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Du Drückeberger!

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Gestern passierte dasselbe wie jeden dritten Tag: Mit einem dumpfen „Mmmpf“ klemmte sich meine Fahrradkette zwischen Gangschaltung und dieses silberne Dingsda, dessen Name mir schnurzpiepegal ist. Eigentlich lasse ich mir in dieser Situation vom nächstbesten Fußgänger helfen. Weil diesmal niemand kam, um mich aus meiner Not zu erlösen, versuchte ich es selbst. Zwei Minuten später saß ich mit stolz gestreckter Wirbelsäule und Kettenschwärze an den Händen wieder auf dem Sattel. Ich kann das also ganz alleine.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Fahrrad reparieren? Könnt' ich selbst. Will aber nicht.

Warum wusste ich das bisher nicht? Obwohl ich mich für einen einigermaßen kompetenten Menschen halte, habe ich im Kettendebakel regelmäßig schon vor dem Probieren aufgegeben. Meine Selbstdiagnose: Ich leide unter der chronischen Drückeberger-Krankheit – denn die macht das Leben so wunderbar leicht. 

Nach einer kleinen Aufräumaktion habe ich in meinem Unterbewusstsein eine ganze Schulbade voller Drückebergerstrategien gefunden. Mein Favorit: Dank erneuter grobmotorischer Bestleistung in der WG-Küche von der Mitbewohnerin die Kartoffeln geschält bekommen. Inzwischen weiß ich auch, wie weit die heimtückische Krankheit verbreitet ist. In unserer Redaktion voller erwachsener Menschen gibt es zum Beispiel einen Kollegen, der nicht tanken kann, weil er gar nicht tanken will. Mama macht das dann. Dagegen finde ich das übliche Papierkram-Abschieben (Steuer, Arbeitsvertrag, BAföG) oder diverse computerbezogene Papa-Dienste ziemlich Standard.

„Ich mache ab jetzt alles selbst“ habe ich mir auf dem Nachhauseweg vorgenommen. Schließlich fühlte ich mich als hätte ich gerade das erste Fahrrad der Welt zusammengehandwerkt – und sah dank Kettenschwärze auch so aus. Sofort wollte ich mir einen Virenschutz installieren und mit meiner ersten eigenen Steuererklärung beginnen. Hab ich natürlich nicht gemacht. Schon zum Abendessen landeten die guten Vorsätze gemeinsam mit den Kartoffelschalen im Restmüll. Ist doch schön, wenn einem von lieben Menschen geholfen wird.  

Jetzt aber zu dir, du Drückeberger: Wann lässt du lieber die Anderen für dich machen? Was wirst du nie lernen, weil du gar nicht willst? Bist du damit genauso erfolgreich wie ich? Und wenn ja: Wer hilft dir dabei, mit dieser Strategie durchzukommen?

Text: daniela-gassmann - Foto: mistify / photocase.de

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