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16 bis 18 Euro brutto pro Stunde für die Hostess

Grafik: jetzt; Foto: privat

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Der Berufseinstieg

Ich bin über Bekannte an den Job gekommen. Nach dem Abi war ich in Portugal. Dort hat mich jemand angefragt, ob ich bei der Textil-Messe mitarbeiten will, weil ein Aussteller noch jemanden gebraucht hat, der Deutsch und Portugiesisch spricht.

Man arbeitet über Agenturen, in denen man eingeschrieben ist. Ein Casting gab es bei meiner nicht. Bei manchen Agenturen läuft alles online ab. Dann stellt man seine Fotos und Unterlagen auf die Online-Plattform der Agentur und macht ein Telefoninterview. Je nachdem, wie das Gespräch gelaufen ist, schalten sie dich in ihrem System frei oder nicht. Bei anderen muss man bei den Interviews auch anwesend sein. Sie sagen dir, was sie von dir erwarten, und bei der ersten Messe lernst du, wie alles abläuft.  

Meine Agentur organisiert die Jobs online, was ich sehr bequem finde. Der Kunde, der den Stand auf der Messe hat, stellt ein Angebot auf das Portal. Dann bewirbt man sich für die Jobs, die man machen will, und gibt an, welches Honorar man sich vorstellt. Der Kunde entscheidet sich dann für die Bewerberinnen mit den Qualifikationen, die er braucht. 

Der Job

Es gibt verschiedene Jobs, bei denen man als Hostess arbeiten kann: Als Service-Hostess kümmert man sich vor allem um Getränke und Essen. Die Model-Hostessen stehen platt gesagt einfach schön herum. 

Ich arbeite vor allem bei Messen und Veranstaltungen am Empfang als Hostess: Ich begrüße Leute und betreue Stände von Ausstellern. Außerdem biete ich Kaffee und Snacks an, lege Broschüren aus oder verteile Give-Aways. Empfangshostessen sammeln auch die Kontaktdaten bei Veranstaltungen und Messen und sie füllen Kundenbögen aus, die dort ausgeteilt werden. Das ist vor allem typisch für Fachmessen: Wenn sich Gäste für ein bestimmtes Produkt interessieren, können sie diesen Bogen ausfüllen und erhalten dann weitere Informationen dazu. Die Hostessen geben die Daten dann in den Computer ein.

Ich mache das nicht hauptberuflich, sondern nur nebenbei. Während meines Bachelor-Studiums habe ich häufiger als Hostess gearbeitet, jetzt mache ich es nur ein paar Mal pro Jahr. Dafür nehme ich mir extra von meinem Werkstudentenjob frei. Die Jobs als Hostess kann ich mir frei einteilen: Ich bewerbe mich nur für die Angebote, die mich interessieren. Wenn ich gebucht werde, arbeite ich, aber ich muss keine Mindeststunden pro Monat leisten. Normalerweise bin ich neun bis zehn Stunden pro Tag und mehrere Tage hintereinander auf einer Messe. 

Es gibt unglaublich viele Bereiche, in denen man arbeiten kann – das finde ich sehr spannend an dem Job. Vor kurzem habe ich auf der „Light & Building“-Messe in Frankfurt gearbeitet. Dort habe ich einen Informationsstand zum Thema Notleuchten betreut und übersetzt, wenn internationale Gäste zum Stand gekommen sind. Man lernt bei jeder Messe etwas Neues, über Beleuchtungen habe ich mir vorher noch nie Gedanken gemacht. Für die Messe bin ich jeden Tag eine Stunde mit dem Zug aus Heidelberg angereist. Das Zugticket bezahlt der Veranstalter. Letztes Jahr habe ich bei der „Cosmetica“ gearbeitet, einer Messe für Kosmetikprodukte, bei der sich Privatpersonen über neue Trends informieren. Dort habe ich Proben verteilt und versucht, Gäste zu unserem Stand zu locken, weil dort auch Produkte verkauft wurden. 

