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Seide auf die Hüften

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Raphael Roggendorf erinnert auf den ersten Blick nicht an einen studierten Juristen. Er trägt Drei-Tage-Bart, eine rote Brille und sein Stil erinnert an die Vintage-Mode der Londoner East Side. Sechs Jahre hat er in Passau Jura studiert. Das Staatsexamen absolvierte er mit Prädikat. Und doch macht er heute etwas ganz anderes. Raphael näht Gürtel. Ganz von ungefähr kommt der Wechsel ins Modefach nicht. Als sich seine Mitschüler für Fußball und Gameboys begeisterten, interessierte sich Raphael schon für Farben, Formen und Stoffe. Ein Faible, das ihm bis ins Studium hinein erhalten blieb. „Jura und Mode sind beide sehr ästhetische Fächer“, sagt Raphael und versucht eine Verknüpfung der beiden Interessen. „Beide sind gesetzmäßig und harmonisch. Ein juristisches Gutachten rund und schlüssig zu schreiben, ist genauso sinnig wie stilvoll aufzutreten.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Für Raphael (rechts) ist stilvolles Auftreten genauso sinnig wie ein juristisches Gutachten. Die Sache mit den Gürteln begann vor drei Jahren. Raphael suchte nach einer Alternative zum braun-schwarzen Leder-Einerlei, das sich die Menschen um die Hüften legen. Schließlich wurde er beim Stöbern auf dem Dachboden eines alten Bauernhauses fündig. Raphael fand echtes bayerisches Leinen und wagte erste Nähversuche. „Mit einer uralten Nähmaschine habe ich ein paar Nadeln verschossen. Ich habe geblutet, aber am Ende kam etwas dabei raus was ich mir um die Hüfte binden konnte.“ Bloß das Material entsprach nicht Raphaels Vorstellungen. „Stoffgürtel sind zwar insbesondere für Jungs eine willkommene Abwechslung zu Leder, aber auffallen würde man mit ihnen nicht“, sagt Raphael. Er suchte weiter und entdeckte auf einer Asienreise mit seinem Vater die Lösung: Chinesische Seide. Zu Hause setzte sich Raphael neben seine 84 Jahre alte Großmutter und ließ sich den richtigen Umgang mit dem Material beibringen. Es funktionierte: Nach einem halben Jahr nähte er die ersten Seidengürtel für seinen eigenen Bedarf. Freunde und Bekannte wurden aufmerksam und fragten ihn, ob er ihnen nicht auch Gürtel nähen würde. Daraufhin wagte er gemeinsam mit seinem Cousin David Skudlik ein Experiment. Sie wollten das Marktpotential testen. David war damals in der 12. Klasse am Gymnasium und versuchte, auf dem Pausenhof Exemplare der Gürtel der zu verkaufen. Es klappte, erinnert sich David: „Die meisten waren begeistert. Sie probierten den Gürtel an und wollten ihn dann direkt behalten.“ Aus den Cousins wurden daraufhin Gründer, Anfang 2008 erblickte das Unternehmen „Société Moderne“ das Licht der Welt. David kümmert sich um die Kalkulation, Raphael um die Stoffe und das Design. Später stieß noch ein Freund hinzu, der das Marketing der kleinen Gürtelfirma verantwortet. „Glücklicherweise brauchten wir keinen Businessplan, mit dem wir bei der Bank vorsprechen mussten“, sagt Raphael und blickt auf die beiden ersten Jahre zurück. „Wir benötigten nicht mehr als Seidenstoff, Garn, Gurtband und eine Metallschnalle. Das sind Investitionen, die wir aus der eigenen Tasche stemmen.“ Die Seidenbahnen bringt Raphaels Vater von seinen Geschäftsreisen aus China mit. Schließbänder, Schließringe, Einnäher und Verpackungsschachteln kauft Raphael in Deutschland. Mittlerweile näht Raphael auch nicht mehr selbst. Er lässt die aktuelle Kollektion in kleiner Stückzahl von einer Schneiderin in der Maxvorstadt anfertigen. Gemeinsam mit ihr entscheidet er, welche Schnalle, welche Garnfarbe, welche Stichlänge die neuen Gürtel haben sollen. Anschließend trägt er sie Probe. Die fertig produzierten Gürtel (gut 98 Euro muss man für ein Exemplar investieren) lagert er derzeit noch bei sich im Zimmer. „Faktisch schlafe ich auf den Gürteln“, sagt Raphael. „Bis jetzt können wir von den Gürteln noch nicht leben. Also müssen wir sparen, wo es sinnvoll ist.“ Raphael wünscht sich, dass die Menschen endlich wieder mehr aus sich heraus gehen. „Ich will, dass sich Mann und Frau wieder mehr trauen. Sie sollen mehr Mut zur Farbe bekennen“, sagt er. „Schließlich setzt man ja mit seinem Äußeren ein Statement für seine Persönlichkeit.“ Auch an der Hüfte. Noch bis Samstag sind die Gürtel der Société Moderne im Münchner PopUp Store im Preysing Palais in der Residenzstraße 27 oder auf société moderne zu sehen.

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