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Mein Qualitätsanspruch? Kommt aus einem furchtbaren Schamgefühl!

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Und dann war Dendemann wieder weg. Gut vier Jahre lang. Man kennt das von dem Rapper inzwischen: Er veröffentlicht ein Album, das der Szene wie im Vorbeigehen neue Standards an Intelligenz, Wortwitz und Reimtechnik hinlatzt, tourt ein bisschen – und verschwindet wieder. Jetzt kommt er ins Fernsehen. Als musikalischer Leiter der Showband von Jan Böhmermanns Sendung „Neo Magazin Royale“, die ab Donnerstag wöchentlich bei ZDF Neo (22.15 Uhr) und jeweils einen Tag später im ZDF (0 Uhr) läuft. Ein Telefonat.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dendemann: Guten Tag, Dendemeier hier.

jetzt.de: Guten Tag. Vorab eine schnelle Frage. Liegt es an einem Nord-Süd-Gefälle in der Wahrnehmung, dass wir uns hier gefragt haben: Wo war der eigentlich schon wieder die ganze Zeit?

Nein, nein. Das höre ich überall. Das findet ihr spannend, nicht wahr?

Sehr. Und: Wo?

Ich finde es sehr amüsant, dass das für alle so ein riesiges Geheimnis ist, was ich die ganze Zeit mache. Deshalb habe ich mir vorgenommen, es auch als Geheimnis zu bewahren.

Aber es hat schon auch mit Müßiggang zu tun, oder?

Na ja, ich habe schon jedes Jahr Festivals gespielt. Das mache ich einfach zu gerne, um es ganz bleiben zu lassen. Und ansonsten habe ich ganz schön viel Musik gemacht. Aber eben nichts, das ich dann unbedingt teilen wollte.

Weil’s dir nicht gut genug war?

Weil’s da noch lang nicht um gut oder schlecht geht. Ich finde es einfach geil, mal ein Jahr lang Beats zu machen. Einfach so, ohne drüber nachzudenken, was damit passiert. Ich weiß schon, das ist bestimmt unzeitgemäß und auch unprofessionell für jemanden, der seine Stärken wohl eher im Texten hat. Aber das ist mir egal. Ich bin doch nicht Künstler geworden, um mich jetzt damit kaputtzumachen. Ich kann doch auch mal frei haben. Also: Ja, es ist der totale Müßiggang hin und wieder. Aber ich bin ja auch nur von Strebern umgeben. Gut möglich also, dass das auch eine Trotzgeschichte ist.

Es wundert etwas, dass du ausgerechnet in einer Fernsehsendung wieder auftauchst. Bei den Interviews, die du zum letzten Album gegeben hast, sah man doch sehr oft einen, nun ja, semimotivierten Gesprächsgast. Man merkte, dass du dich im Fernsehen eigentlich nicht sehr wohl fühlst.

Ja, die Sachen, die man von der letzten Rutsche findet, die sind schon auch wirklich sehr . . . nun ja, sagen wir so: Ich bin da selbst nicht glücklich mit. So sehe ich mich auch nicht. Aber zumindest damals habe ich mir eben wahnsinnig schwer getan mit vielen Formaten. Ich habe eh schon bestimmt 90 Prozent der Anfragen abgelehnt.

Warum?

Weil’s einfach verlogener Dreck ist. Nur Sendezeit ist für mich keine Plattform.

Was ist jetzt anders?

Jetzt passt die Konstellation einfach: Jan wurde vom ZDF eingekauft, für genau das, was er ist. Und er sollte sich Gedanken drüber machen, wie seine Sendung aussehen soll. Und er hat mich geholt, für genau das, was ich bin. Das hört sich vielleicht banal an, aber genau darum geht es mir eben: Wir sollen das machen, was wir immer machen.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel sollte ich mit meiner Band – übrigens die Jungs, mit denen ich seit Jahren toure – einen Titelsong schreiben, der genau so ist wie unsere Musik – eher sogar noch ein bisschen doller. Das ist alles so nah an dem Job, den ich eh schon mache, dass ich mich jetzt schon richtig wohlfühle. Ich habe da gerade einfach ein wahnsinnig gutes Gefühl. Und ein für mich selbst beinahe verwirrendes Selbstbewusstsein. Ich spüre einfach, dass wir da was richtig Gutes machen können!

Wie wird das konkret aussehen?

