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Mädchen, wollt ihr keine toughen Frauen sein?

Foto: riskiers / photocase.de

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Die Jungsfrage:

Liebe Mädchen,

Neulich sagte ein Kollege zu einer Kollegin über eine andere Kollegin, die er für eine ziemlich kompetente und durchsetzungsfähige Kollegin hält, sie sei eine toughe Frau. Er meinte das wohlmeinend, als Lob und Kompliment, und auch ein bisschen bewundernd. Die Kollegin, der er das erzählte, fasste das aber anders auf. Schon als Kompliment. Aber als ein vergiftetes, bei dem also auch versteckt etwas Negatives mitschwingt. Und die Zusammensetzung dieses Giftcocktails, die hätten wir jetzt gerne mal erklärt.

Für uns ist das Toughness-Kompliment nämlich nicht giftig. Wenn wir sagen, dass ihr tough seid, spricht aus uns Bewunderung. Dafür, dass ihr wisst, was ihr wollt und könnt, und es auch zeigt und durchsetzt. Dafür, dass ihr euer Leben anpackt und fest in der Hand haltet – auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Vom Umzugskarton, den ihr schleppt, bis zur Konferenz, in der ihr sagt, was ihr denkt, und euch durchsetzt. Der Satz mit der Toughness, der ist kein Giftcocktail, sondern eher eine ehrliche Halbe Bier.

Und, das sei hier gleich betont, wir bewundern die Toughen unter euch nicht, weil wir der Meinung sind, dass Frauen generell schwach sind und man deshalb unbedingt hervorheben muss, wenn mal eine heraussticht aus diesem Luschenhaufen. Nein, die meisten Jungs, die ich kenne, sind mittlerweile aufgeklärt genug, um zu wissen, dass es in beiden Geschlechtern stärkere und schwächere Charaktere gibt. Und diese Stärke können wir geschlechtsneutral bewundern.

Anscheinend ist die Sache aber trotzdem komplizierter. Denn bei euch scheint dieses Kompliment anders anzukommen, als wir es meinen. Und deshalb drängt sich die Frage auf: Warum? Liegt es daran, dass es mehr Jungs gibt, die euch mit dem Attribut “tough” eins reinwürgen wollen, als mir lieb ist? Oder daran, dass ihr Männern unterstellt, euch mit so einem Spruch herabwürdigen zu wollen. Dass ihr also bei all dem Sexismus-Scheiß, der euch leider immer noch begegnet in eurem Leben, auch dort Sexismus vermutet, wo keiner ist?

Dazu noch eine Vermutung: Der giftige Beigeschmack des Toughness-Lobs ist ja auch ein Resultat aus der Umgebung, in der es fällt. Es schmeckt ja auch nicht jeder Drink überall gleich gut. Ich kann mir deshalb vorstellen, dass man in einer Gesellschaft, wo Frauen in Chefetagen eine Seltenheit sind und noch schief angeschaut werden, wenn sie Ehrgeiz und Durchsetzungsvermögen zeigen, ein Toughness-Kompliment nicht so gerne hört. Wenn wir also schon beim Thema sind, könnt ihr das vielleicht gleich auch beantworten: Wie sehr seid ihr eigentlich darauf bedacht, nicht zu hart oder zu soft rüberzukommen? Und welche Rolle spielt das, wenn wir euch “tough” nennen?

Mit Bitte um eine toughe Antwort,

Eure Jungs

Die Mädchenantwort:

maedchenfrage

Liebe Jungs, erst mal eine Gegenfrage: Hat euch je schon einmal jemand einen „toughen Mann“ genannt? Nein? Eben.

