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„Und ich werde das Shampoo benutzen“

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Matt und Robert Shipp, beide 20, sind Zwillinge und US-Marines – der eine auf dem Kriegsschiff USS Germantown, der andere im Irak. Unser Autor hat das Leben der beiden zwei Jahre begleitet und sie im Frühjahr im Einsatz besucht. Daraus ist eine Kolumne über das Leben der US-Soldaten entstanden. Heute endet diese Serie mit Kurzportraits von US-Marines, die erzählen, warum sie bei der Armee sind - und was sie nach ihrem Einsatz machen wollen. ***

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

First Lieutenant Austin Adams aus dem US-Bundesstaat Kalifornien, ist der Chef der Marines an Bord der USS Germantown, zu denen auch Robert gehört. Austin ist seit dem Jahr 2000 bei den Marines und schätzt, dass er nur die Hälfte seiner Ehe auch mit seiner Frau verbracht hat. Zum vierten Hochzeitstag schickte er ihr eine Karte nach Kalifornien, auf der stand: „Das waren die zwei besten Jahre meines Lebens.“ Kinder haben die beiden noch keine. „Dafür muss man zuhause sein“, sagt Austin. Lance Corporal Scott Clark, 26, aus Arizona ist einer der ältesten Marines in Matthews Zug im Irak. Als Scott ein kleiner Junge war, mähte er für seinen berühmten Nachbarn den Rasen: Bob Dole war republikanischer US-Senator und trat bei der US-Präsidentschaftswahl von 1996 gegen Bill Clinton an. Scott hat bereits einen Plan für die erste Nacht nach seinem Irakeinsatz: „Ich nehme mir ein Hotel und bleibe genau so lange, wie ich bleiben darf – ich werde jede einzelne Minute in meinem eigenen Zimmer auskosten. Und ich werde das Shampoo benutzen!“ Corporal Jesse Cunnally aus Reno, Nevada, ist einer der wenigen in Matthews Zug, der zum zweiten Mal für einen Einsatz im Irak ist. Nach dem ersten Aufenthalt war er gerade fünf Monate zuhause, als eines Nachts sein bester Kumpel bei ihm anrief und ihm sagte, dass er wieder in den Irak zurück ginge. „Er wollte unbedingt gehen und mir blieb keine Wahl – ich musste mitgehen.“ Die Zeit, die er in den vergangenen Jahren im Auslandseinsatz verbracht habe, sei hart gewesen, sagt Jesse: „Ich war seit vier Jahren nicht mehr an Weihnachten zuhause“. Nach der Rückkehr will er im Herbst aufs College gehen. Lance Corporal Cordero Edwards hat keine Lust, in seine Heimatstadt, in sein Viertel in St. Louis zurückzukehren. Als in der Lokalzeitung ein Bericht über die Marines erschien, in dem unter anderen auch sein Name vorkam, kamen Gang-Mitglieder aus der Nachbarschaft zum Haus seiner Mutter und randalierten, von Corderos Auto montierten sie die Reifen ab – sie schienen ihm seine Teilnahme am Irakkrieg übel zu nehmen. Sobald er zurück ist, will Cordero Kunst studieren. „Ich will nur noch raus aus dem Irak. Hier gibt es zu viele dumme, zu viele wütende Leute – die kannst du doch gar nicht alle ändern.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die meisten US-Soldaten gehen direkt nach der High School, im Alter von etwa 17 Jahren zur Armee – im Bild oben die Zwillinge Robert und Matthew Shipp, fotografiert in ihrer Heimat Idaho vor der Fahrt in den Irak. Nun kommen noch einmal Roberts und Matthews Kameraden zu Wort. Alan Maria zum Beispiel (im Gruppenbild stehend, fünfter von links) oder sein Kollege Travis Preciado (vordere Reihe, ganz rechts). Lance Corporal Chad Goodnight aus Hamilton in Montana hat angeblich die am meisten stinkenden Füße der ganzen Truppe. Seine Kollegen schließen manchmal Wetten miteinander ab: Wer die Nase am längsten in Chads Schuhe steckt, hat gewonnen.


Lance Corporal Harry Ho, 20, wurde am 29. Dezember vergangenen Jahres zum ersten Mal Vater. „Eigentlich verpass’ ich da gerade nichts Besonderes – nur einen Haufen mit vollen Windeln und viel Geschrei. Aber ich werde zuhause sein, wenn er zum ersten Mal lächelt.“ Seine Kameraden sagen, Ho sei der „perfekte Mann“. Er ist der einzige in Roberts Zug, der weder trinkt noch raucht. Lance Corporal Travis Preciado hatte nach der High School keine Lust auf ein Studium, kann aber auch nicht mehr genau erklären, warum er wirklich zu den Marines ist. „Warum ich mich beworben habe? Ich weiß nicht; ich wollte eben kämpfen, ich wollte raus kommen, was Neues sehen, was anderes als mein Heimatkaff. Und heute? Heute denke ich: Wärst du halt aufs College gegangen.“ First Lieutenant Jim Rowe, 28, aus Indiana war beim Einmarsch in den Irak vor gut fünf Jahren dabei. „Wenn du mich vor fünf Jahren gefragt hättest, ob wir heute noch hier sind, hätte ich gesagt: Vergiss’ es!“ Jim glaubt nicht, dass er sich nach diesem Einsatz für einen weiteren melden wird. Er will mit seiner Frau um die Welt reisen und danach in den Freiwilligendienst gehen. „Ich will etwas zurückgeben“, sagt er. Gefreiter Phillip Saldana-Bautista aus Idaho Falls ist mit einer Frau zusammen, die auch bei den Marines ist, allerdings nicht auf der USS Germantown sondern im Irak. Die beiden lernten sich bei einem Gottesdienst kennen, der am Rande einer Gefechtsausbildung stattfand. Phillip hat bereits eine Tochter, die im September dieses Jahres zwei Jahre alt wird. Wegen seiner Einsätze mit den US-Marines hat er sie zum letzten Mal gesehen, als sie gerade einmal vier Monate alt war. Corporal Alan Maria, 22, aus Texas wollte ursprünglich gar nicht zu den Marines, entschied sich kurz nach der High School aber doch dafür, sich anwerben zu lassen. Einer der Gründe: Sein bester Freund war während eines Einsatzes im irakischen Ramadi ums Leben gekommen. Ziemlich genau ein Jahr nachdem er sich eingeschrieben hatte, befand sich Alan selbst im Gefecht – in Ramadi. Er bekam mit, wie sein Kommandeur von einem Scharfschützen ermordet wurde und half, die Leiche seines Vorgesetzten von dem Dach zu schaffen, auf dem dieser erschossen worden war. Alan Maria war bisher zweimal verlobt. Seine erste Verlobte lernte aber einen anderen Mann kennen, während er im Irak war. Eines Tages möchte Alan an der High School unterrichten – am liebsten Geschichte. *** Es übersetzte Peter Wagner.

Text: james-hagengruber - Fotos: Brian Plonka

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