Vor allem sehr spontan. Deshalb kann ich eigentlich gar nichts Konkretes sagen. Aber das grundsätzliche Vorbild der Sendung ist uns allen ja klar: Jimmy Fallon und The Roots. Die musikalischen Beiträge bei denen reichen von „Wir spielen eine eigene Version des aktuellen Songs eines Gastes“ bis hin zu „Wir spielen mit Mariah Carey ein Weihnachtslied auf Kinderinstrumenten“. Ungefähr so ist das bei uns auch gedacht. Und wenn wir dann einen schönen Plan haben, werden Jan oder die Redaktion vermutlich anrufen und alles umwerfen, weil sie sagen: „Was hältst du eigentlich davon, wenn wir stattdessen Folgendes machen ...?“

Und dann?

Müssen wir eben spontan drauf reagieren. Wenn wir in all den Jahren was gelernt haben, dann wohl das.

Hat das ZDF euch inhaltlich eigentlich irgendwelche Leitplanken eingezogen?

(lacht) Ich fürchte nicht. Tatsächlich habe ich sogar das Gefühl, dass die richtig Lust auf Jan haben und darauf, dass er da mal etwas Stress macht. Das ist schon beachtlich. Und noch ein Grund, warum ich echt richtig Bock habe.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Würdest du sagen, du hast bislang bewusst Entscheidungen getroffen, die den großen kommerziellen Erfolg verhindert haben?

Du meinst, dass große Sachen nicht passiert sind, weil ich mittelgroße abgelehnt habe?

 

Zum Beispiel.

Nein. Und es nervt mich auch, wenn Künstler sich hinstellen und weinen, dass die Spießer sie komisch finden und sie deshalb nicht zu großen Veranstaltungen eingeladen werden. Was ich mache, ist eben eigen. Damit kann nicht jeder was anfangen. Aber ich find’s eben gut und richtig. Das ist mein Verständnis von Qualität. Ich kann nichts anderes machen.

 

Woher kommt dein Qualitätsanspruch?

Aus einem ganz furchtbaren Schamgefühl bei meinen ersten Auftritten. Ich erinnere mich noch gut dran, auf einer Bühne zu stehen und zu merken: Da war wohl einer ein bisschen früh zufrieden zu Hause. Das hakt ja total. Sinn ergibt es auch nicht. Und der Reim ist auch noch total scheiße. Das hat einen Kontrollfleiß ausgelöst, aus dem heraus ich jetzt auch die kleinste Silbe noch mal und noch mal schiebe und feile.

 

Das wiederum klingt nicht nach entspanntem Künstlerdasein.

Nicht ein bisschen. Aber es ist die einzige Möglichkeit, Texten eine lange Gültigkeit zu geben.

 

Wann ist ein Text für dich gut?

(überlegt lange) Viel interessanter finde ich, dass sich mein Textanspruch langsam in der Szene durchzusetzen scheint. Seit noch gar nicht so langer Zeit sehe ich jedenfalls immer mehr MCs, die diese Werte in ihrer Musik leben: vielsilbig gereimt, möglichst mit einem geistreichen Vergleich und bestenfalls noch einem humoristischen Ansatz. Da muss ich mir fast schon wieder eine neue Nische suchen, so verbreitet ist das gerade.

 

Das klingt jetzt beinahe wehmütig.

Nein, ich finde das toll. Das waren Ansprüche, die ich nicht nur an mich gestellt habe. Ich habe ja auch den anderen vorgeworfen, schlampig in ihrer Arbeit zu sein. Und jetzt sitze ich da und muss echt staunen, wie viel sich getan hat. Das heißt für mich: Noch mal Arschbacken zusammenkneifen!

 

Du willst also schon noch der Beste sein.

Das Konkurrenzdenken ist zurückgegangen. Ich möchte lieber für mich Sachen ausbügeln, die mir bei mir noch nicht gefallen. Nach der ruppigen letzten Platte erwarte ich zum Beispiel wieder was Eleganteres von mir in meiner Vocal-Performance.

 

Ganz kurz stand auf deiner Homepage: „Schönes neues Jahr, schönes neues Album“.

Stimmt.

 

Da kommt also was?

Ich habe das auf die Seite geschrieben, um diese Frage zu beantworten, bevor sie gestellt wird.

 

Jetzt steht es nicht mehr auf der Seite.

Angedacht ist es trotzdem noch. Aber ihr wisst ja, dass ich gerade auch was anderes zu tun habe (lacht). Wenn ich also merke: Da geht im aktuellen Projekt noch mal was, werde ich daran auch weitermachen, so lange ich will.

 

Text: jakob-biazza - Fotos: Ben Knabe/ZDF

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