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Mein Praktikum als UN-Generalsekretär (I)

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Die Wege zur Macht sind kompliziert und unergründlich – glaubt man. Tatsächlich sind sie zwar vollkommen unergründlich, dafür aber nicht ganz so kompliziert. Ein Onlineformular und eine halbwegs funktionierende Übersetzungsmaschine reichen aus, beispielsweise die Formalia der Vereinten Nationen zu erledigen: drei PDF-Dokumente auszufüllen und die ganze Sache dann sehr schnell wieder zu vergessen. Weil sich nie wieder jemand meldet. Weil sich Tausende bewerben. Weil es vielleicht gar nicht so geil ist, in der Verwaltung der Welt zu arbeiten, wenn einen die Verwaltung von Berlin-Pankow immer nur frustriert hat. Am Ende bleiben sich Bürokratien sowieso gleich, man ahnt es schon während man Kreuze auf Bewerbungsformularen macht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Und dann geht plötzlich alles irre schnell. Ein Arbeitsvisum muss her, man zieht sich in der amerikanischen Botschaft einmal – inklusive Socken – aus und irgendwie, wirklich: irgendwie, klappt das dann und sogar das Gepäck kommt trotz Terror und London-Heathrow an und dann sagt der, sonst sehr sympathische, Praktikumskoordinator während der Einführung: It’s a very transparent process. No it’s not. Es ist zum Beispiel ziemlich undurchschaubar, warum der Schwede, der schon in Liberia für die UN im Krisengebiet gearbeitet hat, plötzlich ein Praktikum als Homepagedesigner machen soll. Und noch undurchschaubarer ist es, warum beinahe die Hälfte der Praktikanten der Vereinten Nationen eigentlich Deutsche sind. Insgesamt sitzen im „Conference Room 2“ über 180 neue Praktikanten und wenn es bei der UN nur halbwegs so ist, wie in Redaktionen und Agenturen, dann sind wir unbezahlten Kurzzeitarbeitnehmer diejenigen, die eigentlich die ganze Arbeit machen. Dann aber, und da wird es interessant, muss es auch einen Praktikanten geben, der den Job von Kofi Annan macht, während der betreten in Kameras guckt und sich über die unzuverlässige Außenpolitik Deutschlands ärgert. Natürlich sagt das so keiner. Andererseits wird einem im Allgemeinen bei jedem Praktikum eingebläut, dass man so viel Verantwortung übertragen bekommt, wie man bereit ist zu tragen. Und weil nur der Großes erreicht, der sich große Ziele setzt, muss es bei diesem Praktikum die ganze Hand statt nur eines kleinen Fingers sein: Ein Praktikum als UN-Generalsekretär. Die Chancen stehen gut, wirklich. In den nächsten Wochen tagt die UN-Vollversammlung und Kofi wird alle Hände voll zu schütteln haben. Und dann wird er sowieso abgewählt. In dem ganzen zu erwartenden Trubel rund um unzählige Regierungschefs, einen knapp stadtviertelgroßen Sicherheitstrakt und Reformen und Reförmchen da und dort, stehen sollte es doch klappen, zumindest einmal am Kuchen der Macht naschen zu dürfen. Vielleicht springt ja sogar eine Friedensvermittlung raus, mehr als genügend Konflikte gibt es ja. Und vielleicht freut sich Kofi ja auch, wenn ihn in dem ganzen Gewusel und Plemplemalooza jemand ein bisschen Arbeit abnimmt. Genau dazu sind Praktikanten ja schließlich da. Übrigens: Diese verknotete Pistole vor dem Haupteingang der UN, die man von Postkarten und Fernsehaufnahmen kennt, ist nur einen knappen Meter breit und nicht, wie man sich das vorstellt, wahnsinnig riesig. So verhält es sich dann hoffentlich auch mit dem Generalsekretärsposten: Von nahem betrachtet gar kein so großes Ding. Illustration: hanna-fiegenbaum

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