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Post aus New York

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Jetzt hatte ich gleich zweimal Besuch. Zuerst meine liebreizenden Schwestern und dann mein entzückender Freund Andre. Er war war leider nicht so leicht zufrieden zu stellen wie meine Schwestern, weshalb wir nicht lange in New York blieben. Neben der Stadt ging ihm meine Vermieterin Bobbi auf die Nerven. Zuerst wollte sie immer mit uns reden, und ist dann auf E-Mails umgestiegen. Wir bekamen jeden Tag etwa zehn davon. Meistens forderte sie mich auf, meine Bananen aus dem Kühlschrank zu nehmen oder doch bitte ab jetzt fair gehandelten Kaffee zu kaufen. Dann verlangte sie eine unverschämt hohe Miete für Andre, verbunden mit der Bitte, jetzt doch mal endlich alle Glühbirnen in der Wohnung auszutauschen und alle Fenster zu öffnen. Wenn doch mal endlich ein Mannsbild im Haus ist! Andre wollte 5$ pro ausgewechselter Glühbirne, aber bevor Bobbi von seinen Tarifen erfuhr, mieteten wir einen gelben Chevy und fuhren mit geringer Geschwindigkeit nach Neuengland. In meinem ganzen Leben war ich nie so amerikanisch!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Neuengland ist wunderschön, so wie ich mir die Ostsee vorstelle. Wir fuhren in Orte, die Namen trugen, die in mir Vorstellungen von vergessenen Gärten hervorrufen: Mystik, Hyannis und, nun ja, Newport. Romantische Fischerdörfchen in Amerika sehen aber aus wie der Euro-Industriepark und bestehen aus Supermärkten, Fastfood-Restaurants und Motels. Die Natur ist allerdings grossartig und fast gar nicht langweilig, die Strände sind pastellfarben und einsam (was aber auch am April liegen könnte), die Straßen sind von hübschen Nadelbäumen gesäumt, die Luft ist gut und das Essen frittiert. Anfangs war ich skeptisch, doch es ist durchaus reizvoll, panierte Luxusmeeresfrüchte von Plastiktellern zu essen und dazu eine Cola mit Eiswürfeln zu trinken. Nach dem ersten Teller waren wir Amerikaner: Wir fanden Landschaften aus dem Autofenster schöner. Wir hätten uns gefreut, wenn man mit dem Auto auch durch den Supermarkt hätte fahren können. Wir haben in Motels gewohnt, in deren Betten man sozusagen aus der Autotüre gestolpert ist, ohne einen unnötigen Schritt zu tun. Wir haben Sendungen, die von sehr dummen Frauen handeln, geguckt und dann ungefähr zwanzig Stunden geschlafen. Dann bin ich schnell zum Frühstücksbuffet gegangen (!), um Waffeln mit Ahornsirup zu holen. Andre ist trotzdem wieder in die bayerische Heimat zurück geflogen. Leider bekomme ich keinen Besuch mehr. Mein bester Freund ist jetzt der kleine Österreicher Thomas. Weil mein anderer Freund hier seine Diplomarbeit schreibt und mit der Bekämpfung seiner „Buffy the Vampire Slayer“-Sucht sehr beschäftigt scheint, versuche ich, neue Freunde zu finden. Montags gehe ich mit meinem Supervisor Mike zum Transenbingo, einer amüsanten, von Dragqueens moderierten Veranstaltung. Für die restliche Woche finde ich bestimmt auch noch jemanden.

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