Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Selbstbegegnung

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Sie saßen mir in der Bahn gegenüber. Zwei Mädchen. Die eine weinte und die andere versuchte sie wieder aufzumuntern. Vergeblich. Durch die Gesprächsfetzen der beiden schloss ich, dass jemand dem Mädchen gesagt haben muss, sie wäre nicht liebenswert, wirke aufdringlich und zu laut. Ich kann natürlich nicht einschätzen, ob dieser jemand tatsächlich Recht hat, doch an diesem Tag war sie nicht so. Geplagt von Selbstzweifeln, fing sie an, ihr ganzes Auftreten in Frage zu stellen. Sie glaubte den Äußerungen des Jemanden, wollte sich ändern. Als ihre Freundin versuchte auf sie einzureden, ihr zu sagen, dass das doch alles nur Quatsch wäre, winkte sie nur ab und stellte ihr eine Frage:

„Würdest du dich mögen, wenn du dir selbst begegnen würdest?“  

Kurz darauf stieg ich aus und vergaß die beiden Mädchen recht schnell. Doch diese Frage blieb irgendwie da, in meinem Kopf. Ich überlegte die ganze Zeit hin und her und auch noch heute beschäftigt sie mich. Würde ich mich mögen, wenn ich mich selbst kennenlernen würde? Ich weiß es nicht.  

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Vor meinem geistigen Auge erscheint dann immer diese Situation: Irgendwer nimmt mich mit zu meinen Freunden. Alle sind in diesem Raum und diskutieren über irgendwas. Sagen wir mal über Musik... Inmitten der Gruppe mein zweites Ich. Laut lachend, erzählend – so wie man sich nun mal verhält, wenn man sich in einer Gruppe wohlfühlt. 

Der erste Eindruck? Vielleicht fände ich mich anstrengend. Vielleicht sympathisch. Oder doch nervig? Die Frage ist doch, an was für Merkmalen ich normalerweise merke, dass ich jemanden auf Anhieb leiden kann oder nicht. Doch irgendwie gibt es da kein bestimmtes Muster. Okay, Wichtigtuer mag ich meistens nicht, aber ansonsten? Manchmal finde ich laute Menschen anziehend, Direktheit und Einzigartigkeit finde ich gut. Bei anderen stört mich aber auch wieder dieses Laute so sehr, dass ich genervt werde, sie für lächerlich halte. Und so ist das bei ganz vielen Charakterzügen. Bei den einen machen sie die Persönlichkeit aus, bei den anderen sind sie nur störend.  

Ob ich mich nun wirklich mögen würde, werde ich wohl niemals wissen. Damit mein Selbstbewusstsein nicht ganz einknickt, halte ich mich an dem Gedanken fest, dass ich mich zwar vielleicht am Anfang nicht direkt mögen würde, aber wenn ich mich dann erstmal besser kennengelernt habe, wahrscheinlich schon.  

Aber wie ist das bei dir? Stell dir vor, jemand würde dir dich selbst vorstellen: Was wäre dein erster Eindruck von dir? Was fändest du gut und was nicht? Würdest du dich mit dir anfreunden wollen? Oder würdest du dich durch deinen Charakter bedroht fühlen? 



Text: lena-niethammer - Foto: madochab / photocase.com

  • teilen
  • schließen