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Pop im Zug: Mit Take That auf Bahnfahrt

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Die bahnbrechende Erkenntnis einer Fahrt mit dem Eurostar: Man merkt, dass man in Frankreich ist, wenn die Telefone klingeln, um per SMS die aktuellen Mobilfunkpartner durchzugeben. Das passiert bei allen Telefonen mehr oder weniger im gleichen Moment und ergibt eine beeindruckende Ton-Kakophonie, die man unbedingt einmal aufnehmen sollte. Vielleicht eine Idee für Take That? Die Plattenfirma hat die Journalisten sogar aus Japan und Singapur eingeflogen, um die Band auf ihrer kurzen Reise von London nach Paris im Zug zu begleiten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gary Barlow, Mark Owen, Jason Orange und Howard Donald machen Werbung für ihr neues Studioalbum "The Circus", das zweite der zweiten Hälfte ihrer Karriere. Sie haben einen straffen Zeitplan. Dass der Fototermin am Londoner Bahnhof St. Pancras eine Minute länger dauert als vorgesehen, das ist schon eine fast unerhörte Begebenheit. Vielleicht hat irgendjemand, der mit den Vorbereitungen vertraut war, die Geschwindigkeit der zum Bahnsteig führenden Laufbänder falsch berechnet. Vielleicht hat irgendjemand auch einfach nicht daran gedacht, dass die Band Autogramme gibt, sich fotografieren lässt und winkt. Ja, Take That sind alt geworden. Mit Popstars ist das wie mit Katzen: Nach zehn Jahren ist eine völlig andere Generation am Ruder. Und dann sind da noch die "Gewinner". Sie haben ein Preisausschreiben gewonnen, sie sind zusammen ein paar Dutzend, eine Handvoll kommt aus Deutschland. Die Gewinner rekrutieren sich aus der Gruppe derer, die irgendwie an der Band dranblieb. "Wir haben immer gehofft, dass Take That wieder kommen", sagt ein Mädchen mit Kurzhaarschnitt und fragt, wie das denn mit Autogrammen sei? Nach der Fahrt werden einige von ihnen enttäuscht sein, weil die Band sich bei ihnen nicht blicken lies. Der angekündigte Bummel durch die Waggons fand nicht statt. Das mit der Motivation scheint ohnehin so eine Sache zu sein: Jason Orange sitzt an einem Vierertisch in einem gut bewachten Großraumwagen der ersten Klasse und erzählt, nun ja, nicht so arg viel. Gut sieht er aus, das bleibt immerhin festzustellen. Die Take That-Jungs von heute haben ja sowohl optisch als auch musikalisch nicht mehr viel mit den albern angezogenen Hupfdohlen der Mittneunziger zu tun. Dass Orange für die Musiker, die ihm in seinen Stapfen folgten, fast Verachtung übrig hat, irritiert gerade wegen seiner eigenen Biografie. Er erzählt ein bisschen davon, dass er ab und an den Fernseher einschalte. Und dann junge Menschen sehe, affig angezogen, die irgendetwas singen und tanzen. "Wir sind da schon mit schuld daran", sagt er und spricht dann wieder vom Album, vom Songwriting und dass Gary und Mark da den größten Teil erledigen würden. Abends geben Take That noch einmal einen Einblick in ihr Album und die Plattenfirma deutet an, dass es der Musikindustrie so schlecht nicht gehen kann. Der V.I.P. Room ist ein Club, in dem normalerweise die Jeunesse Dorée der französischen Hauptstadt feiert. Für den Abend wurde er umdekoriert: zum den Albumtitel thematisch flankierenden Artistenshowdown mit Feuerschluckern und Seiltänzern, vor allem aber zur Häppchen- und Champagnerparade für alle. Die Band spielt ein paar Songs, alte wie neue. Die älter gewordenen Fans sind immer noch laut. Mark Owen ist es, der nicht nur die besten Stücke auf der Platte singt, sondern auch witzig ist, sich traut, den routinierten Gleichschritt der anderen zu durchbrechen. Und Robbie Williams? Nach dem fragt keiner mehr. Die Fans, da herrscht breiter Konsens, mögen ihn nicht. Streng genommen mochten sie ihn noch nie. Die Band, das wird bei aller Diplomatie deutlich, kann auch ganz gut ohne ihn, was die 130 000 Exemplare, die "The Circus" alleine in England am ersten Verkaufstag absetzte, glaubwürdig unterstreichen.

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