadische Geschichte bei, darüber hinaus enthält es die typischen seltsamen Druckfehler, die man in lizenzfreien Werken findet. Der Text weist auf Abbildungen hin, die im Buch nicht abgedruckt sind, und in einem Teil hat der Computer das Zeichen für Britische Pfund durchgehend als den Buchstaben „L“ gescannt. Ich werde es behalten, als Beispiel für computergenerierte Print-on-Demand-Bücher.
Bewertung: Drei von fünf Sternen

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