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Jungsfrage: Mädchen, was ist denn nun mit dem Feminismus?
In den vergangenen Tagen tauchte mal wieder ein Thema auf, über das wir schon lange mit euch sprechen wollten. Also nehmen wir den Geburtstag von Alice Schwarzer zum Anlass und unseren Mut zusammen und fragen: Wie haltet ihr es mit dem Feminismus? Für uns liegt die Sache nämlich so: Wir finden Gleichberichtigung wichtig und notwendig. Wir wissen aber auch: Es gibt (zum ersten Mal in der Geschichte) uneingeschränkt gleiche Rechte für Männer und Frauen. Frauen wie Männer haben einen uneingeschränkten Zugang zu Bildung. Die Türen zur Welt stehen offen – uns beiden. Diesen Eindruck haben wir übrigens nicht allein. Den haben wir von Alice Schwarzer abgeschrieben. Die hat das letzte Woche genau so in einem Interview gesagt. Das finden wir gut. Denn Gleichberechtigung wollen wir auch. Ein wenig ist die ganze Sache jedoch wie die Frage des Klimawandels: Wir wissen, dass es besser ist, Energiesparlampen zu nutzen und das Auto stehen zu lassen. Wir wissen, dass man nicht ständig billigfliegen und Müll produzieren soll. Ist angekommen und wir halten uns dran. Genau wie in Sachen Gleichberechtigung. Wir wehren uns an jeder Stelle, an der Rollenklischees ernsthaft platt gewalzt werden, an der Menschen auf ihren Körper reduziert werden (Männer selten, Frauen noch immer sehr oft) und Mitarbeiterinnen im Vergleich zu männlichen Kollegen im Lohn gedrückt werden. Natürlich ist für uns auch klar, dass im Falle von Nachwuchs die Kindsmutter und wir gemeinsam das Baby schaukeln müssen. Und ebenfalls klar ist, dafür müssen noch eine Menge Krippenplätze und gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Das unterschreiben wir nicht einfach wie eine korrekte Standardmeinung, die man eben haben muss. Wir fordern das laut und deutlich und praktizieren das auch. Alles in allem finden wir das nicht gerade feministisch, so aber doch im Grunde gleichberechtigt. Das „im Grunde“ im letzten Satz haben wir beim zweiten Lesen reingeschrieben, weil uns bei diesem Thema immer ein bisschen die Angst packt. Die Angst vor den ganz Forschen unter euch, die aus ihrem Geschlecht eine Art Autorität oder Vorteil in diesen Fragen ableiten und sich auf Sätze wie den da oben stürzen. Daran weisen sie uns dann nach, dass wir doch viel verbohrter und konservativer denken als unsere Großväter. Sie werfen uns persönlich vor, dass Frauen immer noch benachteiligt werden, dass es eine Männergesellschaft sei und wir ja schließlich irgendwie auch Männer. Auf solche Vorwürfe und die daran hängenden Diskussionen haben wir weder mit Jungs noch mit Mädchen Lust. Sie erscheinen uns nicht sonderlich klug. Solche Debatten kommen uns manchmal vor wie der Streit, den unlängst ein sehr engagierter Umweltbiologe auf einer WG-Party anzettelte. Er war so engagiert in seiner Argumentation gegen den menschgemachten Klimawandel, dass er die gesamte Küche im Streit gegen sich aufgebrachte. Wohl gemerkt: In der Küche standen vor allem Partygäste, die ich dem Umfeld der Grünen Jugend zurechnen würde. Leute also, die nicht nur um die Notwendigkeit eines Umdenkens wissen, sondern das auch bereits praktizieren. Weil er sich jedoch im Studium mit dem Thema befasst, hielt er sich für besser als die anderen. Gibt es so was auch bei Frauen und der Frage der Gleichberechtigung? Fühlt ihr euch in diesen Fragen kompetenter als Männer? Habt ihr manchmal den Wunsch, euch mit den Jungs in eurer Umgebung anzulegen, weil die ja schließlich auch Männer sind? P.S.: Ja, es soll auch einige wenige Jungs (und offenbar auch Mädchen) geben, die die Gleichberechtigung für falsch und Feminismus für ein Schimpfwort halten. Von denen ist hier nicht die Rede, denn das ist ja keine Frage des Geschlechts, sondern des Verstands. Auf der nächsten Seite liest du die Mädchen-Antwort.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Ich will dir ja nicht deine schöne Argumentations-Schiene verbiegen, aber das, was du da als Ist-Zustand beschreibst, ist wirklich nicht meine Realität. Auch wenn ich zur nervigen Gebetsmühle mutiere, noch einmal zum Mitschreiben: eine Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen existiert in Deutschland (immer noch) nicht. Weder in der Bezahlung, noch in den Führungsebenen, noch in der öffentlichen Repräsentation. Und wenn du mir mit Frau Merkel kommst, dann komm ich dir mit allen X-Trillionen Super-Managern und dann unterhalten wir uns noch einmal von vorne. Solange diese Gleichheit nicht existiert, kannst du also Frau Schwarzers und dein gemeinsames Argument vielleicht noch mal in den Mund zurück schieben und überdenken? Danke. Ihr Jungs seid ja auch nur so