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Crying in the U-Bahn - der Tränen-Ticker

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Das letzte Mal völlig hemmungslos in aller Öffentlichkeit geweint habe ich als 15-Jährige in der U-Bahn auf dem Weg ins Schwimmbad. Ich war von einem Jungen versetzt worden und hatte akut das Gefühl, meine Welt sei zusammengebrochen. Und so heulte ich Rotz und Wasser und betrachtete mich dabei im Spiegelbild des Fensters, woraufhin ich mir gleich noch mal ein bisschen mehr leid tat, und noch ein bisschen mehr weinen musste. Ein echter Teufelskreis, dem ich nur deshalb entkam, weil ich irgendwann aussteigen musste.
Glücklicherweise waren all meine Mitreisenden diskret genug, um mir in Ruhe meinen Mini-Nervenzusammenbruch zu lassen (der sich selbstverständlich nach zwei Tagen von selbst erledigt hatte, als ich in alter Schnellmerker-Manier feststellte, dass der Knabe gar nicht so super war wie ursprünglich angenommen).  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Seitdem war ich immer wieder in Situationen, in denen ich beinahe auf der Straße geweint hätte, auf irgendwelchen Klos von Bars oder Kaufhäusern meine Tränen mit Klopapier trocknete oder fluchtartig nach Hause radelte, um nicht von Fremden dabei erwischt zu werden, wie ich die Fassung verliere.  

Melissa Febos hat in der New York Times darüber geschrieben, wie es ist, im coolen New York auf offener Straße zu weinen und welche Reaktionen das bei ihren Mitmenschen hervorruft. Für sie ist es befriedigend, wenn sie auch in ihrer Trauer wahrgenommen wird, solange sie dabei nicht unterbrochen wird.  

Wie ist das bei dir? Bist du ein Freund öffentlicher Gefühlsausbrüche? Wie reagierst du, wenn dein Sitznachbar in der U-Bahn auf einmal weinen muss? Wurdest du schon von wildfremden Menschen getröstet? Wie viel Privatsphäre sollte man anderen Menschen in der Öffentlichkeit lassen?     


Text: christina-waechter - Foto: benicce / photocase

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