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Mädchen, wäret ihr auch gerne einsamer Thekenwolf?
Die Jungsfrage
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Eine gängige Szene in Bars und Kneipen ist ja die. Typ kommt rein, geht zielstrebig auf einen Hocker an der rechten Ecke der Bar zu, da, wo er den DJ in der Ecke im Blick hat und auch den Eingang. Er nickt dem Barmann zu, hängt die Jacke an den Haken unter der Bar (er muss dabei nicht hinschauen, obwohl der Haken ein bisschen versteckt und unpraktisch angebracht ist.) Der Barmann nickt zurück, dreht sich aber in derselben Bewegung schon zum Gläserregal um, weil er weiß: der Typ will ein Pils.
Der Typ ist ein Stammgast. Er kommt mindestens einmal die Woche in die Bar, er kennt das Personal. Er kommt mit manchmal mit Freunden, oft aber auch ohne. Dann sitzt er da mit seinem Pils, quatscht ein wenig mit dem Barmann, geht mit ihm mal eine rauchen. Ansonsten sitzt er da. Einfach so. Er und sein Bier und die Musik und die Bar, das reicht ihm. Manchmal hat er eine Zeitschrift dabei, in der er dann aber kaum liest.
Diese Szene lässt sich ganz einfach ihrer Stimmigkeit berauben. Indem man das Wort Typ durch das Wort Mädchen ersetzt. Natürlich, es gibt Ausnahmen, aber im Normalfall ist der Stammgast ein Mann. Ihr Mädchen geht irgendwie nicht so gern alleine in Bars wie wir, und ich frage mich, warum das so ist. Weil ihr lieber wo anders mit euch und euren Gedanken alleine seid und Bars und Kneipen für euch Orte des unbedingten Kommunizierenmüssens sind? Weil ihr das Bild des einsamen Thekenwolfs nicht mögt? Oder geht ihr nur mit Begleitung in Bars, weil ihr wisst, dass ihr als einsames Thekenwolf-Mädchen an der Bar früher oder später einen Menschen neben euch habt, der euch anmachen will?
Mädchen, wärt ihr auch gerne Stammgast?
Die Mädchenantwort:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Frauen als Thekenwölfinnen sind tatsächlich die Ausnahme, das kann ich aus weitreichenden Erfahrungen als Barkeeperin und Kellnerin bestätigen. Sie kommen lieber mit Freunden oder wenigstens mit einer Zeitung oder einem Buch in eine Bar – sei es auch nur zu Zwecken des Alibis. Sich zum Schein in etwas Lesbarem zu versenken ist immer noch besser, als sich der Entblößung auszusetzen, allein am Tresen zu hocken. Dort wie die verlassene Geliebte auf dem Präsentierteller zu sitzen und den Eindruck zu erwecken, man warte bloß auf den nächsten starken, schützenden Arm eines Mannes, ist nicht gerade ein Bild, das wir der Umwelt von uns vermitteln möchten.
Ich möchte niemandem unterstellen, dass ein männlicher Stammgast tatsächlich stets sexuelle Motive verfolgt und die von uns gefürchteten Klischees wirklich zutreffen. Ganz im Gegenteil. Das Problem hat wahrscheinlich mehr mit der Angst vor eventuellen Missverständnissen zu tun, als mit der Realität. Als Spielball für das Jung und Alt der tresen'schen Herrenrunde verkannt zu werden ist lediglich eine Befürchtung - wenn auch sie nicht völlig grundlos ist: Immerhin kommt es häufig zu einem zwischenmenschlichen Desaster, wenn sich herausstellt, dass wir manchmal einfach nur rein freundschaftlich mit einem Mann verkehren möchten, während er längst in Tagträumen über den nahenden Sex mit uns versunken war. Da liegt es nicht fern, dass es ein ebenso großer Schock für einen Mann sein könnte, dass wir lediglich zum lässigen Biertrunk und aus plänkelnder Gesprächsfreude am Tresen sitzen, ohne dabei gleich auf wilden Sex im Bierkeller zu hoffen.
Es ist hinrissig, aber wahr: Bei einer Frau, die allein unterwegs ist, fragt man sich eher, warum. Sie sind doch sonst so gern in Gruppen unterwegs, sie gehen sogar miteinander auf Toilette. Was wäre also falsch, wenn sie alleine an einem Tresen säßen – ohne Buch, ohne Date, ohne ersichtlichen Grund?
Wir haben keine Lust auf diese Bredouille. Also meiden wir die ganze Sache lieber. Uns mühsam in Widerlegungsversuchen zu verstricken, würde den Sinn und Zweck einer Stammkneipe verfehlen. Eine Stammkneipe muss ein Ort sein, auf den man sich verlassen kann, der ein gewisses Zuhausegefühl bietet und an dem man stets hereingelassen wird – egal, ob im Jogginganzug oder im Seidenkleid, mit guter oder mit schlechter Laune. Unangenehme Konfrontationen sind da fehl am Platz. Wir wollen uns entspannen. Und das geht dort am besten mit Freunden, hinter Zeitungen oder Büchern – und ansonsten einfach zu Hause.
Das ist eine erschreckend wenig emanzipierte Sichtweise, für die man sich als fortschrittliches Mädchen schämen sollte. Das Meiden der Konfrontation hilft schließlich kein bisschen, das dumme Klischee zu beseitigen. Denn eigentlich ist es so: Ja, wir wären manchmal schrecklich gerne einsame Thekenwölfinnen. Wir wären sogar sehr gut darin. Und das sollte eigentlich Grund genug sein, unsere dämlich-trotzige Befangenheit endlich zu überwinden.
martina-holzapfl