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Die Job-Kolumne (6): Die erotische Story Avanti

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Ein Freund ruft mich an, von dem ich schon lange nichts mehr gehört habe. Als ich ihm erzähle, dass ich immer noch auf Jobsuche bin, hat er einen Vorschlag für mich, der verdächtig nach dem Gespräch klingt, das ich Anfang des Jahres während meines sechsmonatigen Praktikums bei einer Werbeagentur geführt habe. „Florian, ich hätte da noch eine Sache, bei der Du mitmachen könntest… muss Dich nur erst fragen, ob Du das moralisch kannst.“ „Ja, was denn?“ „Es geht um die Bundestagswahlkampagne der CDU…“ Nur geht es dieses Mal um ein leicht anderes Thema. „Also ich hab da 'ne Freundin und die hat erzählt, dass die bei der „Avanti“ Leute suchen, die da so 'ne Rubrik bedienen…“ „Ja, was denn?“ „Also die haben so 'ne regelmäßige Sache am Ende der Zeitung… die erotische Story. Ich würde Dir empfehlen: Kauf Dir einfach mal ein oder zwei Ausgaben und guck Dir die Geschichten an, aber ich denke, Du kannst so was bestimmt auch schreiben… da steht auch kein Name drüber, wer das jetzt geschrieben hat.“ Innerlich ärgere ich mich, dass das Ganze anonym erscheinen würde, habe ich mir doch schon seit Jahren schöne Pseudonyme und Palindrome ausgedacht. „Ian Palme“ oder „Rolf Palmian“! Nee, noch besser „Florian Cornelius“! Wobei die bestimmt einen Frauennamen wollen. Na dann eben Ria Cornelius oder Cornelia Palme. Wir reden noch eine Weile, dann ziehe ich mir Schuhe an und besorge mir in einem abgelegenen schlecht besuchten Supermarkt die Zeitung, in der ich zukünftig Erotikschund veröffentlichen werde. Die „Avanti“ ist eine sehr uninteressante Zeitung. Tratsch und Klatsch findet nur auf ein paar Seiten statt, es gibt viele Rezepte, Frisuren für die Frau von heute und Tipps gegen Venenleiden. Dazu Kreuzworträtsel, bei denen der Hauptpreis eine Kaffeemaschine ist. Ein sehr seltsames Konzept, das Einzige, was es rausreißt: Die erotische Story! Diese ist so geschrieben, dass mir schon nach wenigen Absätzen die Tränen in den Augen stehen. Ich schätze, die erotische Geschichte dient als Ersatz für eine weggelassene Witzeseite. In der Story sieht man Martina, die traurig und deprimiert durch Bahnhofsviertel stolpert (Bahnhofsviertel! Zwinker Zwinker!). Da entdeckt sie ein altes Bahnhofskino (Bahnhofskino! Bruhahahahaha!), in dem gerade der alte Film läuft, in den sie erstmals mit Klaus gegangen ist und der bei ihr sentimentale Erinnerungen auslöst (GGGGG). Aus einer Laune heraus beschließt sie, in den Film zu gehen, setzt sich hin und freut sich, dass sie die einzige Person im Kino ist. Fünf Minuten, nachdem der Film angefangen hat, kommt noch ein Mann ins Kino geeilt und setzt sich unverschämterweise genau in ihre Reihe und auch nur ein paar Sitze weiter entfernt. Zunächst ärgert sich Martina, linst immer wieder mal rüber zu diesem Mann und dieser Mann auch zu ihr. „Ist das nicht Klaus?!? Gut, er ist etwas dünner und sieht nicht gerade gesund aus, aber…“ Es ist Klaus. Beide verlassen das Kino, bevor der Film zu Ende ist. Martina bittet Klaus, es doch noch einmal mit ihr zu versuchen, doch Klaus ist hin und hergerissen. „Aber Martina! Ich verlasse die Stadt!