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Dürfen Bands politisch sein?

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Billy Bragg ist der Größte für mich. Wenn jemand zum ersten Mal in meine Wohnung kommt, ziehe ich ihn schon bald zu den Plattenregalen, um ihm die Ecke mit Braggs Alben zu zeigen. Ich habe sie alle, und ich bin stolz darauf. Für Braggs Konzerte fahre ich quer durch Deutschland. Ich habe meine Magisterarbeit über ihn geschrieben. Der Brite mit der großen Nase ist mein Star. Er kann nicht besonders toll singen, konnte er noch nie. Aber für mich sang und singt er ganz wundervoll. Über Mädchen, über Liebe, über Leiden. Über England. Über Politik.

In den 80er Jahren war Bragg ein echter Pop-Held auf der Insel, nicht nur, weil er so gute Lieder hatte, sondern vor allem, weil er es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Margaret Thatcher zu stürzen. Er verachtete die damalige britische Premierministerin der Conservative Party. Er war so sehr gegen sie, dass er sich dazu hinreißen ließ, die Labour Party zu unterstützen, Events für sie zu organisieren, für sie zu singen, sogar den wegen Thatchers Politik streikenden Bergarbeitern ein Soli-Ständchen zu singen. Der Polit-Prozess in Braggs Musik hielt an. So lange, bis Thatcher 1990 zurück trat. Wenn ich Braggs Songs heute höre, verliere ich mich noch immer darin. Aber ich denke auch nach. Ich denke: Sollte ein Musiker auch politisch sein? Sollte er die Bühne, auf der er wegen seiner Lieder steht, ausnutzen, um Politik zu machen? Ich frage mich: Darf der das? Und: Was bedeutet das für mich als Fan? Sollte ich die politischen Lieder meines Lieblings einfach nicht hören? Oder verschließe ich mich damit vor dem Gesamtkunstwerk?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Auch deshalb mache ich mir jetzt wieder Gedanken darüber, weil in diesen Wochen eine andere Lieblingsband politisch wird: Franz Ferdinand. Die tritt am 14. September zusammen mit Mogwai, Frightened Rabbit und Eddie Reader bei der „A Night For Scotland“ in Edinburgh auf. Der Slogan auf Plakaten zur Veranstaltung: „Join us in the final push for an new Scotland.“ Die Schotten dürfen am 18. September über ihre Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich abstimmen. Ein Referendum, das Franz Ferdinand als schottische Band mit ihrer Edinburgh-Show beeinflussen wollen. Sie unterstützen die Unabhängigkeits-Kampagne. Auf eine Interviewanfrage kam von der Plattenfirma Franz Ferdinands nur die Rückmeldung, die Gruppe zeige sich nicht bereit, ein Statement bezüglich ihres Engagements abzugeben. Macht letztlich nichts: Ihr Konzert ist Statement genug und Franz Ferdinand eine weitere Gruppe, die ihre Berühmtheit für politische Zwecke nutzt. Übrigens gibt es in dieser Sache auch prominente Gegenstimmen. Unter anderem ruft Alt-Beatle Paul McCartney zum Verbleib Schottlands im vereinigten Königreich auf.

Also noch mal: Sollten Musiker sowas machen? Sollten sie auch ein Stückweit politisch sein, wenn sich die Chance dazu bietet? Und wenn ja: Sind sie überhaupt glaubwürdig? Kurz: Musiker und Politik – ergibt das irgendwie Sinn?

Text: erik-brandt-hoege - Bild: dpa

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