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Unser Leben aus Koffern
In München studieren rund 7 000 Studenten aus 125 Ländern. Von Zuhause haben sie Heimweh und Erinnerungen mitgebracht. jetzt.muenchen sprach mit einigen von ihnen über ihre Heimat.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Michael Simpson, 20, aus Ohio, USA, studiert New Media und ist seit gut zwei Wochen in München. „Meine Hochschule hat eine Partnerschaft mit der Münchner Uni. Es ist mein erstes Mal so lange und so weit weg von Zuhause. Ich bin zwar schon einmal für drei Wochen weggewesen und während meines ersten Jahres im College lebte ich nicht zu Hause – aber das war nur 50 Minuten von meinem Zuhause entfernt. Aber wenn man weiß, dass man wieder nach Hause kommt, ist das nicht so schlimm. Auszupacken gibt es nicht so viel. Kleidung, Geld, Computer und Bücher – das sind die einzigen Sachen, die ich mitgenommen habe. Mein persönlichstes Mitbringsel ist mein Koffer. Der wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Wahrscheinlich wurde er Anfang des 20. Jahrhunderts gekauft. Er erinnert mich an Zuhause, an meine Heimat. Heimat ist für mich meine Mutter und ihr Essen. Nein, das stimmt nicht. Heimat ist meine Mutter im Generellen.“ ***
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Raisa Garvin, 21, aus Ohio, USA, studiert ebenfalls New Media und ist seit zwei Wochen in Deutschland. „Es ist das erste Mal, dass ich so lange weg bin von Zuhause. Am Anfang war es schwierig und ich musste oft weinen. Aber jetzt nach zwei Wochen ist es schon etwas besser. Das Wetter ist nicht so toll, aber die Stadt ist richtig schön und ich weiß: Es gibt Einiges zu sehen. Das einzig Besondere in meinem Gepäck ist meine Decke, die ich immer mitnehme, wenn ich ins Ausland gehe. Meine Großmutter hat sie extra für mich in Auftrag gegeben. Außerdem ist da die Halskette, die mir mein Freund schenkte und die ich immer bei mir habe – aber nie trage. Weil ich Angst habe, dass sie kaputt geht.“ ***
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Emad Timiz, 21, studiert Elektrotechnik und kommt aus Palästina. „Ich bin seit zwei Jahren hier und noch nicht nach Hause gefahren. Als ich damals Palästina verließ, habe ich vor allem Fotos von meiner Familie mitgenommen. Und den Koran, da ich Moslem bin. Mir ist die Religion wichtig, um mich an Zuhause zu erinnern. Den Beschluss, nach Deutschland zu gehen, fasste ich schon in der 10. Klasse. Wann ich wieder heimfahren kann, weiß ich aber nicht. Die politische Lage ist schwierig. In zehn Tagen wäre die Hochzeit von meinem Bruder und ich kann leider nicht kommen. Das tut schon weh. Sehr weh.“
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Thiago do Valle Fatias, 26, ist Wirtschaftsingenieur aus Rio de Janeiro. Er lebt seit elf Monaten in Deutschland. „Es gefällt mir sehr gut. Ich kam für ein Austauschprogramm zwischen meiner Uni und der TU hierher. Bis jetzt bin ich noch nicht nach Hause gefahren. Ich war auch noch nie so lange von Zuhause weg. Manchmal bin ein bisschen traurig, aber ich habe hier so viele Leute kennengelernt, dass es nicht mehr so schlimm ist. Von Zuhause habe ich sehr viel Sehnsucht mitgenommen. Und die Bibel. Ich bin nicht religiös, aber es ist das Wichtigste was ich von Brasilien mitbrachte. Wenn ich traurig bin, lese ich darin. Dabei denke ich an meine Mutter. Sie liest sehr gerne in der Bibel. ***
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Gabriel Teodoro de Oliveira, 21, studiert Jura und stammt aus Sao Paulo. Er lebt seit vier Monaten in Deutschland. „Ich lernte das ganze Leben lang an einer deutschen Schule Deutsch und hatte deswegen schon immer Lust, Deutschland zu besuchen. Ich hatte gelernt, dass Deutsche manchmal sehr unhöflich sein können, aber das stimmt gar nicht. Ich bin schon vier Monate hier und habe so ein Verhalten noch nie bemerkt. Was ich unbedingt mit herbringen wollte, war eine Gitarre. Und die Flagge meiner Lieblingsfussballmannschaft in Brasilien. Nächste Woche spielen sie um 10 Uhr brasilianischer Zeit – das ist um 3 Uhr nachts und ich schaue mir das am Computer an. Auch wenn ich am nächsten Tag um 8 Uhr morgens Vorlesung habe.“ ***
