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Steh zu Deinem Viertel!

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In einem halben Jahr ziehe ich um. Vom beliebten und heimeligen Haidhausen nach Ramersdorf. Jeder, ausnahmslos jeder, hat mich bislang für diesen Umzug bedauert, bemitleidet oder gefragt, ob jetzt auch ich angesichts der Finanzkrise Einschränkungen hinzunehmen hätte. Wie es denn überhaupt auszuhalten sei, in ein Viertel zu ziehen, das nur dann wahrgenommen wird, wenn neue Statistiken ergeben, dass es gerade dort ganz besonders wenig lebenswert sei – in einer Stadt, die zu den lebenswertesten des Landes, ach, der ganzen Welt gehört! Bisher war ich daraufhin immer ganz still oder habe ebenfalls auf das Schicksal geschimpft, das mir meine neue Behausung dahin gepflanzt hat, wo man normalerweise nur auf dem Weg ins Gebirge durchrauscht. Bis vor einer Woche. Da war ich mit Freunden im angesagtesten aller angesagten Viertel, dem Gärtnerplatzviertel aus. Der Anblick, der sich mir an diesem völlig unspektakulären Samstagabend bot, reichte aus, mich mit der Aussicht auf ein Leben in der Peripherie zu versöhnen. An jeder der unzähligen gleichförmigen Bars standen Trauben von Menschen herum, alle auf Einlass wartend, als es ob dort Manna und Ambrosia im Angebot gäbe. Weil offensichtlich auch junge Menschen bequem und unselbständig sind, entstehen mit der Zeit Straßenzüge, in denen sich eine Bar an die andere reiht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Und um auch auf keinen Fall zwei Schritte zu viel machen zu müssen, zieht das feierwillige Volk in diese Viertel, in denen angeblich das echte Leben abgehen soll und denken, sich selbst mit ihrer Wohnungswahl aufwerten zu können. Während sich alle einmütig über das Zeitgeist-Gespenst Gentrifizierung beschweren, tragen sie gleichzeitig munter dazu bei, dass sich in dieser eh schon winzigen Stadt alles auf zwei Stadtviertel konzentriert. Sie beklagen, dass die Viertel ihren Charme verlieren, wenn ein Laden nach dem anderen wegen Mieterhöhung schließen muss. Aber wenn dieses Geschäft kurze Zeit später etwas außerhalb der vorgeschriebenen Hipness-Zone öffnet, geht es meist kurze Zeit später wieder ein – zu wenig Laufkundschaft. Vor lauter Zentrumsfixierung wird dabei die Schönheit all der Stadtviertel übersehen, die aus Coolness-Gründen nicht ernst genommen werden. Dabei sind einige der besten Clubs genau da beheimatet: Zum Beispiel das „Kafe Kult“ in Oberföhring, wahrscheinlich der einzige Club in München, wo man noch ordentlich was auf die Ohren bekommt, wenn man ein Konzert besucht. Oder das ehemalige „Trambahnhäusl“, eine Baracke an einer Trambahn-Endhaltestelle in Ramersdorf, in der Jahrelang ein Punk namens Dasi „Reis mit Scheiß“ in großen Kellen für wenig Geld verkaufte. Seine Gäste setzten sich dann mit Schüsseln auf die Schienen und genossen das urbane Gefühl, das einen überkommt, wenn man zwischen den beiden Spuren des Mittleren Rings sitzt. Oder die Domagkateliers auf dem Gelände der alten Funkkaserne, wo in den Neunzigern die größte Künstlerkolonie Europas entstand. All diese Orte waren so lange interessant, bis es zum Konsens wurde, von nun an nur noch möglichst bequem die Nacht in einem Radius von fünf Metern rumzukriegen. Angesichts dieser Überlegungen kommt mir mein Schicksal gar nicht mehr so schlimm vor. Im Gegenteil: Ich finde es plötzlich ziemlich gut, in ein Viertel zu ziehen, das beim Wettbewerb „Welcher Stadtteil ist cooler?“ erst gar nicht antritt. Und ich werde erhobenen Hauptes mein „Ramersdorf“-T-Shirt tragen und lachen, wenn mich ein mitleidiger Blick streift. Willst du wie Christina deine Liebe zu vergessenen Münchner Stadtvierteln wie Milbertshofen, Obermenzing, oder Mittersendling auf deiner Brust tragen? Auf www.jetzt.de/muenchenshirt kannst du dir dein jetzt.muenchen-T-Shirt selbst gestalten.

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