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Mädchen, seid ihr sexy?

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Das Wort sexy klingt ja sehr altmodisch, fast so wie "Bonboniere" oder "Schlips". Ein Relikt aus der Erotiksprache der 80er, mit diesem obszönen Ypsilon am Ende - insgesamt sehr neonfarben. Trotzdem taucht das alte "sexy" bis heute auf, um etwa bei der Beschreibung von Dessous und Kylie-Minogue-Hintern eingesetzt zu werden, auf Plakaten von drittklassigen Soul-Partys oder besonders schlimm und hirnlos im Begriff „Sexy Hexi“. Damit sind wir schon bei der Frage: Wenn überhaupt, geht es in Zusammenhang mit "sexy" öfter um euch als um uns. Das Sexysein gehört zu Frauen und nicht zu Männern. Aber was ist das eigentlich? Hat es für euch die gleiche Präsenz wie, sagen wir, Klugsein, Schönsein, Sportlichsein? Ist es also eine Eigenschaft, zu der man sich als Mädchen irgendwie verhalten muss, die man verbessern oder auf die man bewusst verzichten kann? Wollt oder müsst ihr manchmal sexy sein? Wo und wann genau werdet ihr Hexis sexy?


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"Sexy". In dem Wort steckt eine so plakative Überdosis Sex, dass man gar keinen mehr haben will. Sexy ist von allem etwas zuviel, und wahrscheinlich passt es deshalb auch so gut zu den Altersgruppen, die es meinem Kopfszenario nach am liebsten verwenden: Zum einen Teenager, die ihrer sexuellen Wirkungskraft übereilt und daher etwas tölpelhaft entgegenstreben. Und zum anderen Frauen in der Midlife Crisis, die auf der Ü30-Party in der Hexenstube noch mal eben „flott“ tanzen gehen möchten. In beiden Fällen äußert sich das meist in zuviel blauem Lidschatten, rutschigen Netzstrümpfen und alkoholgedünsteter Partygeilheit. Ihr habt also absolut recht: „Sexy“, das ist wie Großraumdisko und Bildzeitung: irgendwie drittklassig. Wir, als einigermaßen reflektierte Mittzwanzigermädchen möchten uns um keinen Preis mit solchen Plattitüden schmücken. Und das hat nichts damit zu tun, dass wir unser natürliches Geltungsbedürfnis leugnen wollen. Ich würde mal ganz mutig behaupten, dass du, ich, Mama, Papa, Oma oder Opa in etwa dasselbe Maß an gesunder Gefallenslustigkeit aufweisen. Aber wir Mädchen von heute wachsen in einer Zeit auf, in der es glücklicherweise als Zeichen von mangelndem Selbstbewusstsein gedeutet wird, sich für die Gunst der Männerwelt anzubiedern. Und Selbstbewusstsein, wissen wir, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein glückliches Leben. Also wollen wir uns in erster Linie selbst gefallen. Dass es dafür nicht reicht, den Lippenstift einfach doppelt so dick aufzutragen und die Hälfte des Rocks wegzulassen, merken wir schnell. Morgens vor dem Spiegel blicken wir ja doch wieder derselben ungeschminkten Wahrheit ins Gesicht. Die Grundessenz unseres Attraktivitätscocktails soll deshalb aus Grips, Humor und gesundem Stolz auf unsere eigene Person bestehen. Sich darüber hinaus schick anzuziehen, ein bisschen in die Landschaft zu zwinkern oder sonstige Flirtereien zu betreiben sind dann bloß i-Tüpfelchen unserer Inszenierung. Sozusagen bescheidenere oder gewagtere Versuche, unser Selbst noch etwas herauszupolieren. Und dabei wissen wir, dass es im Zweifelsfall nie mehr, sondern immerimmerimmer weniger Haut bedarf. Weniger Schminke, weniger Augenklimpern und weniger lange, beziehungsweise gar keine Glitzernägel. Denn das ist ja unser Credo: Es muss auch ohne gehen. Wir wollen uns nicht abhängig machen. Nicht von euch, und nicht von dem roten Lippenstift. Ach und: Wenn wir einem guten Jungen begegnen, denken wir „Uh, der war aber heiß!“. „Heiß“ ist mehr als purer Körper, auch wenn wir noch nicht genau wissen, wieviel. Es verspricht nichts und es benennt nichts. Und so macht es auf eine geheimnisvolle Art und Weise etwas mit uns, das sehr viel Spaß macht: Es reizt. „Heiß“ ist das, was „sexy“ gerne wäre, aber nicht kann. Und so vielleicht das bessere Wort für das, was wir gerne ausstrahlen möchten. mercedes-lauenstein

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