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Zehn Schritte zur Rettung der Welt

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1. Um einen katastrophalen Klimawandel zu verhindern, müssen die Klimagasausstöße global strikt begrenzt und dann pro Kopf auf die Menschheit gleich verteilt werden. 2. Die Pro-Kopf-Marge müßte bei etwa 1,5 Tonnen Kohlendioxidäquivalenten pro Person und Jahr liegen – also über dem aktuellen Treibhausgasausstoß der meisten Entwicklungsländer, aber weit unterhalb des bisherigen westlichen Pro-Kopf-Ausstoßes. 3. Wenn dann westliche Länder mehr Treibhausgase ausstoßen wollten, müssten die westlichen Staaten südlichen Ländern Emissionsrechte, die diese durch den geringeren Treibhausgasausstoß ihrer Bürger nicht benötigen, abkaufen. 4. So würde neben dem Klimaschutz auch das zweite globale Megaproblem angegangen – die globale Armut (nicht die Finanzkrise). 5. Man muss nicht gleich bei einer Begrenzung von 1,5 Tonnen CO2-Ausstoß pro Kopf weltweit anfangen, sondern kann sich diesem Wert auch in mehreren Schritten annähern. Allerdings nicht erst bis 2050! Dies und die Festlegung von Höchst- und Mindestpreisen für die Emissionsrechte sichern die Machbarkeit. 6. Die Entwicklungsländer sollten erst mit einigen Jahren Verzögerung in das globale Klimaschutzsystem einbezogen werden. 7. Auch die ebenfalls klimaschädlichen Sektoren Landwirtschaft und grenzüberschreitender Luft- und Schiffsverkehr müßten einbezogen werden; ebenso wie die Entwaldung, etwa im Regenwald. 8. Eine globale Institution müsste das Recht erhalten, die Emissionsreduktionen zu überwachen und notfalls mit einschneidenden Sanktionen durchzusetzen. 9. Die nach dem Staaten-Emissionshandel etwa in der EU vorhandene, nach und nach sinkende Menge an Emissionsrechten müßte dann mittels eines umfassenden innereuropäischen Emissionshandels unter den Primärenergieverwendern (beispielsweise Strom- und Öl-Unternehmen) weiterverteilt werden; der jeweilige „Erstverwender“ der Energie dürfte also Treibhausgase nur noch ausstoßen, wenn er Emissionsrechte besitzt. 10. Die Primärenergieunternehmen würden die Emissionsrechte beim Staat beziehungsweise bei der EU ersteigern müssen und diese Kosten gleichmäßig über Produkte, Strom, Wärme und Treibstoff an die Endverbraucher weitergeben. Umgekehrt würde die EU die Versteigerungs-Einnahmen pro Kopf an alle EU-Bürger verteilen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Im polnischen Posen wird seit heute über die „Fortführung“ des Kyoto-Protokolls zum globalen Klimaschutz verhandelt, die Ende 2009 in Kopenhagen beschlossen werden soll. Doch Kyoto war kein Anfang, sondern eher ein Nichts. Die Industrieländer stagnieren im Klimaschutz – und selbst dies nur dank der Industriezusammenbrüche 1990 in Osteuropa. Die Schwellenländer wie China oder Indien unterliegen gemäß Kyoto (anders als die westlichen Länder) erst gar keinen Reduktionsverpflichtungen. In der Folge sind weltweit die Klimagasemissionen seit 1990 um rund 40 Prozent gestiegen. Und die neueste Klimaforschung zeigt, dass wir bisher noch viel zu optimistisch waren: Der Klimawandel kommt schneller und drastischer, als die schlimmsten Prognosen vorhergesagt haben. Eine Reduktion auf „vielleicht zwei Tonnen Treibhausgasausstoß pro Person bis 2050 oder später“, wie sie manche fordern, wird nicht genügen. Posen wird Kyoto wohl leider treu bleiben: Zu lasche Ziele, zweifelhafte oder gar keine Sanktionen im Falle der Zielverfehlung, zu viele Schlupflöcher, zu wenig Geld gegen die globale Armut, die durch den Klimawandel noch verschlimmert wird. Genau die gleichen Planungsfehler stecken bereits im (schon existierenden) EU-Emissionshandel zwischen