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Mädchen, warum mögt ihr rothaarige Jungs nicht?

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Wir müssen über Haare reden – und über Farbe. Da gibt es eine Sache, die ich nicht verstehe. In meinem Freundeskreis gibt es Menschen, die dann und wann die Farbe ihrer Haare ändern. Dabei handelt es sich allesamt nicht um Jungs. Nur Mädchen in meinem Freundeskreis entscheiden sich – oftmals spontan beim Friseurbesuch – dafür, ab sofort blond sein zu wollen und nicht mehr schwarzhaarig. Das mag an meinem speziellen Freundeskreis (mit vielen Haarausfall-Jungs liegen), es führte mich aber zu einer Beobachtung, die in der heutigen Jungsfrage endet:



Kein Junge (auch alle, die nicht mit mir befreundet sind) käme auf die Idee, sich das Haupthaar für eine Weile rot zu färben. Denn rothaarige Jungs gelten als langweilig, blass und irgendwie englisch. Sie haben kein besonders gutes Image. Sie wirken auf das andere Geschlecht in keiner Weise attraktiv. Rothaarige Mädchen hingegen sind für Jungs durchaus anziehend. Vermutlich deshalb gibt es auch blonde Freundinnen, die bereits in den Henna-Topf gegriffen haben oder sich mit dem Gedanken tragen, das Haar künftig rötlich schimmern zu lassen.



Warum ist das so? Warum mögt ihr rothaarige Jungs nicht?


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Zunächst einmal kann man es leider nur bestätigen, dass rothaarige Jungs in Mädchenkreisen selten gut ankommen. Es gibt diverse Damen, die rote Haare so wenig mögen, dass sie die Familie des potentiellen Vaters ihrer Kinder sehr genau darauf überprüfen, ob es auf den Köpfen dort irgendwo diese Farbe gibt, bevor der Auserwählte dann auch wirklich der Vater ihrer Kinder werden darf – sie wollen ausschließen, dass der Nachwuchs rothaarig werden könnte. Traurig, aber wahr.

Der Grund für diese Abneigung sind gar nicht die roten Haare alleine, sondern auch das Drumherum, denn diese Haarfarbe geht ja oft mit einem blassen, in der Sonne schnell errötenden Teint und Sommersprossen einher. Vor allem die vornehme Blässe hat aber ein sehr weibliches Image, da können wir auch nichts dafür, das hat die Gesellschaft so gemacht und zwar schon vor ganz schön langer Zeit. Und weibliche Merkmale an männlichen Mitmenschen wirken auf die meisten weiblichen Mitmenschen nicht so besonders attraktiv. Wenn wir uns doch mal allein auf's Haar konzentrieren, fällt Folgendes auf: Rote Haare sind schön, wenn sie lang und wallend sind und dann in der Sonne schimmern (das bezieht sich hauptsächlich auf ein eher dunkles Rot), Männerhaar ist aber selten lang und wallend und wenn, dann scheiden sich allein daran die Geister, unabhängig von der Farbe.

Weil rote Haare so selten sind (Wikipedia sagt: ein bis zwei Prozent der Weltbevölkerung haben welche), fallen sie natürlich besonders auf und uns fallen sofort berühmte Rothaarige ein, die das Image dieser Chromosom-16-Variation (ja, steht auch bei Wikipedia) prägen. Auf weiblicher Seite wäre da zunächst einmal Pipi Langstrumpf. Die ist zwar kein Topmodel, aber ein Freigeist und wird von haufenweise Indie-Mädchen verehrt. Wenn sie sich mit dem Äffchen auf der Schulter und vor ihrem ganz eigenen kunterbunten Haus stehend ihr Pferd über den Kopf hält, sagt sie damit: Rothaarige Mädchen machen sich die Welt widewidewie sie ihnen gefällt, sie sind frech, unabhängig und ziemlich stark. Das ist das eine. Das andere findet man kulturgeschichtlich schon viel früher, zum Beispiel auf Botticellis Bild „Die Geburt der Venus": Die Venus, Göttin der Liebe und der Erotik, ist auf diesem Gemälde nicht braun, nicht schwarz, nicht blond, nein, sie ist rothaarig. Image geprägt.

Rothaarige Männer allerdings findet man selten in der Kunst. Auf Seite der Kindergeschichten, also in etwa neben Pipi Langstrumpf einzuordnen, fällt uns wer als männlicher Vertreter ein? Genau, leider der Pumuckl. Der ist zwar auch frech, aber auch ungleich nerviger und unselbstständiger als die Lindgren-Figur. Wer sich ansonsten als männliches rotes Rolemodel anbietet? Der gute Rupert Grint eventuell, aber den hat man unlängst als den unerfolgreichsten der Harry-Potter-Schauspieler gebrandmarkt, indem man ihm nachsagte, er sei bloß „still ginger". Überhaupt Rupert Grint und seine Rolle: Die gänzlich rothaarige Weasley-Familie schürt in all ihrer (liebenswerten) Verschrobenheit jegliche Klischees, die man mit dieser Haarfarbe verbindet.

Am Ende muss man sagen: Wir wurden in einer Welt großgezogen, in der von den wenigen Rothaarigen, die darauf herumspazieren, die Mädchen uns als Schönheitsköniginnen und Individualistinnen vorgeführt wurden, die Jungs hingegen als schlaksige Typen, die immer im Schatten sitzen, und zwar in dem eines Baumes (Sonnebrandgefahr!) oder in dem ihre Bruders (Prinz Harry!). Vielleicht wird es Zeit, dass wir uns davon freimachen. Dafür müsst ihr, liebe Jungs, allerdings anfangen, Bilder von schönen rothaarigen Männern in Muscheln zu malen.

nadja-schlueter

Text: christian-berg - Foto: Max.V /photocase.com

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