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Mädchen, steht Ihr auf Schweiger?
Manchmal geben wir uns wirklich Mühe. Wir finden Euch toll, wir wollen Euch. Am besten jetzt gleich, aber in drei Stunden ist auch gut. Wir trinken dann nicht zuviel, weil wir sonst so viel Blödsinn reden. Wir halten unsere besoffenen Kumpels auf Abstand, stellen uns mit Euch in eine ruhigere Ecke der Party, fragen Euch, ob Ihr noch etwas trinken möchtet oder bieten Euch eine Zigarette an, falls Ihr denn raucht. Seid Ihr Nichtraucherinnen, versuchen wir selbst etwas weniger zu rauchen. Das klingt vielleicht etwas berechnend, aber wie gesagt, ihr wollt es ja auch. Irgendwie. Heute Nacht. Die Eckdaten sind abgestimmt, die Ziele klar. Und dann geht es los: Wir fangen an zu reden. Wir beginnen bei Belanglosigkeiten, arbeiten uns dann langsam zu gehaltvolleren Themen vor. Wir achten darauf, nicht zuviel von uns zu erzählen, wir stellen viele Fragen und versuchen, aufmerksam zuzuhören. Früher oder später geht dann doch der Gockel mit uns durch und wir geben an: „Ach, Du warst in Thailand? Da war ich auch schon öfter…“ „Cool, Du liest Adorno? Ich fand ja seine „Dialektik der Aufklärung“ nicht ganz so gut…“ „The Notwist sind super, ja. Ich kenn den Sänger von denen ja ganz gut…“ So etwas passiert. Aber wenn wir nicht zu besoffen sind, kriegen wir noch die Kurve und schaffen es ab und zu sogar, Euch zum Lachen zu bringen. Das sind kleine Glücksmomente, weil sie uns signalisieren, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Zwei, drei, manchmal vier Stunden vergehen so. Langsam, finden wir, könnte es Zeit sein, dass sich unsere Hände zufällig berühren und sich dann nicht mehr loslassen, langsam könnten wir mal knutschen und wenn wir geknutscht haben, dann könnten wir Euch fragen, ob wir noch… Aber soweit kommt es nicht. Weil zehn Minuten vor Schluss im entscheidenden Moment ein Schweiger, ein Nicht- oder Wenigreder auftaucht. Er sagt einfach irgendwas, aber das macht alles klar. Sekunden später seid Ihr mit ihm verschwunden. Das fühlt sich an, wie wenn Brasilien gegen Usbekistan Fußball spielt, 89 Minuten das Spiel fast in Perfektion beherrscht und plötzlich ein paar Sekunden vor Abpfiff irgendein gerade eingewechselter Usbeke den entscheidenden Treffer erzielt. Irgendwie unfair, frustrierend. Und dann fällt unser dieser Spruch von Johann W. Goethe ein: „Manchmal ist ein schneller Griff in die Bluse richtiger als ein langwieriges und mühsam gesetztes Sonett.“ Mädchen, stimmt das?
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Okay, Jungs. Nur um jetzt mal ein weitverbreiteten Irrtum auszuräumen: Wir sind ja nicht doof. Wir kapieren meist schon beim ersten Satz, worauf ihr aus seid. Ihr wollt heute Abend noch was Warmes mit heim nehmen. Ihr wollt uns durch Vielreden in eine Art katatonischen Zustand versetzen und dann, wenn wir ganz leer gesabbelt sind, schnell eure Hand in unsere Bluse stecken. Stimmt’s? Das ist natürlich völlig legitim und oft haben wir auch gar nichts gegen diese Strategie. Weil wir euch ja eigentlich auch super finden und noch viel superer, wenn wir merken, dass ihr euch richtig anstrengt. Dass ihr uns wollt und dafür auch die Gefahr eingeht, euch dumm und dusslig zu quatschen, ist ein sehr sympathischer Zug. Es ist schmeichelhaft, wenn ein netter Junge vor uns steht und mit rotem Kopf sehr viel Unsinn redet, immer schneller wird, irgendwann aufhört mit dem Reden und uns ganz hilflos anschaut. Das mögen wir sehr! So ganz prinzipiell und mitunter. Aber manchmal läuft es eben auch anders, nämlich so: Wir stehen so mit einem Bier in der Hand, die Freundin D. ist vor einer halben Stunde auf dem Klo verschwunden, aber das macht gar nichts, weil diese Ecke da oben links in der Küche wirklich sehr interessant ist. Ohne Quatsch! Die Ecke hat eine ganz außergewöhnliche Form und wir können unsere Augen nicht davon lassen. Abgesehen davon kennen wir auf der Party keinen und wir bekommen immer mehr Beklemmungen, weil da so viele coole Typen so cool herumstehen. Nur wir nicht. Zum Glück haben wir die Decken-Ecke entdeckt! Und dann kommt ihr und sprecht uns an und vor lauter Erleichterung, reden wir genauso viel wie ihr und sind euch wahnsinnig dankbar. Wirklich! Und dann kommen wir von Hölzchen auf Stöckchen und alles ist total nett. Nur: Zwischen eurer großen Abhandlung über Deleuze und dem ausführlichen Reisebericht aus Vorderasien – garniert mit einer Dia-Show auf eurem top-schicken iPod – geht die ganze Aufregung verloren und uns kommt, dass ihr uns zwar vor zwei Stunden aus einer sehr dummen Lage gerettet habt, aber jetzt haben wir uns in eine andere dumme Lage hineinmanövriert. Weil dieses Gespräch jetzt schon so lange dauert, meint ihr natürlich, „dass da noch was geht.“ In Wahrheit geht da aber nichts – aus verschiedenen Gründen – meistens hat es etwas mit Chemie zu tun. Auftritt „Cooler Hund“. Zwei Sätze aus seinem Mund und wir verabschieden uns mit bedauerndem Lächeln von euch und sind raus. penni-dreyer