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"Guten Tag, wir möchten mit Ihnen gerne über Politik sprechen."

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Mehr zuhören und weniger selber reden, nicht länger als drei Minuten bleiben und auf keinen Fall während der Sportschau oder nach der Dämmerung klingeln. Auch Kaugummis, Zigaretten und Sonnenbrillen sind tabu. Diese Verhaltensregeln für Hausbesuche sind nicht etwa die neuen Leitlinien für missionierende Zeugen Jehovas, sondern Tipps für Wahlkampfhelfer der SPD. Die will bis zur Wahl nämlich fünf Millionen unentschlossene Wähler direkt an der Haustür überzeugen. Seit März werden schon eifrig Klinken geputzt. Neben Infozetteln und Wahlempfehlungen verteilen die freiwilligen Türklingler Kugelschreiber, Lutscher, Brausepulver und Flaschenöffner mit dem sinnigen Spruch: "Das Bier entscheidet." Die Idee zu Letzterem stammt übrigens von den Jusos.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Katharina Schulze von den Grünen beim "Canvassing" in München.

Organisiert hat den Tür-zu-Tür-Wahlkampf die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Sie war zu Besuch bei den Demokraten in den USA, als Barack Obama 2012 nicht zuletzt mithilfe dieser Strategie die Präsidentschaftswahlen gewann. "Wir müssen direkt auf die Wähler zugehen, wenn wir sie zurückgewinnen wollen", sagte Nahles bei der Kampagnenvorstellung im März. Neu ist dieses Konzept auch in Deutschland nicht. Schon Willy Brand zog seiner Zeit smalltalkend durch die Vorgärten und Hausflure der Republik. Nur die Dimension ist neu. Um fünf Millionen Haushalten einen Besuch abzustatten, braucht es schon ein paar Leute mehr.

Wohl, weil diese Bezeichnung ein bisschen schäbig und unseriös klingt, und "Tür zu Tür" so umständlich, wird auch hierzulande vermehrt der englische Ausdruck „Canvassing“ benutzt. Was zu deutsch so viel wie "Kundenfang" oder "Stimmenwerbung" bedeutet. Auch andere Parteien haben diese Form von Nah-Wahlkampf  in den vergangene Monaten für sich entdeckt. Unter dem Motto "Grün klingelt" ziehen auch Kandidaten und Helfer der Grünen durch bayerische Wohnbezirke. Klarer Vorteil zum schnöden Infostand in der Fußgängerzone: Die potenziellen Wähler können nicht einfach weglaufen.

Was hältst du vom Klinkenputzen der Parteien? Hat bei dir schon ein "Canvasser" vorbeigeschaut? Würdest du dich mit einem Wahlkampfhelfer oder Politiker unterhalten oder ihm gleich wieder dir Tür vor der Nase zumachen? Freust du dich über Infos und Kugelschreiber frei Haus oder findest du solche Aktionen einfach nur nervig und sinnlos?

Text: paulina-hoffmann - Foto: Stephan Rumpf

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