Unternehmen. Das eingangs des Textes vorgestellte Konzept dagegen zwingt zu mehr Klimaschutz: So fördert man Energieeffizienz und erneuerbare Energien und eine langfristig sichere Energieversorgung. Denn westliche Länder würden nur teilweise Emissionsrechte kaufen; sie würden durch die sinkende Gesamtmenge an Emissionsrechten nach und nach stärker auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien setzen. Nach und nach täten das auch die Entwicklungsländer. So beendet man auch den globalen Wettlauf um die niedrigsten („wirtschaftsfreundlichsten“) Klimastandards, den unsere Bundesregierung trotz aller Klimarhetorik mitmacht. Der Plan wäre auch ökonomisch zwin-gend nötig, allein schon wegen der sonst drastischen Kosten des Klimawandels. Und auch kurzfristig sind mehr Energieeffizienz und erneuerbare Energien ökonomisch oft vorteilhaft: Man fördert neue Technologien, fördert neue Wirtschaftszweige und macht sich von Energieimporten und damit von drastisch steigenden Öl- und Gaspreisen unabhängig – das beste Beispiel ist die Wärmedämmung von Gebäuden. Der Emissionshandel führt ferner dazu, dass Klimaschutz dort betrieben wird, wo er am kostengünstigsten ist. Dass der Westen durch den Emissionsrechtekauf Geld an den Süden zahlen muss, ist gerecht. Denn pro Kopf emittiert ein Europäer immer noch ein Vielfaches mehr als ein Chinese oder Afrikaner – denen man einen gewissen Klimagasausstoßzuwachs gerade zugestehen müßte, um die drückende Armut auf der Südhalbkugel zu überwinden. Außerdem werden die Südländer – und künftige Generationen – die Hauptopfer des Klimawandels sein, den primär wir Westler verursacht haben. Aus letzterem Grund sollten die Entwicklungsländer auch verzö-gert in das System einsteigen dürfen. Zugleich würde ein ganz neu gestrickter EU-Emissionshandel im Westen soziale Verwerfungen verhindern: Der Ökobonus ist ja pro EU-Bürger gleich hoch. Und wer wenig Energie und Produkte konsumiert (also gerade die sozial Schwächeren), bekommt die weitergegebenen Kosten des Emissionshandel nur wenig zu spüren. Der sozial Schwache verliert also nichts – anders als der sprichwörtliche Geländewagenfahrer. Energie bleibt so für jeden bezahlbar. Eine starke globale Institution müßte dafür sorgen, dass das Geld bei den Menschen ankommt und nicht bei irgendeiner afrikanischen Diktatorenfamilie. Die Bildung von starken globalen Organisationen verlangt aber einen Abschied von der nationalstaatlichen Politikebene, auf die Bürger und Medien immer noch starren – und auf der die Politiker keine Macht abgeben möchten. Deshalb wird mit Sicherheit gleich nach der Klimakonferenz weiter darüber geredet werden, wie Deutschland „Weltspitze bei Wirtschaftswachstum und Konsum“ wird. Und auch wenn der bisherige westliche Konsumstil weder dauerhaft noch global lebbar ist: Direkt nach Posen werden wir wieder über die Urlaubswoche in Madeira nachdenken. Energiesparbirnen, weniger Unterhaltungselektronik und saisonal-regionales Essen werden uns zu unbequem oder zu teuer erscheinen (wobei letzteres oft einfach falsch ist). Und unsere Selbstentfaltung im Hier und Heute wird uns wieder viel wichtiger erscheinen als das Leid im Süden oder von künftigen Generationen. Aus all diesen Gründen haben unsere Politiker Angst, eine anspruchsvolle Klimapolitik zu machen – die durch den Finanztransfer auch für die südlichen Länder akzeptabel wäre. Der Autor unseres Gastbeitrags, Professor Felix Ekardt, ist Jurist, Philosoph und Soziologe an der Universität Bremen. Er hat bei C.H.Beck 2007 das Taschenbuch „Wird die Demokratie ungerecht?“ veröffentlicht.

Text: felix-ekardt - Foto: photocase.de/zettberlin

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