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Bucherfolge lassen sich in der Regel schwer kalkulieren. Für Januar 2015 kann man jedoch davon ausgehen, dass ein Buch wie eine Bombe auf dem Buchmarkt einschlagen wird: Adolf Hitlers „Mein Kampf“. 70 Jahre nach dem Tod des Autors enden die Urheberrechtsansprüche an einer der erfolgreichsten Hetzschriften des 20. Jahrhunderts, die im Moment noch der Freistaat Bayern hält. Nach 2014 sind komplette Nachdrucke des umstrittenen Buchs möglich. Jeder Verleger kann dann eine Version des Pamphlets veröffentlichen, riskiert dabei aber eine Anklage wegen „Volksverhetzung“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Früher stand "Mein Kampf" in vielen deutschen Haushalten. Heute kennt kaum jemand einen Satz aus Hitlers Propagandaschrift. Gut so?

Das Münchner Institut für Zeitgeschichte will unseriösen Veröffentlichungen zuvorkommen und arbeitet seit einigen Jahren an einer kommentierten Edition, die Hitlers literarisches Hauptwerk wissenschaftlich aufarbeitet. Bisher hat der Freistaat dieses Vorhaben mit einer halben Million Euro unterstützt, nun aber überraschenderweise, gegen das Votum des Landtags, weitere Förderung abgesagt. Der Grund: Das Buch sei volksverhetzend. Eine Wiederauflage könne den Betroffenen nicht zugemutet werden. „Mein Kampf“ geschmückt mit dem bayrischen Staatswappen? Für Ministerpräsident Seehofer und Kultusminister Spaenle (beide CSU) plötzlich unvorstellbar. Die Münchner Forscher machen auch ohne staatliche Fördergelder von ihren Recht auf Wissenschaftsfreiheit Gebrauch und arbeiten weiterhin an einer bearbeiteten Neuauflage.

Neue Erkenntnisse erwarten sich die Wissenschaftler jedoch nicht. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Buch wird wohl keine neuen Informationen, die nicht aus Erlässen, Anordnungen oder Reden Hitlers bekannt wären, zu Tage fördern. Im Gegenteil gelte es eher den Mythos zu entschärfen. Hitlers Legende fußt zwar auf seiner Überzeugungskraft, doch junge Menschen entgegnen dem Duktus von Hitlers Sprache meist befremdet.

Kann Hitlers Machwerk des Hasses dennoch ein gefährliches Potential entwickeln, wenn es in Deutschland wieder in Umlauf kommt? Ist Zensur nicht doch besser als Aufklärung? Oder ist die ganze Debatte lächerlich – schließlich ist „Mein Kampf“ schon jetzt auf den englischsprachigen Bestsellerlisten von Amazon, Apple und Co. Leben wir in einer mündigen Gesellschaft, die ein Recht auf ein historisches Dokument hat? Oder ist die Gefahr, dass verfassungswidrige Organisationen das Buch als Propagandamittel einsetzen, so hoch, dass man sich dagegen aussprechen sollte? Was meinst du? Was kann eine Neuauflage von „Mein Kampf“ leisten – und was nicht?

Text: julian-schmitzberger - Foto: dpa

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