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Wie peinlich ist dir deine Heimat?

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München im September, das ist die Hölle mit Alpenblick. Und zwar gar nicht wegen der betrunkenen Horden, die bald wieder aus jeder Pore der Theresienwiese in die Stadt sickern – die ertrage ich problemlos. Wirklich schlimm sind vor allem die Münchner selbst.  

Gemessen an ihrer Relevanz ist die Selbstgefälligkeit meiner Heimatstadt ja ohnehin absurd hoch. In den Wochen rund ums Oktoberfest brüllt sie aber jedes Jahr so orchestriert von Zeitungskästen, Bäckereischaufenstern und Facebook-Chroniken, als hätte jeder einzelne Münchner höchstpersönlich elfeinhalb Monate gerackert, um die sieben Millionen Wiesn-Besucher in die Stadt zu locken. Willkommen in der "Vorstufe zum Paradies", was wiederum ein Zitat von Horst Seehofer ist, dessen Wahlsieg übrigens der zweite Grund ist, weshalb ich mich diese Woche sehr für meine Heimat schäme.  

http://www.youtube.com/watch?v=dALpT4uNjzQ

Zurück zur Wiesn: Aktueller Auslöser meiner München-Scham ist ein Video, das seit Montag nach Leibeskräften von jedem halbwegs standfesten Bayern geteilt und beklatscht wird. Darin macht sich ein "Satiriker" namens Harry G., der ein weißes T-Shirt unter dem Hemd trägt, anderthalb Minuten über Dirndl lustig. Nein, tut er natürlich nicht, denn das wäre ja Selbstironie und somit irgendwie missverständlich – Harry G. zieht über die Beliebtheit von Dirndln unter "Preißn-Weiberln" her. Für Nichtbayern: Das sind diese blasiert-überartikuliert sprechenden Frauen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie Dirndl für unter 150 Euro kaufen (!), die über dem Knie enden (!!) und grundsätzlich in den Farben Neonrosa oder -grün (!!!) gehalten sind, und die diese Dirndl obendrein auch noch mit Ballerinas (!!!!) oder gar einem Hut (!!!!!) kombinieren.

Hehe, hoho, das Video hat mit dieser Art Witz, der vermutlich ironisch gemeint ist, in zwei Tagen tatsächlich mehr als 20.000 Youtube-Klicks gesammelt und einen Berg deftiger - und völlig unironischer - Kommentare auf Facebook. Damit verkörpert es genau das, was ich an München nicht ausstehen kann. Diese onanistische Selbstverliebtheit, dieser kleingeistig gescheuklappte Mikropatriotismus: Mia san mia, und das ist schließlich schon so ziemlich das Geilste, was man in diesem Leben werden kann. Siehe FC Bayern, siehe Länderfinanzausgleich, und jetzt kommt die Welt mal wieder her, um 16 Tage lang unser Bier zu saufen, by the way: das beste der Welt.  

Soviel zu meinem Heimat-Hass. Was ist dir an deiner Heimat peinlich? Das letzte Wahlergebnis? Die sprichwörtliche schlechte Laune? Der Dialekt, oder eigentlich nix außer die Konsistenz des regionalen Sauerteiggebäcks?

Text: lucas-grunewald - Foto: dpa

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