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Etwa 4200 Euro brutto für die angehende Rechtsmedizinerin

Sabrina weiß unter anderem, dass die Zusammenarbeit zwischen Gerichtsmedizin und Polizei im echten Leben ganz anders aussieht als im Fernsehen.
Foto: privat; Illustration: jetzt

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Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

„Ah du bist also Pathologin oder Leichenfledderin.“ An solchen Sätzen merke ich immer wieder, dass Außenstehende nicht zwischen Pathologie und Rechtsmedizin unterscheiden. Tatsächlich ist das aber etwas ganz anderes. Patholog*innen untersuchen Gewebeproben einer meist noch lebenden Person unter dem Mikroskop. Dabei suchen sie meist nach Krankheiten und inneren Ursachen. Zwar obduzieren sie gelegentlich auch Leichen, aber nur wenn die Angehörigen damit einverstanden sind. Rechtsmediziner*innen arbeiten hingegen auf Anordnung der Staatsanwaltschaft, wenn es sich um eine unnatürliche Todesursache handelt. Eine andere Frage, die oft gestellt wird, ist, welcher Fall für mich bisher der schlimmste war. Dann antworte ich aber immer, dass ich Schweigepflicht habe und nicht darüber sprechen kann.

Der Weg

Mit 16 Jahren habe ich mich sehr für die Kriminalromane von Kathy Reichs begeistert, einer US-amerikanischen Schriftstellerin und forensischen Anthropologin. Ihre Bücher handeln von einer Gerichtsmedizinerin, die Leichen untersucht und selbst an Kriminalfällen mitarbeitet. Darüber habe ich zum ersten Mal von dem Beruf der Gerichtsmedizinerin erfahren und war sofort begeistert. Ich machte erst eine Ausbildung zur Krankenschwester, studierte dann Medizin und bin jetzt in der Ausbildung zur Fachärztin in der Rechtsmedizin.

Wer sich dafür entscheidet, wird auch ein halbes Jahr in der Psychologie und ein halbes Jahr in der Pathologie eingesetzt. Um in diesem Bereich erfolgreich zu sein, ist es wichtig, eine Unempfindlichkeit gegenüber strengen Fäulnisgerüchen zu haben und sich ein breites medizinisches Fachwissen anzueignen, damit man die gängigen Krankheitsbilder kennt und sich somit leichter tut, die Todesursache herauszufinden. Außerdem ist auch Fantasie und kriminalistisches Denken gefragt, um Tathergänge zu rekonstruieren und nachvollziehen zu können, woran der oder die Tote gestorben ist.

Der Berufsalltag

Mein Beruf als Rechtsmedizinerin ist sehr facettenreich. Wir stehen nicht nur im Sektionssaal und obduzieren Leichen, auch die Arbeit als Sachverständige vor Gericht oder Lebenduntersuchungen gehören zu unseren Aufgaben. Bei Lebenduntersuchungen werden wir hinzugezogen, wenn die Polizei beispielsweise eine Vergewaltigung oder häusliche Gewalt vermutet und wir uns die Wunden oder Hämatome ansehen sollen, um den Verdacht gegebenenfalls zu bestätigen.

Die Zusammenarbeit mit der Polizei

Im Fernsehen wird der Job als Gerichtsmediziner meist falsch dargestellt. Zum Beispiel stimmt es nicht, dass die Polizeibeamten nur kurz bei uns vorbeikommen, um sich die Ergebnisse der Obduktion abzuholen und dann gleich wieder verschwinden. Wird eine Obduktion angeordnet, sind die Beamten während der gesamten Obduktion mit dabei. Das kann dann manchmal schon bis zu drei Stunden oder länger dauern, je nachdem in welchem Zustand die Leiche ist.

