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Rauchverbot: Jetzt kommt das Rein-raus-Spiel auch zu uns

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Wenn es wenigstens beim Rauchverbot geblieben wäre. Hier in Freiburg haben sie seit diesem Jahr gleich noch den Alkohol mitverboten, am Wochenende darf in der Innenstadt auf der Straße nicht mehr getrunken werden. Da ist das Rauchverbot noch ein vergleichsweise geringer Einschnitt in den hedonistischen Entfaltungsraum – mit dem man sich, trotz himmelhoher Bedenken am Anfang, ganz gut arrangieren kann.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Es hält sich sowieso keiner daran. Jedes Wochenende in den Clubs das gleiche Bild: Ab Mitternacht bilden sich in dunklen Ecken kleine Gruppen, verschwörerisch werden Feuerzeuge und Kippen ausgetauscht und hinter vorgehaltener Hand, Zigarette zur Handinnenfläche gedreht, geraucht. Diese Zigaretten schmecken ganz hervorragend, denn zusätzlich zu Tabak und Nikotin atmet man noch etwas vom wilden Geruch der Rebellion ein – schließlich raucht man gerade nicht nur eine Zigarette, sondern bricht ein Gesetz, tut etwas Verbotenes und fabriziert zumindest ein Rauchzeichen gegen staatlichen Bevormundungswahn und Gesundheitsmoralismus. Ein Heidenspaß also. Stärkung des Wir-Gefühls Zwei Stunden später ist aber auch das egal: Da hat die einer Clubnacht zu Grunde liegende, alkoholbeflügelte Erosion aller zivilisatorischen Verhaltensmuster so weit eingesetzt, dass man sich auch ganz ungeniert eine auf der Tanzfläche anzündet. Gemeckert hat noch keiner. Ach, und dieses Gerücht mit dem Schweißgeruch, ich habe noch nie was gerochen. In Kneipen passiert das leider nicht. Manche haben diesen Raucherraum, den ihr in Bayern aber nicht haben dürft, in den anderen muss man ganz rausgehen, vor die Tür. Das macht man im Sommer ganz gerne, im Winter nicht so, zumindest aber ist das seither einsetzende Rein- und Rausspiel eine wirkliche gruppendynamische Bereicherung. Gehen alle zusammen raus, stärkt das, trivialpsychologisch gesagt, das Wir-Gefühl. Ebenfalls gut: man sitzt mit einem Haufen Leute um einen Tisch, neben einem ausgerechnet der Trottel, mit dem man sich nicht unterhalten will, das hübsche Mädchen, das man unbedingt kennen lernen will, leider in der anderen Ecke. Da bietet einem die Raucherfluktuation wunderbar die Gelegenheit, den Platz und die Gesprächspartner zu wechseln. Oder gleich mit dem hübschen Mädchen eine rauchen zu gehen. Nicht zu unterschätzen: Steht man ab und zu mal auf und läuft ein paar Meter, merkt man schneller, wie viel man noch trinken kann. Das fällt einem sonst ja erst ein, wenn man auf die Toilette geht oder eben am Ende des Abends – und dann ist es oft zu spät. Mensch oder Zigarette? Als ungünstig haben sich kleinere Gruppen mit genau einem Raucher oder einem Nichtraucher erwiesen, da kommt es zu Momenten der unerbittlichen Wahrheit darüber, was einem jetzt wichtiger ist: Mensch oder Zigarette. Basiert das mit der Nikotin-Wichtigkeit auf Gegenseitigkeit, darf man natürlich auch eine rauchen. Bei Dates mit Nichtrauchern hingegen lasse ich inzwischen die Kippen daheim. Geht einfach nicht, da zwischendurch mal aufzustehen und eine zu rauchen, während der andere drinnen wartet. Ohne Schachtel in der Tasche kommt man wenigstens nicht in die Versuchung, und meistens freut sich der andere. Am Rauchverbot stören also wirklich nur zwei Dinge: Man kann nicht mehr alleine ins Café gehen, sich Thomas-Bernhard-mäßig hinter Zeitungsbergen verkriechen und dazu die Denkerzigarette rauchen. Dieser Dreiklang aus koffeinhaltigem Heißgetränk, bedächtig gerauchter Zigarette und anregender Lektüre wurde unwiederbringlich in die heimische Küche verbannt. Und zweitens bleibt doch immer das schale Gefühl, das einem mit dem neuen Gesetz etwas weggenommen wurde. Auch wenn man sich ganz gut damit arrangieren kann.

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