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Mädchen, tragt ihr eigentlich immer zusammenpassende Unterwäsche?
Nachdem ihr euch letzte Woche für unsere wärmendes Beinunterkleid interessiert habt, wollen wir im Gegenzug ganzheitlich neugierig sein. Die Stadt ist seit jeher gepflastert mit Wäscheplakaten, auf denen lieblich anzusehende Damen in und für pittoreske(r) Unterwäsche werben. Das ist schön anzusehen, keine Frage. Nun wissen wir aber zum Beispiel aus dem Fachgebiet Socken, dass es nicht immer einfach ist, die Dinge im Alltag beisammen zu halten. Außerdem müssten wir lügen, wenn wir euch nicht auch schon mal beim Einzel-Unterhosenkauf begleitet hätten bzw. auch schon aus gänzlich unterschiedlichen Teilen auspackten – was natürlich den Spaß keinesfalls schmälerte. Ist das stimmige Unterwäsche-Set also eher so eine Idealvorstellung wie bei uns der Anzug mit Einstecktuch und passender Krawatte oder gehört das schon zum Pflichtprogramm eures täglichen Anziehens? Oder machen das erst Damen mit etwas gefestigter Erotik? Wie viele Gedanken verwendet ihr darauf, zur Unterhose den richtigen BH zu finden, bzw. womit fangt ihr eigentlich an, oben oder unten? Und, ganz praktisch gefragt, wie haltet ihr eure perfekten Unterwäsche-Sets im Alltag beieinander?
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das Alter, in dem wir unseren Unterwäschekompositionen eine hochtrabende Bedeutung zuordnen, haben wir nicht etwa noch nicht erreicht. Wir haben es bereits überwunden. Es begann, als wir alles andere als erotisch etabliert waren, nämlich aufgeregte, dreizehnjährige Mädchen. Plötzlich stand die Möglichkeit erster sexueller Gehversuche vor der Tür und die Frotteeunterhosen aus Kindertagen hatten darin nichts mehr zu suchen. Wir schoben sie in dunkle Schranktiefen und zogen mit unseren besten Freundinnen los, um uns bei H&M mit Snoopy oder Betty Boo bedruckten BH-und-Tanga-Sets einzudecken, die uns im Nachhinein so niedlich und unbedarft wie Puppenwäsche vorkommen. Aber morgens aus einer Fülle harmonierender, leicht verbotener (wegen Tanga!) Unterwäschesets wählen zu können, wurde plötzlich so wichtig wie Monatshygiene und ordentliches Bescheidwissen über Verhütung.
Als ein bisschen später echter Sex in unseren Alltag eintrat, erreichte diese Unterwäschenbedachtheit einen neuen Höhepunkt. Die Snoopys waren das neue Frottee geworden und mussten weg. Echter, erwachsener Sex brauchte echte, erwachsene Unterwäsche. Alles sollte so sein wie in der Werbung, im Film und wie im Porno. Wir häuften Spitzenunterwäschensets in jeder Farbvariante, sortierten sie hübsch und passten auf, dass bloß kein Teil in der Wäsche abhanden kam. Das war aufregend und ein bisschen verrucht, vor allem aber war es anstrengend. Doch das gestanden wir uns noch nicht ein.
Nach ein paar Jahren Sex und Unterwäschenerfahrung konnten wir den ganzen Scheiß mit den Rüschen und dem „Ich-will-für-dich-die-heiße-Frau-aus-der-Palmers-Werbung-sein" plötzlich klarer sehen. Wir stellten fest, dass uns das alles auf den Geist ging und dass uns das affige Untendrunter-Verkleiden a) zu anstrengend b) zu affektiert c) zu unbequem und d) schlichtweg zu hässlich war. Der Reizwäschenkram passte nicht mehr zu unserem ästhetischen Empfinden und zu unserer Vorstellung davon, was Sex jetzt für uns war: Ein Gutgefundenwerden und Gutfinden trotz - und manchmal gerade wegen - irgendwelcher Makel und Unebenheiten oder langweiliger Unterhosen. Ohne Spitzenwäsche und peniblem Kombinierungszwang war alles gemütlicher und ehrlicher und der Sex schon allein deshalb besser, weil es sich endlich nach etwas Eigenem, unverwechselbar Intimen anfühlte und nicht nach dem billigen Versuch, aus dem echten Leben einen VOX-Softporno zu machen.
Versteht uns nicht falsch: Wir lieben schöne Unterwäschengeschäfte und laufen gern mit kleinen hübschen Tütchen durch die Einkaufsstraße, in der einige wenige teure, aber perfekte Unterhosen liegen oder ein weiteres Exemplar des lang gesuchten und gefundenen BH's. Nur, weil wir diese Sache mit der Unterwäsche nicht mehr so streng sehen, sind wir längst nicht zu Schmuddel-Trinen geworden. Es hat sich eben bloß die Bedeutung davon, was „schöne Unterwäsche" für uns ist, und davon, was es heißt, wenn sie „zueinander passt", verändert. Schön ist Unterwäsche, wenn sie bequem ist und gut sitzt und wenn sie nach Leichtigkeit und Frische aussieht, und nicht nach Plüschteppich und Drogerieparfum. Unterwäsche muss im Zweifel durch ihre unbedachte Eleganz unwiderstehlich machen, aber bestimmt nicht durch Rüsche und Spitzchen und Strapse und sonstige Törtchenhaftigkeit.
Aus all diesen Gründen kaufen wir unsere Unterwäsche längst nicht mehr in niet- und nagelfesten Sets, die nur so und niemals anders zu tragen wären. Wir kaufen Unterwäsche nach Bedarf oder nach einer spontanen Lust und Laune. Worüber wir uns ein bisschen ärgern ist, dass wir es einfach nicht hinkriegen, sie fein säuberlich sortiert in verschiedenen Schublädchen aufzubewahren. Nach der Wäsche schmeißen wir sie meistens in eine Durcheinanderverhaukiste, in der auch ein paar einzelne Socken vergraben liegen. Darin haben sich im Laufe der Zeit viele ähnliche BH- und Unterhosefarben angesammelt und wenn wir morgens nach dem Duschen zwei Teile aus diesem Verhau kramen, dann bemühen wir uns zwar, zwei harmonierende oder ungefähr gleichfarbige Teile zu erwischen. Doch das ist längst kein detailliert berechnetes Geschäft mehr und es ist ein gutes Gefühl, endlich verstanden zu haben, dass es bei guten Obszönitäten auch gar nicht darauf ankommt.
martina-holzapfl