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Letzter Ausweg Schwangerschaft: die Hausfrauen-Jungsfrage

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wisst ihr, was schlimmer ist, als Jungs, die gerade Vater geworden sind? Jungs, die darüber ein Buch schreiben wollen. Woher ich das weiß? Der Bekanntenkreis meines großen Bruders ist voll davon. Denn Buchverlage reißen sich gerade um eloquente junge Männer, die ihre Vaterrolle annehmen und wortgewandt beschreiben können. Und da Buch schreiben (gerade für Jungs, die an Fortpflanzung denken) ein großes Ding zu sein scheint, fallen auch eher kluge Bekannte meines Bruders darauf rein. Warum das so ist, ist leicht erklärt: Die Buch-Lektoren handeln ja nicht nach eigener Meinung oder gar Gefallen. Sie machen nur das, was sie für gut verkaufbar halten. Und derzeit gehen halt moderne Väter gut. Denn nichts gefällt unserer von-der-Leyen-geschulten Gesellschaft besser als moderne Väter. Für Jungs wie meinen großen Bruder und seine Kumpels ist das großartig. Selbst wenn sie nur einmal in der Woche eine verkackte Windel wechseln, stolzieren sie wie Helden durch die Kindercafes ihres Viertel. Denn sie sind die Goldmedaillen unserer Gesellschaft: moderne Väter. Deren Image ist so glänzend, dass sogar antriebslose Schluffis wie ich davon profitieren. Als ich unlängst an einem Onkel-Geburtstag in ein Zukunftsgespräch mit ein paar Tanten und Verwandten geriet, wählte ich den Ausweg „moderner Vater light“ um den bösen Fragen zu entkommen. Ich deutete an, dass ich ja, wenn gar nichts geht mit meinem Germanistik-Studium, durchaus auch einfach als Hausmann daheim bleiben könnte. Zwar planen meine Freundin (sie war nicht dabei) und ich derzeit vor allem Sommerfestivals und sicher keine Kinder, aber das spielt für diese Variante des angetäuschten Vaters gar keine Rolle. Die Tanten und Verwandten bejubelten mich nämlich wie ich im Sommer die Festivalbands: ohne weitere Nachfragen. Als ich später ein paar Freunden beim abendlichen Zuprosten davon erzählte, waren wir uns schnell einig: der dümmste Ausweg wäre das ja auch gar nicht. Vater sein, sich ums Kind kümmern, den Arbeitsstress wegschieben. Das Tolle dabei: Wir fühlten uns in unserer Phantasie keineswegs eingeschränkt, denn wir wären ja moderne Väter. Und jetzt meine etwas ausführlich eingeleitete Frage: Geht es euch da ähnlich? Könnt ihr euch das Kinderkriegen auch als Ausweg vorstellen? Denkt ihr manchmal, dass diese ewigen Praktika doch eh zu nichts führen und man besser, daheim beim Kind sein könnte? Und wie gesagt: Ich frage nur für mich, nicht weil ich ein Buch drüber schreiben will. Auf der nächsten Seite kannst du die Mädchen-Antwort lesen.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mal ganz abgesehen, dass ich genau diese Light-Väter mit stolzgeschwelltem Solidaritäts-Ranzen und halbgarem Buchprojekt wirklich ausgesprochen unerträglich finde – hat mich deine Frage sehr beschäftigt – weil ich diese Fantasie sehr gut kenne (und nicht nur von mir). Wenn ich da mal kurz meinen kinderlosen Freundinnen-Kreis anzapfen kann: - da gibt es die eine, von uns allen im herkömmlichen Sinne erfolgreichste junge Dame mit Neid erweckendem Gehaltsscheck, die in schwachen Stunden davon schwärmt, sich von einem solventen Herrn freien zu lassen, um fortan nur noch „so zum Spaß“ zum Beispiel eine Herrenboutique in Wuppertal zu betreiben. Und die ob dieser Vorstellung ganz schwärmerische Augen kriegt. - Oder die ebenfalls beruflich sehr eingespannte und dementsprechend abgespannte Freundin, die sich zwar aus Karriere-Gründen nicht traut, schwanger zu werden, aber manchmal heimlich von einem Leben als Hippie-Mama träumt. - Und dann gibt es die Studentin, die fast schon pathologische Angst vor dem Tag ihres Studienabschlusses hat, weil sie nämlich fest davon überzeugt ist, dass sie es dank ihres maliziösen Studiengangs nie zu einem richtigen Job bringen wird. Also versucht sie sich immer mal wieder mit dem tröstenden Gedanken über besonders schlimme Tage zu helfen, dass sie es ja auch gleich Kinder bekommen kann, und den Start in den Beruf so noch ein bisschen herauszögern. Das alles sind im Übrigen junge Frauen, die sich selbst als emanzipiert bezeichnen. Irgendwie deprimierend, oder? Der heimliche Traum lautet bei uns nicht wie bei Udo Jürgens, eines Tages in einer griechischen Taverne hängen zu bleiben oder in zerrissenen Jeans durch San Francisco zu spazieren. Nein, wir träumen von der klassischen Rollenverteilung und Abgabe der zugegeben manchmal ziemlich anstrengenden Verantwortung an den Pater Familias für ein angeblich einfacheres Leben, in dem man sich mit der Außenwelt nicht mehr auseinandersetzen muss, sondern ganz in seiner Muttertier-Rolle aufgehen kann inklusive Apfelkuchen, Kinderlachen und einem erfolgreichen Gatten mit vollem Haar. Ich muss da noch kurz einschieben, dass ich selbstverständlich keine Frau abwerten will, die sich für ein Leben als Hausfrau und Mutter entscheidet – ich weiß nur, dass es für all diese oben genannten Frauen nie der große Traum war, auf den sie von Klein auf hingearbeitet haben. Aber ich glaube auch, dass es sich bei diesen Fantasien eben genau um solche handelt: Fantasien, die jeder Mensch braucht, dem manchmal das ganze Leben über den Kopf wächst. Und unsere Vorstellung vom Leben mit Kindern kann, glaube ich, von der Realität nicht weiter entfernt sein. All die Frauen in meinem Bekanntenkreis, die das mit dem Kinderkriegen schon hinter sich gebracht haben, lieben ihre Kinder sehr – und ihre Jobs genauso. Und keine von ihnen hat, als es ernst wurde, auch nur im Entferntesten daran gedacht, die Rama-Fantasie Wirklichkeit werden zu lassen. Und das beruhigt mich dann doch wieder. (Dass keine von den Frauen nach der Baby-Pause auch nur im Entferntesten wieder da arbeiten konnten, wo sie vor der Geburt ihres Kindes aufgehört hatten, steht wieder auf einem ganz anderen Blatt.) christina-waechter

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