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Guck mal, die Nachbarn. Der Fenster-zum-Hof-Ticker
Wenn ich aus meinem Küchenfenster schaue, kann ich direkt in den Gemeindesaal einer katholischen Stadtkirche sehen. Der Gemeindesaal der katholischen Kirche kann auch direkt in meine
Küche sehen, was mich gelegentlich etwas beschämt. Der Gemeindesaal selber hat selten Grund, sich zu schämen, dort geht es recht gesittet aber auch nicht wenig unterhaltsam zu: Mittwochs ist so eine Art Tai-Chi-Abend, wo sockige Menschen in Straßenkleidung ganz langsame Bewegungen machen. Besser ist am Donnerstag der wöchentliche Seniorentanz, manchmal schalte ich in dazu meiner Küche das Licht aus, sehe den alten Herrschaften beim Tanzen zu und muss dabei ganz oft das sehr schlimme Wort „Schwofen“ denken, aber genau solche Gesichtsausdrücke machen die dann da drüben, schwofige, gutgelaunte Gesichter. Manchmal ist auch Kinderklamotten-Flohmarkt, dann stehen die Mütter nach einer Stunde auf der Terrasse und rauchen oder schieben Kuchen ein, während die Kinder den Gemeindesaal auseinandernehmen und die Väter unablässig und in zweiter Reihe parkend von vorne immer neue Kisten mit Kinderklamotten nachliefern. Das ist das Küchenfenster.
Von meinem Schreibtisch aus sehe ich auf ein kleines, geducktes Häuschen, in dem nur zwei Wohnungen sind. In der einen sitzen alte Menschen vor einem riesigen Fernseher und zwar jeden Abend pünktlich ab halb acht. Der Fernseher ist so groß, dass ich auch über die Straße weg problemlos den Krimi angucken kann, während ich eigentlich am Schreibtisch sitze und schreiben will. Die andere Wohnung bewohnt eine junge Frau, die vielleicht ein bisschen unglücklich ist, jedenfalls denke ich das, ohne es genau begründen zu können. Sie duscht jeden Abend, und zwar so zwischen acht und neun Uhr, das merke ich, weil sich ihr Badezimmerfenster beschlägt und sie es eine halbe Stunde später mit einem Handtuchturban auf dem Kopf aufreißt. Dann sieht man in ein sehr sauberes Badezimmer, das die junge Frau mit hektischen Bewegungen noch mal putzt und abwischt und dann geht das Licht aus und die Frau ins Bett, jedenfalls ist es dann immer ganz dunkel in der Wohnung. Klingt ein wenig unglücklich, oder?
Was siehst’s du, wenn du aus deinem Fenster guckst? Welche Geschichten hast du dir von der Nachbarschaft zusammengereimt? Welche Rituale spielen sich in den anderen Wohnungen ab und was beobachtest du am liebsten?
Text: max-scharnigg - Foto: dpa