Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Welchen Melderhythmus hast du?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Am Samstag traf ich mich Abends mit meinem Freund Julian. Wir waren auf einem Konzert, tranken Bier und verloren uns zu später Stunde aus den Augen. Verabschiedet haben wir uns auch nicht voneinander. Also rief ich Julian am nächsten Tag an. Aber er ging nicht ran. Und am nächsten auch nicht. Und an dem Tag darauf auch wieder nicht. Zurückrufen? Sowas kennt er nicht. Dabei sieht er doch meine Nummer bei den Anrufen in Abwesenheit. Wenn ich ihn dann mal doch überraschenderweise ans Telefon kriege oder eine Nachricht erhalte, heißt es: „Du kennst mich doch. Ich bin im Melden nicht so gut.“ 

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ich bin wütend, verzweifelt, weil ich nicht kapiere, weshalb man sich denn nicht bei jemandem melden kann, den man mag. Ja, Julian, ich kenne dich, und hasse dich dafür. In den Bravo-Heften meiner Schwester las ich als pubertierendes Pickelgesicht oft, dass man sich mit fünf bis zehnminütiger Verspätung zu einem Date interessanter macht. Geglaubt habe ich an die Wirkung dieses Ratschlages nie. Julian ist aber auch so ein Kandidat, der immer zu spät kommt. Zwei Stunden. Obwohl ich weiß, was er den ganzen Tag macht und wo er arbeitet, frage ich mich, was er denn so lange macht. So spannend ist sein Leben wirklich nicht, deshalb bin ich immer wieder erstaunt, warum er sich oft tagelang nicht meldet. Nicht einmal das kleinste Zeichen. Das macht ihn absurderweise schon irgendwie interessanter.  

Aber eigentlich darf ich gar nicht so mit Julian und seinem einschläfernden Melderhythmus schimpfen. Ich habe Freunde, die ihr Aufmerksamkeitsdefizit in sozialen Netzwerken exzessiv ausleben - durch sinnlose Nachrichten im Stundentakt. „Hi.“, „Na?“, „Wo bist du??“, „Hab gerade nen toten Vogel gesehen lol“. Bei denen melde ich mich generell nur einmal im Monat, weil sie, ganz nonchalant gesagt, tierische Nervensägen sind. Ich weiß aber, dass ich sie einst in facebooklosen Zeiten ganz nett fand, und melde mich einmal im Monat: „Sorry, kennst mich doch. Bin im Melden nicht so gut.“   

Welchen Melderhythmus hast du? Meldest du dich oft und schnell bei Freunden? Oder bist du jemand, der sich gerne mal einen Monat Zeit lässt?

Text: andrea-wieczorek - Foto: photocase.com

  • teilen
  • schließen