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Zwischen Kopftuch und Halal-Burger: Übertreiben wir es mit den Integrationsdebatten?

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Frankreich und der Islam, das ist beileibe keine einfache Beziehung. Permanente Reibereien sorgen für ein spannungsgeladenes Gesprächsklima und kaum hat sich ein Konflikt etwas beruhigt, kocht auch schon der nächste hoch. In der Vergangenheit waren es kontroverse Diskussionen um das Burkaverbot, Proteste gegen den Neubau von Moscheen oder jüngst ein „muslimisch“ anmutender Wasserspeier auf der Kathedrale von Lyon. Jetzt sorgt ein neues Thema für Zündstoff: Die französische Fast-Food-Kette Quick bietet in 22 Filialen seit Kurzem nur noch sogenannte Halal-Speisen an. Halal, das bedeutet „rein, erlaubt“ und steht für Nahrungsmittel, die nach den Vorschriften des Islam zubereitet sind. Um sich auf die Bedürfnisse der muslimischen Kundschaft einzustellen, wurde jegliches Schweinefleisch aus dem Angebot genommen und nur noch den islamischen Schlachtregeln entsprechendes Fleisch von geschächteten Tieren verkauft.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Zumindest der kommerzielle Erfolg gibt dem Unternehmen Recht: Die entsprechenden Filialen – meist in Stadtvierteln mit überwiegend muslimischer Bevölkerung angesiedelt – haben ihren Umsatz nahezu verdoppelt, die Halal-Burger finden reißenden Absatz. Doch wenig überraschend melden sich auch Kritiker zu Wort und laufen gegen die angebliche Islamisierung Sturm. Vor allem sind es Gruppierungen wie der rechtsextreme Front National, die lautstark die Islamophobie-Karte spielen, vor einer Abkehr vom Laizismus warnen und gar zum Boykott aller Quick-Lokale aufrufen. Der Konzern betreibe „ethnisches Marketing“, beklagt die elsässische Regionalpartei Alsace d‘abord und ruft zu einem „republikanischen Aperitif“ auf, bei dem dann demonstrativ Schweinefleisch auf dem Teller landen solle und jede Menge Rotwein fließen müsse. Aber der Kreis der Skeptiker beschränkt sich nicht auf die üblichen Verdächtigen, sondern erstreckt sich quer über die Parteigrenzen hinweg. Politiker aller Couleur fürchten eine religiös motivierte „Ghettoisierung“ und sehen die Gefahr, dass sich Muslime zunehmend abkapselten. Der sozialistische Bürgermeister von Roubaix sieht in dem Halal-Angebot eine „Diskriminierung aller Andersgläubigen“, die Bürgermeisterin von Saint-Quen, eine Kommunistin, warnt vor einer „Spaltung der Gesellschaft“. Ein Großteil der Aufregung dürfte dabei den anstehenden Regionalwahlen geschuldet sein: Mit den drei I-Themen – Immigration, Islam und Integration – lassen sich nun mal gut Stimmen fangen. Der Vorwurf der Diskriminierung ist meiner Meinung nach reines Wahlkampfgetöse und Nicht-Muslime werden auch ganz gewiss nicht zum Verzehr von Halal-Fleisch „gezwungen“, wie sich einige Abgeordnete empören. Schließlich bieten Bioläden ja auch keine konventionellen Produkte an und trotzdem kam noch niemand auf die absurde Idee, daraus eine unangemessene Bevormundung abzulesen. Die spannende Frage ist eine ganz andere: Mir kommt es so vor, als würde in jüngster Zeit jeder noch so unwesentliche Nebenkriegsschauplatz auf Teufel komm raus zu einer Generaldebatte über Integration aufgebauscht. Ob Bauten, Burka, Burger oder Bundesbanker – sofort geht es um Grundsätzliches: „die“ Muslime bilden Parallelgesellschaften, „die“ Franzosen sind allesamt islamophob und rassistisch. Natürlich gibt es Probleme und Redebedarf, aber ich glaube nicht, dass damit geholfen ist, wenn wir das Thema bei allen möglichen und unmöglichen Anlässen aufs Neue hervorkramen, uns die Köpfe heiß reden und am Ende feststellen, dass die Missstände immer noch existieren, sich außer der Atmosphäre nichts verändert und erst nichts verbessert hat. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch, vielleicht braucht es genau diese Steine des Anstoßes, um sich der Problematik vollends bewusst zu werden. Was denkst du darüber? Hältst du es für möglich, dass wir ohne konkreten Anlass eine sachliche Diskussion führen, fernab von populistischen Tiraden auf beiden Seiten? Schaffen wir es, mit- statt übereinander zu reden, auf pauschale Urteile zu verzichten und aufeinander zuzugehen? Oder interessiert sich letztendlich niemand wirklich für die reinen Inhalte und bleiben hitzige, emotionale Debatten somit die einzige Möglichkeit, um bestimmte Themen in die Öffentlichkeit zu bringen?

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