“ „Dann lass uns in einer anderen Stadt gemeinsam neu anfangen!“ „Oh, Martina! Ich verlasse nicht nur die Stadt, ich verlasse den Kontinent. Ich muss zum Bahnhof!“ Sabine ist todtraurig und vergisst, nachzufragen, wie man denn bitte vom Bahnhof aus einen Kontinent verlassen kann, begleitet Klaus aber bis auf den vollen Bahnsteig. Dort können sich die beiden nicht mehr zurückhalten und fallen übereinander her, doch mittendrin nimmt Klaus reißaus. Martina ist in Tränen aufgelöst (genau wie der Leser der Story zu diesem Zeitpunkt) und steht bewegungslos da, als plötzlich jemand auf ihre Schulter tippt. Oh Wunder, es ist Klaus und zusammen fahren sie mit dem Taxi nach Haus zu Klaus. Im Taxi „spürte ich seine Finger über meine Lusthügel streichen, während der Taxifahrer alles verstohlen durch den Rückspiegel beobachtete.“ In Klaus Wohnung betrachtet sich Martina zuerst einmal die Einrichtung und stellt fest: „Hier sieht ja alles noch genauso aus wie damals!“. Dann entkleidet Klaus Martina und Martina Klaus und „gemeinsam erklommen sie Gipfel der Lust, wie sie sie noch nie zuvor erlebt hatten.“ Nachdem ich fertig gelesen habe, hole ich ein großes Handtuch und trockne mein Gesicht ab. Dann setze ich mich hin und nur eine halbe Stunde später habe ich eine Story fertig. Meine Hauptfiguren heißen „Sabine“ und „Daniel Stefan“ und lernen sich durch ein dummes Missgeschick kennen. Diese Fassung schicke ich an die Freundin des Freundes, die mir sagen soll, ob alles so ok ist oder ob und was ich noch ändern soll. Zwei Tage später wird mir mitgeteilt, die Geschichte wäre vom Stil her absolut passend, nur solle es etwas mehr zur Sache gehen. So, wie sie jetzt ausformuliert sei, sei sie auch etwas zu lang und eher was für „Die Romanwoche“, die im selben Verlag erschiene. Ich setze mich also erneut an den Computer, baue eine überraschende „Zunge-in-Hals-steck-Szene“ ein und erfinde neue Bilder für „Gipfel der Lust“ und lasse sowohl Sabine Daniel Stefan und Daniel Stefan Sabine lüsterne und notgeile Blicke zuwerfen, die in Handgreiflichkeiten kulminieren. Dann schicke ich das Ganze wieder an meine Kontaktperson, die mir sagt, ich könne jetzt alles auch an die Chefredakteurin des Blattes weiterleiten. Ich warte, warte und warte ab, dass mir auf meine erotische Story geantwortet wird, aber es passiert nichts. Schließlich fasse ich mir ein Herz und rufe die Chefredakteurin an: „Hallo, mein Name ist Florian Lamp und ich hatte Ihnen da eine erotische Story gemailt…“ „Ähm… ja, ach ja… ich bin grade schwer im Stress und dann hab ich Urlaub… ich melde mich dann, ja?!“ „Ja, ok. Danke.“ Nachdem ich weitere zwei Monate abgewartet habe, versuche ich noch einmal, mit der Frau in Kontakt zu treten, doch wieder wimmelt sie mich ab. Sie sei gerade aus dem Urlaub gekommen und schwer im Stress, weil sie wieder in Urlaub müsse. In mir keimt der Verdacht auf, sie habe kein Interesse an Sabine und Daniel Stefan und ich lasse es sein, beschließe, meine erotische Story zu einem erotischen Roman umzubauen und so endlich eigenes Geld zu verdienen. Ihr werdet alle noch sehen! Hier kannst du die erotische Story lesen, die florian-lamp für Avanti geschrieben hat. Illustration: Daniela Pass

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