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Mädchen, dürfen wir euch fragen, wie es beim Frauenarzt war?
Die Jungsfrage:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Jetzt mal ganz unverkrampft: Uns ist bekannt, dass ihr nicht ohne Geschlechtsteil auf die Welt gekommen seid. Und wir wissen, dass dieses Teil gelegentlich gewartet werden muss. Jede Frau, jedes Jahr, banale Sache. Trotzdem ist das ganze Frauenarzt-Ding ein ziemliches Tabu, einfach so mal an der Theke drüber quatschen wie über den Zahnarzt geht zwischen nicht liierten Mädchen und Jungen ja eher selten. Und mit der Partnerin wird die diesbezügliche Nachfrage auch eher so abgefertigt: „Naja, ist halt immer irgendwie komisch." Also fragen wir schon gar nicht mehr, obwohl uns diverse Vorgänge vielleicht schon interessieren würden, rein wissenschaftlich. Aber die sollen uns solange nichts angehen, bis die Kinderproduktion anläuft, wo dann erwartet wird, dass wir selbstbewusst und souverän mit dem Ultraschallgerät auf eurem Bauch rumfahren und so tun, als wären wir schon hundertmal in der Frauenarztpraxis rumgestanden. Warum also nicht die ganze Sache etwas früher entmystifizieren? Über die obligatorische Unterhosenöffnung bei unserer Musterung zum Beispiel geben wir doch auch auf jedem Fest gerne und laut Auskunft.
Die Mädchenantwort:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Kurz gesagt: Nein, dürft ihr nicht.
Lang gesagt: hinkt zunächst einmal der Zahnarztvergleich. Denn wir haben euch zwei Tage vorher erzählt, dass wir hinmüssen (bevorstehende Wurzelbehandlung) oder im Gespräch eingeworfen, dass wir gerade da waren (durchgestandene Wurzelbehandlung) und ihr fragt dann genauer nach, weil ihr verstanden habt, warum wir das erwähnen: Wir wollen euer Mitleid und wir wollen euch unser Herz ausschütten – die Schmerzen, die Hilflosigkeit, der böse Onkel Doktor! Das ist übrigens eine geschlechtsneutrale Sache. Von Zahnarztbesuchen erzählt jeder jedem, alle müssen da mal hin und alle kennen das angemessene Verhaltensmuster, schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und sagen: „Du Arme/r!"
Von unserem bevorstehenden oder gerade absolvierten Besuch beim Frauenarzt aber erzählen wir euch nicht von selbst. Zum einen, weil dieser Besuch nicht geschlechtsneutral ist, zum anderen, weil er meist der Vorsorgeuntersuchung dient, da gibt es nichts Berichtenswertes. Wenn wir nur mal so zum Durchchecken beim Zahnarzt vorbeischauen, gehen wir damit ja auch nicht hausieren. Wenn wir aber auf die sagenumwobene Frauenarztliege müssen, weil irgendwas im Argen ist, dann ist das kein Thema für Thekengespräche. Denn Brust- oder Unterleibskrankheiten sind zumeist sehr unangenehm und spielen sich noch dazu in Körpergegenden ab, die privater sind als die Mundhöhle, das Innenohr oder der Knorpel im Knie. Davon erzählt man nicht jedem, das macht man mit sich selbst aus.
Außerdem käme uns eure Frage, würdet ihr sie denn stellen, irgendwie unlauter vor. Du sagtest ja schon, dass euch die Vorgänge „rein wissenschaftlich" interessieren würden. Ihr seid einfach neugierig! Aber dann versteckt ihr eure Neugierde hinter einer persönlich und liebevoll eingefärbten „Wie war's"-Frage, anstatt geradeheraus zu fragen, ob euch bitte mal jemand erklären kann, wie das da eigentlich so läuft, beim Frauenarzt, wer da wo mit was und warum reinschaut. Das würde uns auch besser gefallen, weil wir dann nicht von unserem persönlichen Erlebnis erzählen und uns fürchten müssten, dass ihr vor eurem inneren Auge seht, wie wir hilflos und halbnackt einem Mann oder einer Frau mit kalten, viel zu großen Gerätschaften ausgeliefert sind. Sondern wir könnten euch ganz neutral einmal grob den Ablauf erklären wie er in Büchern für junge Mädchen erklärt wird, die Angst vor dem ersten Frauenarztbesuch haben. Oder euch an eines dieser Bücher für junge Mädchen verweisen.
Nur ein Junge, der mit einem Mädchen liiert ist, darf sie fragen „Wie war's beim Frauenarzt?", weil er ja neben dem behandelnden Arzt der einzige ist, der mit den betreffenden Regionen in regerem Kontakt steht. Aber auch hier gilt die Frage nur, wenn man davon ausgehen kann, dass damit „Ist alles in Ordnung?" gemeint ist. Unsere knappe Antwort lautet dann (im besten Falle) „Alles in Ordnung", ohne, dass wir beschreiben müssen, wie der Arzt zu diesem Urteil gelangt ist. Wollen wir auch gar nicht. Es ist nicht schön, beim Arzt zu sein, das wisst ihr doch auch. Und wenn man mal genauer drüber nachdenkt, ist es eigentlich seltsam, dass man von Zahnarztbesuchen immer so gerne erzählt und die unterschiedlichen Leidensstufen beschreibt. Lasst uns besser auch damit aufhören.
valerie-dewitt