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Protest mit Unterwäsche-Werbung - geht das?

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Am 21. März 2012 trat die russische Protest-Band Pussy Riot in der orthodoxen Christ-Erlöser-Kirche in Moskau auf, mit einem „Punk-Gebet“ gegen Putin und die enge Verbindung von Kirche und Staat in Russland. Drei Mitglieder wurden daraufhin verhaftet und wegen „Rowdytum“ und „religiösem Hass“ zu je zwei Jahren Straflager verurteilt, nur eine der Frauen wurde mittlerweile auf Bewährung wieder freigelassen.

Sowohl die Festnahme als auch das Verfahren und das Urteil gegen die drei Frauen wurden von großer Medienaufmerksamkeit und weltweiter Kritik begleitet. Amnesty International und führende europäische Politiker verurteilten die harte Strafe und Stars wie Madonna, Yoko Ono, Sting und die Red Hot Chilli Peppers zeigten sich solidarisch mit der Gruppe. Im vergangenen Herbst wurden Pussy Riot sogar auf einer Modenschau gefeiert: Das Modelabel Gerlan Jeans schickte die Models mit bunten Sturmhauben, dem Markenzeichen der Band, auf den Laufsteg.

In Sachen Mode und Solidarität hat der Berliner Ableger des Unterwäsche-Labels „blush“ in der vergangenen Woche noch eins draufgesetzt. Zum ersten Jahrestag des Punk-Gebets haben sie einen Werbeclip gedreht. Bei Minusgraden läuft eine in aufreizende Unterwäsche gekleidete Frau mit pinker Sturmhaube und auf roten High Heels durch Moskau und hält auf dem Roten Platz ein „Free Pussy Riot“-Schild in die Kamera. Untermalt wird das Ganze mit dem wütenden Gesang von Peaches und Simonne Jones, die Putin anklagen und ebenfalls nach der Freiheit der Riot-Mädchen rufen. Zum Schluss, nach der URL freepussyriot.org, wird dann „supported by blush Lingerie“ eingeblendet. Die Beschreibung zum Video auf YouTube lautet:   „On the first anniversary of the Pussy Riot concert in the Cathedral of Christ the Savior, the Berlin based Lingerie label blush supports the free pussy riot movement with a sexy protest march through icy Moscow (-15° C). Support Freepussyriot.org!“ 

Der Clip hat für Irritationen gesorgt. Das Blog "Osocio", das sich mit sozialem Marketing und Non-Profit-Kampagnen beschäftigt, sieht ihn sehr kritisch. Einerseits, schreibt der Autor Tom Megginson, sei es natürlich legitim für ein Unternehmen, die "Free Pussy Riot"-Seite zu unterstützen, andererseits bewerbe es gleichzeitig ein Produkt, das die weibliche Sexualität als Köder nutzt. "Dies ist keine Femen-Aktion, bei der der weibliche Körper zur Protestwaffe wird. Es ist eine Werbung für sexy Unterwäsche, die sich ein radikal feministisches Anliegen aneignet und dafür bezahlt, indem sie auf eben dieses Anliegen verweist", so Megginson. Und dann stellt er die Frage: "Ist das Ironie?" Auch René Walter von "Nerdcore" ist skeptisch: "Ich bin mir nicht sicher (...) wie Sexy-Unterwäsche-Protest für die Freilassung durchaus radikaler Feministinnen passen soll", schreibt er. Auf dem Marketingportal Horizont.net wird blush allerdings gelobt. Diese Aktion sei "ernsthafter" und "gefährlicher" als die letzte, bei der das Label die eigenen Plakate von der betreuenden Werbeagentur mit dem "Free Pussy Riot"-Slogan besprühen ließ.

 

Auf vielen Blogs und Seiten wird über den Sinn und Unsinn dieser Werbung diskutiert. Und auch wir im Ticker wollen diese Frage zur Diskussion stellen: Ist der blush-Clip ein gelungener Protest und eine gute Unterstützung für Pussy Riot oder eignet sich das Label auf billige Art ein medienwirksames Ereignis an? Kann man feministischen Protest mit einem Video unterstützen, das gleichzeitig sexy Unterwäsche bewirbt? Und können Werbung und Protest überhaupt zusammengehen, ohne dass das Anliegen durch den Kommerz verfälscht wird?

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