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Das Viereck, das Ludwig- und Amalienstraße sowie Schelling- und Akademiestraße um das Hauptgebäude bilden, ist das Herz der Maxvorstadt und Tummelplatz der Münchner Studenten. Und trotzdem gleicht dort jeder Tag dem nächsten. Wir haben zum Semesteranfang 24 Stunden im Univiertel protokolliert.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

03:57 Uhr: Bäckerin Anja betritt den Kuchenraum in der Schellingstraße 44. Anja stammt aus Isny, einem Ort zwischen Lindau und Kempten. Jeden Morgen steht sie um drei Uhr auf, um Roggenbrot und Mohnsemmeln für Münchner Studenten zu backen. Wenn sie damit fertig ist, macht sie sich an Kuchen und Gebäck. Manchmal geht sie gleich nachdem sie gegen halb eins von der Arbeit kommt wieder ins Bett.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

06:30 Uhr: Dieter Schweiger, besser bekannt als Didi, der bekannteste Obst- und Gemüsedandler der Stadt, öffnet seinen Stand. Seit 25 Jahren steht er neben dem U-Bahnausgang Universität, gleich am Hauptgebäude, und verkauft Studenten einzelne Bananen. Bis vor kurzem sagte er im Regionalfernsehen das Wetter an, jetzt kann man auf muenchenvideo.de sehen, wie er sich über verwirrte Erstsemester freut und uns sagt, ob wir mit Sonne oder Regen rechnen müssen. Das Wetter ist Didi persönlich aber ganz egal, er ist immer unheimlich gut gelaunt – „S’Lebn is a Freid“, so steht es auf seinen Schiefertafeln.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

07:00 Uhr: Das Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität, Geschwister-Scholl-Platz 1 wird geöffnet – und bleibt bis 22:00 Uhr geöffnet. 07:05 Uhr: Den wohl frühesten Kaffee gibt es in der Amalienstraße, zum Beispiel im Café Amalien, Hausnummer 87, mit den legendär unfreundlichen Bedienungen, bei denen man sich schon früh morgens eine Tracht Verbalprügel abholen kann. Netter geht es nebenan in der Essbar zu, Amalienstraße 93. 07:08 Uhr: Der wohl netteste Pförtner der Welt, Herr Kirchgessner vom Sozialverband VdK, sperrt die Tür zu seinem Arbeitsplatz in der Schellingstraße 29-31 auf. Seine Arbeit fängt eigentlich um halb acht an, aber er braucht ein bisschen Zeit, um sich zu akklimatisieren. 08:00 Uhr: Die Bibliothek öffnet: Der Allgemeine Lesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek in der Ludwigstraße 16 ist bis 24.00 Uhr geöffnet. Dort gibt es 9 248 000 Bände, über 50 000 laufende Zeitschriften und auf den Online-Katalog wird jedes Jahr mehr als 5 000 000 mal zugegriffen. Aber: Der Großteil der 1 155 000 Besucher des vergangenen Jahres geht bloß zum Flirten hin. Schade.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

08:50 Uhr: Die SZ-Männer beginnen mit dem Aufbau ihrer Stände. Einer steht vor der Schellingstraße 3, der andere vor dem Hauptgebäude der Universität. Sie werden jeden Studenten mindestens einmal fragen, ob er eine „Süddeutsche kostenlos?“ möchte, weil sie Abonennten gewinnen wollen. Und auch wer bereits ein Abo bei einem der SZ-Männer abgeschlossen hat, wird garantiert weiterhin gefragt.