lange und so vehement theoretische Feministen, wie es euch in den Kram passt. Und das werfe ich euch auch gar nicht vor. Wäre ja komisch, wenn ihr euch selbst ins Bein schießen würdet. Denn die Jobs werden ja nicht mehr und wenn wir euch auf der Karriereleiter überholen, müsst ihr uns nicht auch noch in die Steigbügel helfen. Aber eure Behauptung, selbst Feministen zu sein oder voll pro Gleichberechtigung, ist halt auch Quatsch. Und oft merkt ihr nicht, wie ihr uns behandelt. Das kann in der Arbeit sein, wenn ihr mit euren Jungs-Kollegen mal eben zu einer Jungs-Tätigkeit verschwindet und dort dann wichtige Dinge bekakelt, die wir einfach nicht erfahren. Sexismus ist ja oft nicht von euch beabsichtigt, sondern eben einfach da. Wenn man in einem Unternehmen arbeitet, wo eine Schwangerschaft echt mal exotisch ist und in diversen Meetings besprochen werden muss. Wenn das Geschlechterverhältnis 1 zu 10 ist, dann ist das auch keine Gleichberechtigung, sondern Mist! Wenn auf der Party einfach nur die Jungs laut sind und das Gespräch an sich reißen, wenn auf der Party nur Jungs die Platten auflegen, wenn ihr von uns Mädchen Mädchenhaftigkeit erwartet, dann ist all das auch eben nicht: gelebte Gleichberechtigung. Verstehst du? Dazu kannst du auch gleich mal aufhören, so zu tun, als würden dir nervige Feministinnen die Geschichte vom Pferd erzählen. Noch bis vor einem oder zwei Jahren war das Thema schlicht nicht existent. In den Medien ist es allerhöchstens mit einem extrem negativen Beigeschmack vorgekommen und wenn man sich gar selbst als Feministin bezeichnet hat, musste man sich von doofen Tanten anhören lassen, wie ewig gestrig und bescheuert man wäre. Der Konsens war: stellt euch nicht so an, weiblich sein hat auch seine Vorteile. Stichwort Fahrrad reparieren lassen und so. Dann kamen kurz hintereinander die Retro-Deppen Eva Herman und Frank Schirrmacher, die uns erzählen wollten, dass wir nur hinter dem Herd unsere weibliche Erfüllung finden würden und dann, erst dann hat sich endlich mal wieder was getan. Seitdem ist das Thema ein klein wenig präsenter in der Öffentlichkeit. Und das ist super! Junge Frauen schreiben Bücher darüber, bloggen darüber, machen sich Gedanken darüber. Und überall wird heftig diskutiert. Das ist toll und wenn euch das nervt, dann geht bitte einen halben Meter zur Seite und redet meinetwegen über Monrose oder was euch sonst so auf dem Herzen liegt. Übrigens: Es macht überhaupt keinen Spaß, sich so aufzuregen – aber ich kann mit deinem Öko-Freund durchaus mitfühlen. Es ist nervig für alle anderen und man bekommt so einen verbitterten Zug um den Mund. Aber manchmal muss man sich aufregen und auch laut werden und rumschreien! Bei diesem Thema kommt noch dazu, dass ich immer verzweifelter werde, je mehr ich darüber nachdenke (so ähnlich geht es mir aber auch bei der Umwelt). Immer wieder fühle ich mich auch in Sachen Gleichberechtigung an die eigene Nase gefasst. Oft stelle ich fest, dass ich dem, was ich predige, in den Taten nicht entspreche. Dass ich vielleicht sogar kontraproduktiv bin. Nur ein Beispiel: als Feministin müsste ich versuchen, mich nach oben zu arbeiten und eine Stelle als Chefin anstreben. Als Privatperson habe ich keinen Bedarf, mich in Meetings herumzuschlagen. Stattdessen will ich meine Arbeit gut machen und dabei auch noch Spaß haben. Als gute Feministin sollte ich schreien, wenn ich in die traditionelle Ecke gedrängt werde. Als reale Person habe ich mich dafür entschieden, den Namen meines Mannes anzunehmen – nicht ahnend, dass ich damit das traditionelle patriarchalische Muster erfüllt habe, nach dem die Frau dem Manne zugesprochen wird. Schön doof. Alles, wirklich alles kann feministisch gedeutet und diskutiert werden. Und es fällt mir schwer, dem immer auch zu entsprechen. Vor allem, wenn es in die privatesten Bereiche hineingeht. Da fühle ich mich irgendwann ohnmächtig und möchte mir eine Decke über den Kopf ziehen und aus dem Feministinnen-Zug aussteigen und statt dessen vielleicht Tierschützerin werden. Vor allem gibt es ja nicht einmal unter den Feministinnen eine Einigkeit. Die einen sagen dies, die anderen sagen das und ich selbst muss auch noch einen Standpunkt entwickeln, den ich dann wiederum gegen andere verteidigen muss. Jetzt habe ich mich so aufgeregt, dass ich die eigentliche Frage vergessen habe. Um auf sie zu antworten: Ja, manchmal hassen wir euch Jungs, einfach weil ihr Männer seid. Wenn ihr uns von oben herab behandelt, wenn ihr uns den Mund verbieten wollt, wenn ihr genervt seid. Aber klar, wir wissen auch, dass ihr eigentlich zu den Guten gehört. Ihr solltet nur manchmal die Klappe halten und zuhören. Auch wenn es nervig ist. christina-waechter