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Tien Dat Ho Torung, 20, studiert Informatik und stammt aus Vietnam. „Ich bin vor fünf Jahren aus Vietnam gekommen, weil es damals in Deutschland keine Studiengebühren gab. Letztes Jahr war ich zum ersten Mal wieder Zuhause. Das war schon toll, nach so langer Zeit. Von dem Besuch habe ich eine Art Kunstwerk mitgebracht, auf das man in schöner Schrift etwas schreibt. Das hier ist Vietnamesisch und heißt: Ein Vogel hat keine Angst vorm Runterfallen, weil er fliegen kann. Ein Mensch hat keine Angst vor der Hölle, weil er Gutes tun kann.“
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Kristin Cavin, 20, studiert Wirtschaftswissenschaften und Deutsch. Sie stammt aus Lousiana und lebt seit fünf Monaten in Deutschland. „Ich habe viele Geschenke von meinen Freunden dabei, die mich an meine Heimat erinnern. Und ein T-Shirt, das sehr typisch für unsere Region ist. Und viele Postkarten. Aus denen baue ich mir meine Erinnerung zusammen. Ich habe Karten von einer Reise nach Australien, wo ich letzten Januar war oder vom Grand Canyon, der ja der Inbegriff von Amerika ist. Aber ich vermisse meine Heimat auch nicht so. In einem Monat gehe ich ja schon wieder nach Hause.“ ***
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Kyle Simpsons, 24, studiert Geschichte, Philosophie und Deutsch. Er stammt aus Philadelphia und lebt seit einem halben Jahr in Deutschland. „Deutschland finde ich sehr toll. Wegen der Philosophen und vor allem wegen des Fahrradfahrens. Und wegen des Pfands! Das würde ich gerne samt Bier nach Amerika exportieren. Eine sehr persönliche Sache, die ich dabei habe, ist meine Jacke. Die habe ich, als ich zehn Jahre alt war, an einem Vater eines Freundes zum ersten Mal gesehen. Damals war ich aber noch viel zu klein und musste warten, bis ich erwachsen wurde, um sie kaufen und anziehen zu können. Jetzt bin ich erwachsen und nehme sie überall mit hin. Ach so, und dann habe ich noch meine Tattoos. Zum Beispiel das hier auf meinem Oberarm, das ist ein Gedicht von dem Bruder meines Urgroßvaters, das er in den 40er oder 50er Jahren gedichtet hat. Meine Urgroßmutter hat es mir immer vor dem Einschlafen vorgesagt. Ich trage mit den Tatoos ein bisschen von meiner Familie bei mir.“ ***
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Alexandra Stölzle, 22, studiert Internationale BWL und Marketing. Sie stammt aus Michigan.
„Mein Vater ist aus Deutschland und somit spreche ich schon mein ganzes Leben lang Deutsch. Hier bin ich für ein Austauschsemester und ich wählte München wegen der Größe, da ich bis jetzt immer nur auf kleineren Schulen in kleineren Städten war. Und ich muss sagen, mir gefällt es sehr gut. Ich vermisse meine Familie nur ein bisschen, was aber vielleicht auch daran liegt, dass ich Verwandte in Stuttgart habe, die ich ab und zu besuche. Manchmal vermisse ich die Seen von Michigan. Das Einzige, was mich gerade in meinem Zimmer an Zuhause erinnert, ist mein Kuscheltier. Meine Mutter hat es mir gegeben als ich zehn Jahre alt war. Je eines hatte sie meinen drei Nichten geschenkt und ich war eifersüchtig und wollte auch so eins haben. Seitdem ich es habe, nehme ich es immer überall hin mit.
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Xu Dang u Fung, 23, studiert Informatik. Sie stammt aus China und lebt seit fünf Jahren in Deutschland.
„Ich bin seit zwei Wochen in München, aber ich habe schon vorher in einer kleinen Stadt bei Göttingen gelebt. Alle zwei Jahre fahre ich nach Hause, nach China. Gerade eben war ich wieder dort und es war richtig schön. Zuhause ist einfach wichtig, wegen des Essens, der Freunde und der Familie. Wenn ich Zuhause bin, fühle ich mich wohl und habe keine Sorgen. Irgendwann möchte ich wieder in meiner Heimat leben. Bevor ich aber zurück gehe, möchte ich noch ein bisschen Berufserfahrung in Deutschland sammeln.
Mit meiner Familie telefoniere ich ungefähr zweimal die Woche. Aber das Telefon und auch das Internet kann die Heimat nicht ersetzen – das in die Augen schauen kann nie ersetzt werden. Deswegen glaube ich auch, dass kein Ort meine eigene Heimat ersetzen kann.
Von Zuhause habe ich einen Reiskocher mitgebracht, den ich aber gerade nicht bei mir in München habe. Als ich kürzlich Zuhause war, habe ich chinesische Zahnpasta und Kräuter mitgebracht, die es in Europa nicht gibt. Und sonst? Habe ich noch zwei Bilder von zu Hause dabei. Bilder meiner Familie!
Text: evi-lemberger - Fotos: el