09:00 Uhr: Im Café Schneller, Amalienstraße 59, beginnt jetzt die Schicht von Oma Schneller, die schon seit über 40 Jahren hier arbeitet. Blümchentapetene Umgebung und zuckerige Leckereien füllen jede Uni-Freistunde mit Sinn – finden übrigens auch viele Dozenten, auf die man hier gerne trifft. 9:57 Uhr: Das beste Uni-Bücher-Sortiment gibt es in der Buchhandlung Rupprecht, Schellingstraße 3 respektive Amalienstraße 79. Das Personal dort weiß selbst mit rudimentärsten Erinnerungen an einen Buchtitel etwas anzufangen. 11:45 Uhr: Ende der meisten Vormittagsveranstaltungen in der Uni. Danach kommt es zu kilometerlangem Schlangestehen vor der Mensa der Schellingstraße 3, die euphemistisch „Mensaria“ genannt wird (diese dient in der Zeit von 11:00 bis 14:00 Uhr ausschließlich der „Einnahme des Mittagessens“, worauf ein sympathisches Schild am Eingang verweist). Wer sich den Magen mal sauber umdrehen lassen will, sollte diesen Termin nicht verpassen, vor allem nicht, wenn Fleisch in Keulenform serviert wird: Der Anblick fett- und soßenverschmierter Erstsemester der Mediävistik hat noch jeden erfreut. Ansonsten gibt es dort das Übliche: Schokoriegel und Molkedrinks, Eis am Stiel und Cola light. 12:57 Uhr: Zeit zum Einkehren im Holareidulijö, dem bemerkenswertesten Laden der Schellingstraße, Hausnummer 81. Dank eines unüberschaubaren Sortiments an Trachten kommt auch der Zugereiste in den Vorzug, seine Herkunft dank Uralt-Krachlederner eine Zeitlang zu verstecken. Sag einfach, das sei „die Lederhos’n vom Groußvater aus Miaschboch“. 14:00 Uhr: Im Fitnessstudio Primabella, Amalienpassage, kannst du mit Inhaber und Trainer Jörg Siller Pilates und Bauch, Beine, Po trainieren. Allerdings nur, wenn du weiblich bist.

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Illustration: Julia Schubert

14:35 Uhr: Im Antiquariat Maxvorstadt, Schellingstraße 32, gibt es die tollsten Bücher, die vom freundlichsten Personal verkauft werden.


15:21 Uhr: Der Schellingsalon in der Schellingstraße 54 eignet sich sehr gut, um sich vor den Latte-Macchiato-löffelnden Studentenhorden zu verstecken. Die gesamte Schwabinger Bohème verkehrte hier und, oho, Hitler hatte Hausverbot, weil er sein Bier nicht rechtzeitig bezahlt hat. Für sechs Euro darfst du hier einen ganzen Tag lang Karten spielen und so tun, als säßest du am Tisch von Rilke. 16:27 Uhr: Ein guter Zeitpunkt, um kurz inne zu halten. Am besten geht das bei der Betrachtung eines Vanitas-Motivs, dein Weg führt dich also zu Bestattungen „Pietät“ in der Schellingstraße 33. Dort kannst du Urnen im New-Age-Design anschauen. 16:42 Uhr: Mal sehen, was in der Schellingstraße 48 bei den Galeristen Sprüth/Magers so los ist. Nix: Vergangene Woche wurde die Münchner Filiale aufgegeben, man ist ganz sang- und klanglos nach Berlin gezogen. Schade eigentlich. 17:08 Uhr: In der Max-Emanuel-Brauerei, Adalbertstraße 33, gibt es jetzt noch ganze 112 Minuten lang günstiges Bier. 18:20 Uhr: Die Ludwigskirche, Ludwigstraße 22, lädt Montag, Mittwoch und Freitag zum Rosenkranz ein. Dienstag und Donnerstag findet zur gleichen Uhrzeit die Vesper statt. Um 19 Uhr ist Heilige Messe. Dienstags von 16 bis 18:30 Uhr kann man bei Dr. P. Irrgang beichten.

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Illustration: Julia Schubert

23:00 Uhr: In der Maxvorstadt herrscht das so genannte Parkraummanagement, konsequenterweise gibt es acht Parkzonen: Akademieviertel, Schleißheimer Straße, TU-Viertel, Giselastraße, Pinakotheken, Schönfeldviertel, Karolinenplatz und Königsplatz. Normalerweise musst du hier alle zwölf Minuten zwanzig Cent bezahlen. Das kann dir jetzt aber egal sein, denn bis morgen um neun darfst du umsonst parken. Also, falls du einen Parkplatz findest. 23:23 Uhr: Nun steht einem Besuch der Studentenkneipe Schall und Rauch, Schellingstraße 22, nichts mehr im Wege. Vor allem jetzt nicht, wo endlich wieder ein bisschen Rauch erlaubt ist. 01:14 Uhr: Werktags fährt die letzte U3 Richtung Fürstenried West von der Universität in die Innenstadt.

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