Das Geld

Hostessen werden pro Stunde bezahlt. Je nachdem, welchen Job man hat und in welchem Bundesland man arbeitet, variiert das Gehalt. Minimum sind etwa 12 Euro pro Stunde, für Modeljobs gibt es zwischen 18 und 25 Euro. Bei der Agentur, in der ich arbeite, kann ich mein Wunschgehalt angeben. Das ist aber unüblich in der Branche. 

Weil ich auch Fremdsprachen spreche, ist mein Tarif höher. Mein Minimum sind 16 bis 18 Euro pro Stunde. Da rechne ich die Fahrtzeit zu den Messen auch mit ein. Ich bekomme außerdem fast immer Trinkgeld am Ende einer Messe vom Aussteller. Das sind meistens zwischen 50 und 200 Euro.

Die Qualifikationen

Vor allem Frauen arbeiten als Hostessen, Männer werden nicht so oft genommen. Man muss viel im Stehen arbeiten. Sonst hängen die Qualifikationen stark von den unterschiedlichen Jobs ab. Fremdsprachen sind bei internationalen Messen ein Vorteil. Als Model-Hostess muss man mindestens 1,80 Meter groß sein und Modelmaße haben. 

Das Aussehen

Gutes Aussehen ist auf jeden Fall wichtig, nicht nur für Model-Hostessen. Piercings oder Haare mit einer krassen Farbe gehen gar nicht, man braucht einen klassischen Look. Die Haare muss man meistens zusammenbinden. Wenn die anderen Gäste Business-Look tragen, muss man das auch machen. 

Die Outfits hängen natürlich auch von den Veranstaltungen ab. Bei der Musikmesse oder bei der „Cosmetica“ kommt es nicht so gut an, wenn man im Hosenanzug bei seinem Stand steht, da zieht man eher moderne Kleidung an. Bei der Kosmetik-Messe habe ich eine weiße Hose und eine blaue Bluse getragen. Aber in 80 Prozent der Fälle zieht man entweder Hosenanzug oder Kleid an, weil sich der Kunde das wünscht. 

Bei manchen Jobs geben die Kunden auch Outfits vor. Wenn ich online sehe, dass sie ein Kleid in Größe 36 bereitstellen, bewerbe ich mich erst gar nicht, weil ich weiß, dass ich mich damit nicht wohlfühlen würde oder vielleicht gar nicht reinpasse. 

Es ist schon vorgefallen, dass ich gebucht wurde und mir der Kunde im Nachhinein gesagt hat, dass ich zehn Zentimeter hohe Schuhe anziehen soll. Darauf habe ich geantwortet, dass das nicht in der Jobbeschreibung stand und dass ich da nicht mitmache – meine Wirbelsäule ist mir einfach wichtiger.

Die unangenehmen Gäste

Manchmal kommen mir Gäste sehr nahe, auch wenn ich in einer Bluse, dezentem Make-Up und mit zusammengebundenen Haaren dastehe. Sie stellen mir zum Beispiel private Fragen. Das ist mir sehr unangenehm. Dann greifen meistens die anderen Mitarbeiter ein. Wenn ein Mitarbeiter selbst zu nahe kommt, wird es problematisch. Das ist mir erst einmal passiert. Da kommst du am nächsten Tag nicht so gerne wieder zur Messe.

Ein anderes Beispiel ist, wenn Gäste das Gespräch mit dir suchen und du merkst, dass das kein Smalltalk mehr ist. Manchmal gibt es nach der Messe noch Abendveranstaltungen, zu denen ich eingeladen werde. Manche Gäste dort glauben, dass sie mich anfassen können. Das ist für mich ein No-Go. Ich spreche die Leute dann auch direkt darauf an und sage ihnen, dass das nicht geht. Die Messeaussteller wären eigentlich meine Ansprechpartner, aber die sind dann auch eher überfordert oder selbst schockiert. 

