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Mädchen, schenkt ihr wirklich so gerne?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ja, sie naht wieder, die Saison mit der subtilen Geschenkthematik. Als Junge hat man mit der Schenkerei eigentlich naturgemäß nicht so viel am Hut. Wenn in der siebten Klasse die Mädchencliquen sich gegenseitig mit Niedlichkeiten und selbstgemachten Liebeskarten eindeckten und sich reihum in die Arme fielen, blieb uns nur basses Erstauntsein über dieses innige diddln und drücken. Ich meine, wir haben nicht mal unseren besten Freunden was zum Geburtstag geschenkt, Schulterklopfen reichte schon, höchstens zum 18., da gab's vielleicht irgendwas, das sich unter dem Oberbegriff „Scheiß" ganz gut zusammen fassen ließ. Auch später wird uns das Schenken nicht unbedingt natürlicher – klar, die Freundin und Mama bekommen etwas, weil wir wissen, dass es sonst Knatsch gibt. Aber dieser Irrsinn bei jedem Treffen und Besuch etwas aus der Handtasche zaubern zu müssen, das kennen wir eigentlich nur von euch. Ständig muss irgendeine sogenannte Kleinigkeit für irgendwen und irgendeinen Anlasse hübsch verpackt werden, weil es sonst ja doof ist, ganz ohne was da zu stehen. Nur für diesen Wahn wurden ganze Geschäftskonzepte wie Butlers und Co. eingerichtet, die immer randvoll sind mit Damen aller Altersklassen, die Windlichter und witzige Bilderrahmen einkaufen, nur um sie sich wenig später gegenseitig in die Hand zu drücken.

Das muss aufhören! Wir sind nicht gegen materielle Zuneigungsbekundungen, ganz und gar nicht, aber doch nicht mit dieser tüddeligen Selbstverständlichkeit und obwohl keiner der Beteiligten Bock darauf hat. Macht euch das wirklich Spaß? Kittet das zwischenmenschlichen Spannungsfugen, die wir nicht sehen? Oder warum lasst ihr es nicht einfach bleiben?



Die Mädchenantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wenn ich mich richtig erinnere, wurden die Mädchen schon im Kindergarten und in der Schule eher dazu angehalten, etwas zu basteln als die Jungs, beziehungsweise hat man von ihnen einfach die besseren Ergebnisse erwartet. Das ist vielleicht die Weiterentwicklung der Hauswirtschaftslehre, wirkt zwar etwas emanzipierter, läuft aber auf die selben Rollenbilder hinaus: Jungs sollen mit den Händen reparieren können, notfalls auch unter extremen Schmutzbedingungen und mit groben Handgriffen, Mädchen sollen mit den Händen feinmotorischen und reinlichen Kleinscheiß zustande bringen.

Das ist die Erziehungsseite der ganzen Sache. Dass uns dieses feinhandwerkliche Geschick, das man während unserer Kindheit von uns erwartet, dann, ob vorhanden oder nicht, auch unser ganzes restliches Leben lang abverlangt wird, hat einen anderen Grund. Den findet man im unterschiedlichen Sozialverhalten innerhalb der zwei Geschlechtergruppen. Jungs bekunden sich untereinander einfach anders ihre Zuneigung als Mädchen. Es gibt da ungeschriebene, aber deutlich spürbare Gesetze. Ihr umarmt euch, klopft euch dabei den Rücken, ihr fragt den anderen, was er grade so macht, lasst ihn erzählen und nickt dazu und euer Kompliment lautet nach einem das Gegenüber allumfassenden Blick: „Gut siehst du aus!" Ihr begegnet euch lässig. Mädchen umarmen sich ganz anders, so fest und eng, und manchmal schaukeln sie dann noch ein bisschen hin und her dabei (besonders, wenn sie sich wirklich lange nicht gesehen haben). Im Gespräch ist das aufmerksame, genaue Nachfragen wichtig, als Zeichen dafür, dass man noch dabei ist, auch gelegentliche Verständnisbekundungen („Das kenn ich!", „Das ist so wie...") werden gerne eingestreut. Das Kompliment eines Mädchens an ein anderes Mädchen ist ebenfalls mit der Ausstellung der eigenen Aufmerksamkeit verbunden, es geht meist über ein „Gut siehst du aus" hinaus und umfasst noch irgendein Detail: die schönen Schuhe, der gesunde Teint, die neue Jacke. Wir begegnen uns eifrig.

Unter Mädchen ist es also die Regel, einen genauen Blick zu haben, Feingefühl zu beweisen und ins Detail zu gehen. Und da liegt auch der Geschenkehund begraben! Denn Feingefühl, einen genauen Blick und Detailverliebtheit kann man über Geschenke besonders gut transportieren. Es ist wichtig, dass man beim Überreichen eines Päckchens nicht nur einen Gegenstand verschenkt, sondern auch die Gedanken und die Mühe, die man sich vorher gemacht beziehungsweise die Zeit, die man investiert hat. Es gilt: Ein Geschenk muss nicht groß sein und auch nicht teuer, aber ein guter Gedanke, eine hübsche Karte und eine ansprechende Verpackung machen auch das winzigste Teil zu einem strahlenden Kleinod auf dem Gabentisch. Das ist bei uns schon seit der Kindheit so und zieht sich durch alle Geburtstage und Weihnachtsfeste hindurch. Und wenn man mal wirklich erwachsen ist, dann hat es sich gründlich eingebürgert und man fühlt sich verpflichtet, etwas mitzubringen, wenn man irgendwohin eingeladen ist, weil man damit erstens „Danke" und zweitens „Ich habe schon vorher ganz viel daran gedacht, dass ich hierher eingeladen bin" sagt.

Ob uns das wirklich Spaß macht? Kurz gesagt: Manchen ja, manchen nein. Lang gesagt: Es gibt Mädchen, für die es entspannend, fast meditativ ist, ihre Hände zu benutzen und damit etwas Schönes zu erschaffen, die gut schneiden, falten, malen und kleben können und die ihre Karten immer selbst basteln. Und es gibt Mädchen, die können das alles nicht so gut. Aber wenn sich diese Mädchen auf die alljährliche Freundinnen-Weihnachtsfeier vorbereiten oder auf den Geburtstag einer Freundin, dann lastet da schon dieser Mädchen-machen-sich-Gedanken-und-erschaffen-schöne-Dinge-Druck auf ihnen. Wie gesagt: ungeschriebene, aber deutlich spürbare Gesetze.

Ja, ja, wir wissen schon, man sollte sich dem auch mal widersetzen, zumindest, wenn man keinen Bock darauf hat oder alle Karten, die man bastelt, nur so mittelschön werden. Aber das Schenken ist nun einmal ein Ritual, eine extrem bedeutungsvolle Geste unter uns, es ist schwer, sich dem zu widersetzen – vor allem, weil einem diese Geste selbst dauernd entgegengebracht wird. Es ist wie ein Händedruck, den erwidert man auch, das gehört sich so. Allerdings wie ein Händedruck unter Frauen. Euch verzeihen wir es ja sogar, wenn ihr eure Geschenke nicht mal einpackt. Vielleicht solltet ihr uns mal erklären, wie ihr das macht.

nadja-schlueter

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