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Was ist ein angemessener Preis für einen Haarschnitt?

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Natürlich ist man selbst schon sehr oft Kunde eines Schnell-und-Billig Friseurs gewesen, und so richtig unzufrieden war man mit dem Ergebnis bisher nie. Spitzenschneiden, sogar mit Haarewaschen und echter Kopfmassage, und alles für weniger als ein Mittagsgericht beim Studentenitaliener! Dumm nur, dass die erhoffte Portion Alles-Neue-macht-der-Friseur Gefühl ausbleibt, weil die giftgrünen Plastiksessel und die gelbe Billigbanderole am Fenster eher wenig Eleganz versprühen. Und auch die Friseurin selbst, eine stöckelige Solariumstante mit komischer Farbunfallfrisur, erweckt wenig Lust auf persönliche Bindung und wohlgesonnene Wiederkehr. Trotzdem: In einem ansprechenderen Laden bis zu 40 bis 60 Euro mehr für dieselbe Frisur hinzublättern, das kann man doch eigentlich gar nicht mehr einsehen. Nicht in Zeiten wie diesen. Oder doch? Vielleicht gerade in Zeiten wie diesen? Schnell kommen nämlich die Gewissensbisse: Man feuert durch seinen doofen Geiz Lohndumping an und verheizt dabei die letzten Überreste des ehrenwerten Friseurhandwerks. Persönliche Bindungen mit dem Friseur seines Vetrauens lässt man für ein gutes Schnäppchen einfach links liegen, und auch über das mit Sicherheit hochgradig vergiftigen Billigshampoo sieht man hinweg. Das kann doch nicht richtig sein.

Das schlechte Gewissen hat einen übermannt, es folgt der große Eigenarschtritt: Man wagt den Besuch in einem der hippen Friseurläden um die Ecke. Es riecht gut, es ist nett, es gibt Kaffee, tolle Magazine und gute Musik. Ständig wird man bei seinem Vornamen angesprochen und auf den Köpfen der Angestellten sieht es sehr hübsch aufgeräumt aus. Die Kopfmassage ist toll und nach einem etwas längeren Vortrag über die billigen Schäumstoffe in herkömmlichen Drogerieshampoos lässt man sich sogar davon überzeugen, dass man nur noch das gute biologische Shampoo von "Oregons Scissor Company" an sein Haar lässt – das man zwar noch nie vorher irgendwo gesehen hat, hier aber für wahnsinnig viel Geld kaufen kann („Das lohnt sich aber total, du brauchst echt nur einen kleinen Tropfen pro Haarwäsche") Man ist hier wirklich gut aufgehoben, das wird einem suggeriert und das möchte man auch gerne glauben. Frisch geföhnt verlässt man den Laden mit jenem rundherum renoviertem Frühlingsgefühl, das man seit Jahren vermisst hat.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Zuhause schaut man in den Spiegel.
Sieht aus wie immer, eigentlich. Das hätte auch der Izmir am Hauptbahnhof hinbekommen. Aber statt fünf ist man nun um 60 Euro ärmer und hat komisches, nie gehörtes Friseurmarken-Shampoo im Regal, das man sowieso kein zweites Mal kauft – weil man für den Preis selbst im Bioladen gleich drei Monatspackungen bekommt. Hat sich das jetzt gelohnt? War das jetzt die richtige Entscheidung oder hat man sich einfach total verarschen lassen? Was glaubst du: Wie geht zum-Friseur-gehen ohne schlechtes Aftergewissen in jeglicher Hinsicht? Gibt es vielleicht auch so etwas wie den perfekten Mittelweg?



Text: mercedes-lauenstein - Foto: dpa

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