Außerdem gibt es einiges, was man als Gerichtsmedizinerin bei der Zusammenarbeit mit der Polizei lernt. Zum Beispiel, wie man sich am Tatort verhält. Zwar sind wir an den Polizeiermittlungen nicht unmittelbar beteiligt und gehen mit den Beamt*innen nicht von Tür zu Tür. Die Bereiche der Kriminalpolizei sind aber teilweise auch für uns wichtig, um uns ein breites Hintergrundwissen anzueignen. Beispielsweise ist es von Vorteil, auch Waffenkenntnisse zu haben, um die Wunden besser verstehen und einordnen zu können.

Die (ungeklärten) Todesfälle

Die meisten ungeklärten Todesursachen stellen sich im Nachhinein als natürlich heraus. Manchmal kann es aber auch passieren, dass Hausärzt*innen, die zu einer Leiche gerufen werden, von einem natürlichen Tod ausgehen, aber eigentlich ein unnatürlicher Tod dahintersteckt. Rechtsmediziner*innen schätzen sogar, dass weit mehr als 1000 Tötungsdelikte pro Jahr übersehen werden. Als Grund wird unter anderem genannt, dass Hausärzt*innen die Leichenschau nicht fachmännisch durchführen. Das liegt mitunter daran, dass es ihnen oft unangenehm ist, den Leichnam im Kreise der Angehörigen komplett zu entkleiden und genau zu untersuchen. Außerdem sind sie oft alleine, wenn sie zu einer Leiche gerufen werden und verfügen nicht über ausreichende, rechtmedizinische Fachkenntnisse, was die Situation für die Hausärzt*innen erschwert.

In Deutschland  werden derzeit auch etwa nur zwei Prozent aller Leichen obduziert, um die Todesursache herauszufinden. In anderen europäischen Ländern, beispielsweise in Skandinavien, sind es rund 50 Prozent. Ein*e Rechtsmediziner*in wird bei natürlichen Todesursachen nur noch einmal dazugerufen, wenn der Leichnam eingeäschert werden soll. Diese Verordnung gibt es in jedem Bundesland außer in Bayern.  

Um ungeklärte oder falsch diagnostizierte Todesfälle zu vermeiden, startete 2018 in Frankfurt ein Pilotprojekt, nachdem der Polizei immer öfter ein Rechtsmediziner oder eine Rechtsmedizinerin zur Seite steht, wenn das Ermittlungsteam zu einer Leiche gerufen wird. Ich halte dieses Projekt zwar für sinnvoll, jedoch schwer umsetzbar, da es in Deutschland nur rund 300 Rechtsmediziner*innen und damit oft zu wenig Personal gibt.

Das Gehalt

Wie viel man als Rechtsmedizinerin verdient, hängt meist von dem Institut ab, für das man arbeitet. Der Tarifvertag, nachdem sich das Gehalt der Ärtz*innen richtet, wird in sechs Stufen unterteilt. Je nachdem, wie viel Berufserfahrung man hat, wird man in eine dieser Stufen eingegliedert. Ich bin aktuell in der ersten Stufe und verdiene monatlich 4.161,82 Euro Brutto. Ab 2020 gibt es eine Tariferhöhung, nach der ich dann monatlich rund 4.340 Euro bekomme. Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich schon als Assistenzärztin über freiberufliche Tätigkeiten, wie zum Beispiel Bereitschaftsdienste oder Sachverständigenarbeit, noch nebenbei was dazu zu verdienen.  

Die Arbeit und das Privatleben

Generell ist es mir wichtig, meine Arbeit und mein Privatleben zu trennen und Fälle nicht emotional an mich ranzulassen. Das gelingt mir, indem ich die Toten bei meiner Arbeit nicht als Patient*innen, sondern rein wissenschaftlich als Leichen betrachte.

Obwohl ich täglich mit dem Thema Tod konfrontiert werde, bin ich durch meinen Beruf nicht vorsichtiger oder ängstlicher geworden. Was sich aber geändert hat, ist, dass ich mir umso bewusster darüber geworden bin, wie schnell das Leben vorbei sein kann und wie schnell man manchmal jemanden verliert, der einem wichtig ist. Daher nehme ich mir immer besonders viel Zeit für meine Familie und die Menschen, die mir am Herzen liegen.

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