 

Aber von vorne: Klar, Komplimente sind ein schwieriges Thema, egal, ob an einen Mann oder eine Frau gerichtet. Die Kombination, dass ein Kompliment ernst gemeint ist und der Komplimentierte es auch genau so versteht, gibt es selten. Das beginnt schon bei ganz einfachen Sachen. Sagt jemand: „Du siehst heute aber hübsch aus“ kann man das nett finden und „danke“ sagen. Man kann da aber auch raushören „Heute siehst du hübsch aus, sonst aber nicht.“

 

Der, Achtung, jetzt wird’s seriös, Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun hat dieses Problem sehr gut in seinem in den 80er-Jahren entwickelten „Vier-Seiten-Modell“ beschrieben. Das besagt, ganz grob, dass ein Mensch an ihn gerichtete Aussagen mit vier Ohren hört: Auf der Sachebene, der Selbstoffenbarungsebene, der Beziehungs- und der Appell-Ebene. Ich weiß, die folgenden Zeilen machen einem Knoten im Hirn, aber lasst es uns zumindest mit deinem Beispiel „Du bist eine toughe Frau“, gesprochen von einem Mann zu einer Frau, versuchen:

 

Das wird schon auf der Sachebene verworren, denn „tough“, das bedeutet auf Deutsch übersetzt „stark“, aber eben auch „hart“. Stark wäre ein positives Wort und somit ein Kompliment, vielen Dank dafür. Interpretiert man es als „hart“, wird es schon komplizierter – und da spielt auch schon die Sexismus-Ebene rein. Denn hart, das soll man als Frau ja gefälligst nicht sein, richtig? Man soll nett und lieb sein, möglichst allen gefallen, zumindest wurde uns das lange anerzogen. Sagt ein Mann zu einer Frau also, sie sei tough, kann das auf der Selbstoffenbarungsebene heißen: „Starke Frauen finde ich gut“, aber eben auch „Harte Frauen finde ich scheiße“.

 

Auf der Beziehungsebene kann man da dann raushören „Ich finde dich gut“ oder „Ich finde dich scheiße.“ Und auf der Appellebene: „Verhalte dich zukünftig bitte anders“ oder „Bleib genau so“. Verwirrend, ich weiß. Dass es bei dieser Debatte tatsächlich auch um Sexismus geht, wird einem erst klar, wenn man das Beispiel umdreht und sich eine Frau vorstellt, die zu einem Mann sagt, er sei „tough“. Wäre das wirklich ein Kompliment? Wenn ja, warum? Oder ist das eher eine Selbstverständlichkeit, dass Männer eben hart und stark sind und bei Frauen eher die Ausnahme? 

Die Tatsache, dass Männer diese Art von Kompliment einfach nie zu hören bekommen, spricht für mich dafür, dass es sich um eine Geschlechtersache handeln muss. Vielleicht wäre das bessere, umgekehrte Beispiel also eher, wenn jemand zu euch sagt „Du bist süß.“ Da würdet ihr euch vermutlich auch fragen, ob das ein Kompliment ist oder euch eigentlich durch die Blume sagen soll, dass ihr verweichlichte Softies seid. Oder?

 

Deiner Vermutung, dass das Umfeld auch entscheidend ist für die Interpretation eines Kompliments, würde ich aber auf jeden Fall zustimmen. Denn: „Du bist tough“ kann auch durchaus von Frau zu Frau gesprochen vergiftet sein. Eben je nachdem, ob es anerkennend von der besten Freundin kommt oder gezischt von der Kollegin, die man noch nie leiden konnte. Denn leider ist es ja auch so, dass Frauen untereinander nicht immer so wohlwollend sind, wie man sich das vielleicht wünschen würde oder ihr euch das vorstellt. Aber das ist, weiß Gott, nochmal ein neues Thema. Die Frage, die bleibt: Wie können wir das mit der Komplimente-Falle jetzt lösen? Vermutlich nur von zwei Seiten:  Wir sollten nicht mehr vom Schlechtesten ausgehen, wenn ihr sagt, wir seien tough. Und ihr, ihr müsst euch vielleicht manchmal ein bisschen deutlicher ausdrücken, damit wir verstehen, wie ihr das meint. Deal? 

 

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