Manche Männer stecken mir ihre Visitenkarte zu, die nicht für den Messeaussteller, sondern für mich persönlich gedacht ist. Ich finde es schon frech, wenn mir Leute bei der Arbeit ungefragt ihre Nummer geben, ich werfe die Karten dann teilweise auch vor ihren Augen weg. Man soll nicht unsympathisch oder unhöflich sein, aber man muss auch nicht jeden die ganze Zeit anlächeln.

Eine Freundin von mir hat bei der Automesse in Frankfurt als Model-Hostess gearbeitet. In der Branche gehen Autos und Models immer noch Hand in Hand. Ihr war der Job schnell unangenehm, sie musste auch ein kurzes Kleid getragen, weil das der Aussteller so vorgegeben hat. Normalerweise wird sie angeschaut und das stört sie nicht. Aber dort wurde sie auch angefasst. Das Publikum der Automesse besteht nicht nur aus Business-Gästen, sondern auch aus Privatpersonen – das macht einen großen Unterschied. Ich würde mich dort sehr unwohl fühlen. Für solche Jobs bewerbe ich mich erst gar nicht. 

Alkohol spielt auch eine Rolle. Ich habe bei der Baumesse in München im Servicebereich gearbeitet. Dort wird ab zwölf Uhr Bier ausgeschenkt. Das ist dann ein ganz anderes Niveau als auf einer Business-Messe. Privatpersonen haben keinen Firmennamen, der hinter ihnen steht und verhalten sich anders. Ein Mann hat mir an die Hüfte gegriffen, während ich Gläser eingesammelt habe. Jemand anders hat seinen Arm um mich gelegt und gesagt: „Ach Süße, bring mir noch ein Bier!“ Da gehe ich erst mal einen Schritt zurück.

Solche Dinge sind schon vielen Hostessen passiert. In meiner Agentur wurde das Thema Belästigung aber nie angesprochen.

Der größte Irrtum

Viele Freunde von mir fanden es am Anfang ganz schlimm, die haben geglaubt, ich werde die ganze Zeit nur angeschaut wie ein Stück Fleisch. Aber denen habe ich dann erst mal erklärt, was ich mache und welche Arten von Messen das sind. 

Viele glauben, dass Frauen schlecht behandelt werden und der Job ganz schlimm ist, weil man zehn Stunden lang nur rumsteht und Kaffee macht. Diese Leute können sich nichts unter dem Job vorstellen, weil sie noch nie auf einer Fachmesse waren. Frauen werden da nicht degradiert. Man hat einen Anzug an und passt auf seinen Messestand auf. 

Bei Messen lerne ich viel über verschiedenste Berufe und kann Kontakte knüpfen. Die Leute dort erzählen von ihren Jobs, was ihnen gefällt und wie ihre Anfänge in dem Beruf waren. Ich habe sogar schon einmal ein Praktikum bekommen über eine Messe. Für mich ist es auch professionell eine Chance, in verschiedene Berufe reinzuschnuppern.

Durch meinen Nebenjob habe ich auch das richtige Master-Studium für mich gefunden. Ich arbeitete als Servicekraft auf einer Messe. Die Kunden sprachen alle nur Französisch und die Mitarbeiter, die gerade da waren, sprachen nur Deutsch. Ich bot an, zu übersetzen. Da merkte ich: Das macht mir Spaß. Später entschied ich mich dazu, Dolmetschen zu studieren. 

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

Meistens fragen mich Freundinnen, wie mein Job genau aussieht, weil sie selbst überlegen, in der vorlesungsfreien Zeit als Hostess zu arbeiten. Sie fragen auch oft, wie viel man dabei verdient. Und ich höre häufig die Frage, ob es nicht unangenehm ist, dass mich jeder anfasst. Das ist echt ein Klischee, das hängen bleibt. Es hat einen wahren Kern, aber es ist nicht so, dass ich ständig angefasst werde.

Doch lieber ein anderer Job? Wir haben da noch mehr im Angebot:

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