Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Von Musik und Moral

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Die Facebookseite ist gelöscht. Die offizielle Website auch. Auf Youtube sind unter jedem Musikvideo die Kommentare deaktiviert. Lostprophets haben sich zurückgezogen. So weit es geht, wenn man als Band dreieinhalb Millionen Alben verkauft hat und weltberühmt ist. Was bleibt, sind die Musikvideos, die Songs, die Produkte der Band.  

Und Fans, die diskutieren, was jetzt zu tun sei.

"Meine Mutter hat gesagt, ich soll die CDs verbrennen oder wegwerfen", schreibt Betty auf Facebook.

"Der Hurensohn", schreibt Angeles.

"Egal was er gemacht hat", schreibt Dan, "er war ein herausragender Sänger."

Ian Watkins, Frontmann von Lostprophets, hat im November zugegeben, Kleinkinder sexuell missbraucht zu haben. Am Mittwoch hat ihn ein Gericht in seiner Heimat Wales dafür zu 35 Jahren Haft verurteilt. Die Band hat ihre Auflösung bekanntgegeben, man wird ohne Watkins nicht weitermachen.  

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Einfach den pädophilen Sänger wegdenken und die Musik trotzdem mögen?

Bleibt die Frage: Was wird aus der Musik? Lostprophets sind Anfang der Nullerjahre in der Bugwelle des New Metal berühmt geworden. Nicht ganz so berühmt wie Linkin Park, nicht ganz so berühmt wie Limp Bizkit. Aber doch ziemlich berühmt. Und jetzt hört man jeden Songtext unwillkürlich anders. Plötzlich sieht man in den Videoclips von 2008 nicht mehr den drahtigen, tätowierten Sänger mit dem schmalen Katzengesicht – sondern einen Mann, der sich ein paar Jahre später als Monster entpuppen wird.

Damit stellen sich Fragen. Muss man das Ende der Band nun immer mitdenken? Darf man es ignorieren? Ist das Privatleben eines Musikers unerheblich, solange die Musik nicht zu Straftaten animiert? Im Kern geht es auch um eine Frage, die jedes Mal wieder kurz aufflackert, wenn ein neuer Film von Roman Polanski ins Kino kommt. Darf man den mögen, obwohl der Regisseur vor Jahrzehnten wegen Sex mit einer Minderjährigen verurteilt wurde? Ähnlich ist es ja mit Tom Cruise: Kann man dessen Filme guten Gewissens sehen, obwohl er Mitglied, sogar Werbefigur einer totalitären Sekte ist?  

Danach wollen wir heute fragen: Wie sehr trennst du ein Werk von seinem Künstler? Hat sich dein Blick auf einen Film, ein Musikstück oder ein Gemälde geändert, weil du Schlimmes über seinen Urheber erfahren hast? Und um nochmal zu den ratlosen Fans von Lostprophets zu kommen: Würdest du die CDs verbrennen oder einfach weiter hören?



Text: jan-stremmel - Foto: Getty

  • teilen
  • schließen